Paul-Heyse-Unterführung:Warum ausgerechnet Blau?

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Alles so schön blau hier: die sanierte und neu illuminierte Paul-Heyse-Unterführung. (Foto: Henning Koepke/oh)

Nach der Sanierung ist die Paul-Heyse-Unterführung in buntes Licht getaucht. Dabei ist dem namensgebenden Dichterfürsten mit diesem Bauwerk doch schon genug Unrecht angetan worden.

Glosse von Stefan Simon

Die Paul-Heyse-Unterführung ist neuerdings in blaues Licht getaucht. Warum ausgerechnet Blau? Das ist eine gute Frage, denn einerseits ist Blau die Farbe der Ruhe (die es dort nicht gibt) und der Unendlichkeit (die man sich dort lieber gar nicht vorstellen möchte). Andererseits wirkt blaues Licht gerade im Straßenverkehr eher alarmierend. Zumal wenn es nicht blinkt: Ist man in einen Großeinsatz geraten, bei dem die Zeit stehen geblieben ist? Was ist geschehen, soll man eine Rettungsgasse bilden? Oder ist das hier der Notausgang? Der ist in der U-Bahn schließlich auch blau beleuchtet. Was wohl am anderen Ende der Unterführung wartet? Berlin vielleicht, Bielefeld oder Beteigeuze? So viel Verwirrung kann nicht gut sein - Fuß aufs Gas und nichts wie weg hier.

Als wäre Paul Heyse mit diesem Bauwerk nicht schon genug Unrecht angetan worden! Der Dichterfürst, den in seiner Zeit viele für den neuen Goethe hielten, den der König mit viel Geld nach München holte und zu dessen prächtiger Villa alles pilgerte, was Rang und Namen hatte - nach dieser Lichtgestalt heißen heute eine Straße und eine Durchfahrt, die mit frischem Wind nicht viel zu tun haben. Gut, Heyse war zuvor in Berlin in der literarischen Vereinigung "Tunnel über der Spree" aktiv gewesen, aber ist das denn ein Grund, ihn mit dieser Unterführung in Verbindung zu bringen, einem Tunnel über der Münchner Kanalisation?

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In München gründete Heyse mit anderen einen neuen Dichterkreis, die Krokodile. Wäre es nicht fair gewesen, den Tunnel wenigstens grün auszuleuchten? Mit Weinlaubkränzen im Haar sollen die Herren Krokodile dort in einer nur Eingeweihten verständlichen Sprache ihre Scherze getrieben haben. Heyse selbst lief dort unter dem Mitgliedsnamen Eidechs, andere nannten sich Alligator, Gnu oder Skarabäus - ein lustiger Haufen muss das gewesen sein.

Der Name des Klubs geht laut Heyse zurück auf ein Gedicht von Hermann Lingg, der Teichkrokodil gerufen wurde: "Im heil'gen Teich zu Singapur / Da liegt ein altes Krokodil / Von äußerst grämlicher Natur / Und kaut an einem Lotusstiel. / Es ist ganz alt und völlig blind, / Und wenn es einmal friert des Nachts, / So weint es wie ein kleines Kind, / Doch wenn ein schöner Tag ist, lacht's." Vielleicht sollte man erwähnen, dass Blau angeblich auch eine Farbe ist, die das Lachen und die Heiterkeit fördert. Vielleicht passt das Licht im Tunnel also doch.

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