Null Acht Neun:Goldene Wasserhähne und verwirrte Baggerfahrer

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Das Uhrmacherhäusl an der Oberen Grasstraße 1 stand unter Denkmalschutz... (Foto: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege/dpa)

Wer mit den Gepflogenheiten auf dem Münchner Mietmarkt vertraut ist, lässt sich von nichts so schnell erschüttern. Außer der Mann mit der Abrissbirne steht vor der Türe. Oder man hat leider gerade doch keine Million für eine ganz normale Wohnung übrig.

Glosse von Ulrike Heidenreich

Erstaunen tut einen nichts mehr, wenn es um Mieten und Grundstückspreise in München geht. An all den Irrsinn gewöhnt man sich leider zwangsläufig. Trotzdem wollen wir an dieser Stelle eine bemerkenswerte Szene aufgreifen, die sich vor wenigen Tagen im Amtsgericht zutrug. Es ging um das Uhrmacherhäusl in Giesing. Das ist, beziehungsweise war, ein kleines, leicht marodes Häusl, das zum riesengroßen Symbol wurde für alles, was für Mieter schlecht ist: böse Gentrifizierung, fiese Vermieter, gierige Immobilienhaie, die Türen aushängen und Ziegel abdecken, damit es rein regnet.

Der Richter versuchte herauszufinden, wie es sein kann, dass ein Gebäude unter Denkmalschutz so mir nichts, dir nichts dem Erdboden gleichgemacht werden kann. Über den Prozess des Türaushängens und Ziegelabdeckens war man da schon längst hinaus, Gott sei Dank war am Abrisstag kein widerspenstiger Mieter mehr im Häusl.

Wie das nun lief? Folgendermaßen: Der neue Besitzer wollte ja gar nicht abreißen lassen. Es war nur dummerweise so, dass die beauftragte Firma sich vertan hatte und zwei Baustellen verwechselte. Und dann irrte sich auch noch der Baggerfahrer in der Adresse. Das kann schon mal passieren, wenn man so schnurstracks mit schwerem Gerät unterwegs ist. Zackbumm, innerhalb weniger Minuten war aus dem Uhrmacherhäusl ein Haufen Staub und Steine geworden. Darf es noch ein bisschen absurder sein? Bitteschön: Laut der Anwälte handelte es sich da um einen "krisenhaften Aussetzer".

... und heute. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Die Szenen vor dem Amtsgericht stehen für manch andere krisenhafte Aussetzer bei Immobilien. So prognostizierte der Leiter des städtischen Bewertungsamtes gerade vor den Mitgliedern des Haus- und Grundbesitzervereine, dass bald keine Wohnung in München mehr unter einer Million Euro zu haben sein werde. Die Vereinsmitglieder dürften in Champagnerlaune gewesen sein. Die Glücklichen, die haben ja alle schon Immobilienbesitz.

Ein kurzer Blick noch in die Mietangebote, auch von dieser Woche: Herrschaftliche Altbauwohnung, 9460 Euro Warmmiete, wirkt ziemlich hell und groß für diesen Preis, über 300 Quadratmeter, ein Lift ist auch dabei und zur Maximilianstraße sind es nur zehn Minuten. Oder die hier: 6300 Euro Warmmiete, zwar nur drei Zimmer, die Lage ist aber super und vielleicht lassen sich ja noch Wände einziehen für eine größere Familie? Ein Schnäppchen: Zwei Zimmer, 1000 Euro kalt, sogar ein Keller ist dabei. Ach halt, die Wohnung IST im Keller.

Dass jetzt die vielen Indexmieten wegen der Inflationsrate steigen werden, fällt da nicht mehr ins Gewicht. War früher alles besser? Nein. Um das Jahr 2000 herum sorgte eine kleine Immobilienanzeige einmal für ziemliches Aufsehen in der Stadt. Da forderte ein Mensch für seine gemietete Wohnung 100 000 Euro Ablöse vom Nachmieter. Als man interessehalber dort anrief und fragte, ob denn wenigstens goldene Wasserhähne vorhanden seien, versicherte der Herr freundlich: "Aber selbstverständlich!"

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