Überwachung aus der Luft:Das schwebende Auge der Polizei

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Seinen ersten Einsatz hatte der Überwachungsballon der Polizei bei der IAA im vergangenen September über der Messe. (Foto: Matthias Balk/picture alliance/dpa)

Ein Überwachungsballon mit Kamera ermöglicht es, bei Veranstaltungen und Katastrophen die Lage am Boden zu sondieren - oder Demonstranten in den Blick zu nehmen. Schon der erste Einsatz in München löst wegen des Datenschutzes Kritik aus.

Von Anita Naujokat

Er hat einen Durchmesser von sechs Metern, kann bis zu einer Höhe von 300 Metern aufsteigen, tagelang in der Luft stehen und per angehängter Kamera einen Blick auf den Boden ermöglichen: Die Polizei kann mit ihrem neuen neongelben, unbemannten und mit Helium betriebenen Video-Ballon bei Großveranstaltungen oder Katastrophen wie Überschwemmungen oder Waldbränden die Lage von oben sondieren - oder Demonstranten ins Visier nehmen. Schon der erste Einsatz hat Kritik ausgelöst.

Bei der Automobilausstellung IAA Mobility vergangenen September ließen die Beamten ihr schwebendes Auge an der Messe im Stadtbezirk Trudering-Riem aufsteigen, um in der Nacht Erkenntnisse über mögliche Vorbereitungen von Störungen der Veranstaltung zu gewinnen. Die Münchner Polizei begründet den Einsatz mit unbeleuchteten Anlagen rund um die Messe und dem schwer zugänglichen Gelände in der weiteren Umgebung, wie es in einer Antwort auf eine Anfrage der Stadtratsfraktion von die Linke/Die Partei heißt.

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Der Überwachungsballon sei vom Wohngebiet aus gut sichtbar gewesen, sagt die Stadträtin Marie Burneleit (Die Partei), die in der Messestadt-Ost wohnt. "Man konnte abends vom Fenster aus den Ballon aufsteigen sehen und dann das rote Blinken", sagt sie.

Dass keine Videoaufnahmen angefertigt, sondern mittels Kamera lediglich beobachtet worden sei, wie es in der Antwort der Polizei heißt, hält Burneleit für alles andere als befriedigend. Selbst wenn die Einstellungen am Ballon so gewählt gewesen seien, um Einblicke in privaten Wohnraum zu vermeiden: Zu sehen sei trotzdem, wer ein Haus betrete und wann welcher Bewohner es verlasse. "Das ist datenschutzrechtlich sensibel zu behandeln." Das Kreisverwaltungsreferat der Stadt enthielt sich mangels Zuständigkeit einer Bewertung.

Günstiger und leiser als Hubschrauber und Drohnen

Der Ballon gehört zur "Koordinierungsstelle Video" der Polizei, die bei der Inspektion am Flughafen angesiedelt ist. Auf Anforderung steht er allen Verbänden und Dienststellen der bayerischen Polizei zur Verfügung.

Ausgestattet sei der Ballon mit einer Kamera, die in hochauflösender HD-Qualität bewegte Lichtbilder übertragen könne, erklärt Sebastian Pinta, Leiter des Präsidialbüros im zuständigen Polizeipräsidium Oberbayern Nord. Dabei könnten Bilddaten in Echtzeit an die einsatzführende Polizeidienststelle übertragen werden. Eine Speicherung innerhalb der Kamera oder der Basisstation des Ballons finde nicht statt, versichert der Polizeioberrat. Wie weit der Beobachtungsradius reicht, will die Polizei aus taktischen Gründen nicht preisgeben.

Mit Seilen an einem Anhänger als mobiler Basisstation fixiert, weswegen er auch "gefesselter Ballon" genannt wird, dürften mit ihm stationäre Videoüberwachungsmaßnahmen aus großer Höhe auf Grundlage der Bestimmungen des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes erfolgen, aber keine Strafverfolgung. Diese wie auch die polizeiliche Gefahrenabwehr habe eine andere rechtliche Grundlage und müsse ebenso wie der Einsatz von Videotechnik in Polizeihubschraubern und Drohnen in jedem Einzelfall geprüft werden, sagt Pinta.

Im Gegensatz zu Drohnen oder Helikoptern benötige der Ballon weder Kraftstoff noch Akkus, könne mehrere Tage eingesetzt werden und sei deutlich leiser. Auch wenn dies ein "Alleinstellungsmerkmal" im Vergleich zu anderen Geräten mit Videotechnik im Luftraum sei, wird der Ballon wohl kein Standard-Einsatzmittel werden. Die Beschaffung eines weiteren Exemplars sei derzeit nicht vorgesehen, heißt es. Offen sei derzeit auch, ob der Ballon nach der IAA in München beim G-7-Gipfel im Juni über Schloss Elmau schweben wird, bei dem ebenfalls mit Protesten zu rechnen ist.

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