Oktoberfest:Erstmals schenkt eine Frau Bier auf der Wiesn aus

Lesezeit: 3 min

Melanie Dirnberger am Ausschank im Bräurosl-Zelt. Im Hauptberuf ist sie Programmiererin in einer Maschinenbaufirma. (Foto: Florian Peljak)

"Eine Frau hob' i ja no nia da hinten g'sehng!" Diesen Satz hört Melanie Dirnberger derzeit ständig. Über die Arbeit in einer Männerdomäne.

Von Franz Kotteder

Hinten links, kurz vor dem Aufgang zur Galerie des Bräurosl-Festzelts, das ist ihr Arbeitsplatz. Melanie Dirnberger, 28, hat einen wirklich einmaligen Job: Sie ist die einzige Schankkellnerin auf dem Oktoberfest. Denn die Arbeit am Zapfhahn ist eigentlich eine reine Männerdomäne, seit jeher. Das kommt noch aus den Zeiten, als das Bier überall in schweren Holzfässern ausgeliefert und dann auch ausgeschenkt wurde. Heute ist das auf dem Oktoberfest nur noch im Augustinerzelt und in den kleinen Zelten Zur Bratwurst und der Schützenlisl auf der Oidn Wiesn der Fall. In den anderen Zelten fließt das Bier längst aus dem Container, das Herumwuchten der schweren 200-Liter-Fässer, "Hirschen" genannt, entfällt.

Und natürlich auch das Anzapfen, um das in München alle (normalen) Jahre wieder ein großes Trara gemacht wird. Jedenfalls am ersten Wiesnsamstag, wie jeder Münchner Oberbürgermeister weiß. Melanie Dirnberger hat da durchaus noch Respekt: "Sowas haben wir ja nicht, wir schenken praktisch immer vom Tank aus." Und das Anzapfen am Holzfass, "das hab' ich noch nicht so oft probiert. Da könnte mir wahrscheinlich eher Oberbürgermeister Reiter Tipps geben als ich ihm."

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

"Das Ausschenken ist eine Kunst für sich", schwärmt einer, der es wissen muss

Trotzdem ist der Ausschank in Masskrüge, auch wenn man einen Tank vor sich hat, alles andere als ein Kinderspiel. Der ehemalige Wirtesprecher und Wirt vom Hackerzelt, Toni Roiderer, schwärmt davon geradezu in den höchsten Tönen: "Das ist eine Kunst für sich! Ein guter Schankkellner, der spielt seinen Zapfhahn wie ein Stargeiger seine Stradivari." Ein ganz passender Vergleich, schließlich kommt am Ende in beiden Fällen etwas Schönes dabei raus. Wobei eine frische Wiesnmass bei breiteren Gesellschaftsschichten sogar noch besser ankommt als eine perfekt gespielte Kreutzersonate. Und es kommt darauf an, sagen die, die von Berufs wegen eine Ahnung davon haben, dass man schnell den richtigen Rhythmus findet, wenn man einen Krug nach dem anderen füllt. Da ist es wichtig, dass man in einen gewissen "Flow" gerät - ein englischer Begriff, der eh ganz gut zum Thema passt.

Man sieht das, wenn man Melanie Dirnberger am Zapfhahn sieht: Mit einer schwungvollen Bewegung holt sie den leeren Krug, füllt ihn in zwei, drei, vier Sekunden auf, während sie schon den nächsten zur anderen Hand nimmt. Wenn sie den vollen Krug auf dem Schanktisch abstellt, läuft das Bier schon wieder in den neuen, und schon beginnt alles wieder von vorn. Wenn man nicht genau hinschaut, hat das fast etwas von Schunkeln.

Beim Vergleich mit der Stradivari muss Dirnberger erst einmal lachen. Ganz so schwer sei es ja nun auch wieder nicht, das Ausschenken. "Klar, man muss es schon erst einmal lernen", sagt sie, "aber das kommt alles mit der Übung." Drei bis vier Sekunden, das ist ihr Standard pro Mass: "Je nachdem, mit welchem Druck das Bier fließt." Sie habe schon etwa ein Jahr gebraucht, um die optimale Geschwindigkeit zu erreichen.

Es schadet aber jedenfalls nichts, wenn man eine gewisse familiäre Vorbelastung hat. Melanies Vater ist schon seit 26 Jahren Schankkellner im Hackerzelt, direkt gegenüber der Bräurosl. Er ist seit vielen Jahren in ganz Niederbayern unterwegs. "Ich bin schon relativ früh, mit 14 oder 15 Jahren, bei meinem Papa mitgegangen", erzählt Melanie Dirnberger, "er hat mir dann auch gezeigt, wie es am besten geht." Dann hat sie immer mal wieder ausgeholfen, denn: "Ein paar Volksfeste braucht man schon, bis man wirklich reinkommt." Und vor zehn Jahren, als der Vater als Schankkellner auf das Straubinger Gäubodenfest gehen sollte, übernahm sie für ihn das Volksfest in Viechtach, später dann andere kleinere Engagements in der Gegend, bei Fahnenweihen, Schützenfesten und anderen kleinen Volksfesten.

Dazwischen kam freilich schon mal eine Pause. Da studierte sie in Amberg Elektrotechnik. Und natürlich - "Schankkellner (m/w/d)" gibt es ja nicht als Ausbildungsberuf - hat sie einen ganz normalen Job, ist Programmiererin in einer Maschinenbaufirma. Das Ausschenken ist da eher so ein Hobby, mit dem man sich etwas dazu verdient.

In diesem Jahr hatte sie auch schon ihren ersten großen Auftritt auf dem Gäubodenfest, der Härtetest für die Wiesn, sozusagen. "Vor Corona war ich schon einmal dort", erzählt sie, "aber noch nicht am richtigen Zapfhahn, sondern bloß bei den Goaßnmassn." Die bestehen aus jeweils einem halben Liter dunklem Bier und Cola sowie einem Stamperl Kirschlikör. Eine richtige Mass Bier ist da offenbar ein Aufstieg.

Blöde Sprüche, sagt Melanie Dirnberger, habe sie sich als Schankkellnerin noch nicht gefallen lassen müssen, eher erstaunte: "Eigentlich hör' ich ja ständig den Satz: ,Eine Frau hob' i ja no nia da hinten g'sehng!' Das ist schon sehr ungewohnt." In der Schänke der Bräurosl fällt sie noch einmal ein bisschen mehr auf, wenn sie mit ihrem Kollegen Florian Haid zusammen ausschenkt. Denn er ist ein sehr robustes Mannsbild von 2,04 Metern Körpergröße, sie ist eher zierlich und nur 1,62 Meter groß.

Die Arbeit macht ihr auch vier Tage vor Schluss viel Spaß, sie fiebert noch keineswegs dem Ende entgegen. "Das ist immer noch so schön wie am ersten Tag!", sagt sie und lacht, "nein, im Ernst: Es ist wirklich ein sehr schönes Fest."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSexismus im Bierzelt
:"Wenn es abends voll wird, dann ist es nur noch eklig"

Zeltbesucher nötigen Küsse auf, Hände landen dort, wo sie nicht hingehören: Bedienungen berichten, wie übergriffig es auf dem Oktoberfest zugeht.

Protokolle von Katharina Haase und Lisa Sonnabend

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: