Urteil:Polizistin verliert gegen Freistaat

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Eine Einsatzfahrt der Polizei mit Martinshorn und Blaulicht ist für das Landgericht München keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr. (Foto: Friso Gentsch/dpa)
  • Eine Münchner Polizeibeamtin, die bei einem Unfall schwer verletzt wurde, bekommt kein Schmerzensgeld und keinen Schadenersatz vom Freistaat Bayern.
  • Die Polizistin saß bei dem Unfall als Beifahrerin in einem Polizeiauto und erlitt unter anderem einen Beckenbruch.
  • Das Gericht sah im Verhalten des Fahrers keinen Vorsatz.

Von Stephan Handel

Ein Polizeiauto im Einsatz mit Martinshorn und Blaulicht nimmt nicht am "allgemeinen Straßenverkehr" teil - deshalb bekommt eine Münchner Polizeibeamtin, die bei einem Unfall schwer verletzt wurde, kein Schmerzensgeld und keinen Schadenersatz von ihrem Dienstherrn, dem Freistaat Bayern. So hat das Landgericht am Mittwoch geurteilt.

Die Polizistin der Inspektion Milbertshofen war im Juli 2016 als Beifahrerin mit einem Kollegen unterwegs, als die Streife die Einsatzmeldung "Sachbeschädigung, Täter vor Ort" erhielt. Der Fahrer entschied daraufhin, schnell zum mutmaßlichen Tatort zu fahren und schaltete das Blaulicht und das Martinshorn ein. Auf der B 13 in Neuherberg zeigte die Ampel an der Kreuzung mit der Staatsstraße 2053 Rot - der Polizist fuhr aber über die Linksabbiegerspur auf die Kreuzung. Dort kollidierte das Polizeiauto mit einem von rechts kommenden Wagen, der in die Beifahrerseite krachte.

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Die Polizistin erlitt dabei unter anderem einen Beckenbruch. Eineinhalb Stunden dauerte es, bis die Feuerwehr die im Auto eingeklemmte Frau befreien konnte. Sie lag einige Wochen im Krankenhaus, musste mehrere Operationen über sich ergehen lassen und war fast vier Monate lang dienstunfähig.

Dafür wollte sie jetzt vom Freistaat Bayern Schadenersatz sowie Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 40 000 Euro - ihr Kollege sei ohne die erforderliche Vorsicht in die Kreuzung eingefahren, obwohl die Sicht durch wartende Autos und den Bewuchs auf dem Mittelstreifen eingeschränkt war. Der Fahrstil des Kollegen sei im konkreten Fall eine "vorsätzlich unerlaubte Handlung" gewesen, weshalb nach dem Gesetzestext der Dienstherr über die gewöhnliche Fürsorge bei einem Dienstunfall hinaus haften müsse - noch dazu, wenn dieser "bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr" eingetreten sei.

Das sah das Gericht anders. Es erkannte schon im Verhalten des Fahrers keinen Vorsatz - es sei nicht zu erkennen, dass dieser beim Einfahren in die Kreuzung "die Schädigung seiner Streifenpartnerin billigend in Kauf genommen" habe - schon allein deshalb, weil er bei einem Unfall auch damit habe rechnen müssen, selbst verletzt zu werden. "Anhaltspunkte dafür, dass der Beamte eine Selbstverletzung billigend in Kauf genommen hat, nur um einen Sachbeschädiger noch auf frischer Tat stellen zu können, liegen nicht vor", heißt es in der Urteilsbegründung.

Außerdem sei eine Einsatzfahrt der Polizei auch keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr: "Vielmehr beanspruchten sie mit dem Einsatzfahrzeug unter Verwendung von Blaulicht und Martinshorn gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern gerade Sonder- und Wegerechte", weshalb auch dieser Satz aus dem Beamtenversorgungsgesetz nicht angewendet werden kann - Klage abgewiesen.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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