Hellabrunn:Baby-Boom im Tierpark

Lesezeit: 3 min

Zumindest was den Nachwuchs betrifft war 2020 kein schlechtes Jahr für den Zoo. Die Frage, wer den Titel des größten Zuschauermagneten gewinnt, muss aber offen bleiben.

Von Philipp Crone

Nachwuchs im Zoo ist aus unterschiedlichen Gründen wichtig. Zum einen für den Ruf eines Tierparks natürlich. Man will ja nicht nur Tiere zeigen, sondern sie auch zeugen. Sonst müsste man in Hellabrunn am Ende immer nur traurige Todesnachrichten überbringen. Denn im Zoo ist es in mancher Hinsicht schon ganz so wie im wahren Leben: Es wird geboren und gestorben.

Ein Zoo argumentiert zudem aber auch gerne, dass Nachwuchs eher nur dann entsteht, wenn sich die Tiere wohlfühlen. Und da man sie nicht fragen kann, ist man auf sekundäre Hinweise angewiesen. Ob sich Tiere allerdings nur dann fortpflanzen, wenn sie sich pudelwohl fühlen, ist ebenfalls zweifelhaft. Auf jeden Fall ist Nachwuchs eine erfreuliche Nachricht - vor allem wenn man als Tierpark gerade darauf angewiesen ist, den Besuchern, die einen nicht besuchen dürfen, frohe Neuigkeiten und einen Grund präsentieren zu können, so bald es geht wiederzukommen. In dieser Hinsicht war das Jahr 2020 für Hellabrunn durchaus gelungen.

Tierpark Hellabrunn
:Babyelefant Otto feiert sein erstes Weihnachten

Im Münchner Zoo gibt es für die Tiere schon vor Heiligabend Geschenke. Was niedlich aussieht, hat durchaus einen sinnvollen Hintergrund.

Zwar gab es keinen Eisbärennachwuchs, der auf der "Wie süß!"-Skala ganz oben steht (direkt neben einem Panda-Baby), dafür aber immerhin einen Elefanten und Rote Pandas. Die sind auch goldig, aber halt nicht ganz so grellgoldig wie Nachwuchs beim ebenfalls sehr gefährdeten Großen Panda. Womit man bei der Süßigkeit der frisch geborenen Tiere wäre. Ein Panda: voll süß. Eisbär genauso. Aber ein grauer Elefant mit knapp 100 Kilo?

Ja doch, denn es geht bei der Niedlichkeit nicht nur um das Kindchenschema, auf das wir Menschen sehr geeicht sind - große Augen, kleine Nase und Mund, alles eng zusammen, und schon schmachtet man dahin. Ist das dann noch in ein knuffiges Fell gebettet wie bei den Bären, schnellen die Besucherzahlen in normalen Zeiten sofort nach oben. Allerdings hat Otto, im November auf die Welt gekommener Elefant mit Hang zum Schlammbaden, so gar kein Kindchenschema, was allein schon der Rüssel verhindert. In solchen Fällen kommt die zweite Süßigkeitskategorie ins Spiel: Tollpatschigkeit. Und da ist ein Rüssel natürlich unschlagbar.

Otto, so heißt das kleine Knuddeltier, das jedem Besucher sicher mit einem saftigen Schritt bereits die Zehen platttreten könnte, rüsselt sich also durch die Corona-Zeit, sodass die Hellabrunner Pressestelle gar nicht hinterherkommt mit dem Schreiben von Pressemeldungspoesie. In einer zwei Quadratmeter großen Pfütze "suhlt sich der Kleine ausgiebig im Schlammwasser, lässt es ordentlich spritzen und rollt sich anschließend durch den Sand" hieß es etwa am 15. Dezember in der Pressemitteilung "Elefant Otto beim Schlammbaden". Corona bringt nicht nur Nachwuchs nach Hellabrunn, sondern auch Dichter in die Pressestellen. Wobei die zuständigen Tierpfleger beim Thema Elefantennachwuchs durchaus Erfahrung haben und ihre Beurteilung, dass es sich hier um ein ganz besonders neugieriges und furchtloses Exemplar handelt, mit Vorgänger-Jungtieren abgleichen können. Wasser, Schlamm, Sand, Tanten - Otto macht vor nichts Halt.

Elefant Otto ist der eine mit dem O, die anderen Jungtiere des Jahres 2020 haben allesamt Namen, die mit U beginnen. 2021 folgt alphabetisch das V. So kann man am Namen das Alter der Tiere ablesen. Bei den Kunekune-Schweinen zum Beispiel: Da gab es ebenfalls Nachwuchs, der in der Schweine-Sprache ja Wurf heißt. Ein durchaus großer Wurf in dem Fall, der am 21. April gelang. Sieben Eber und sechs Säue, die von den Müttern Frieda (6) und Lilly (7) geboren wurden. Der ebenfalls dichterisch begabte Zoochef Rasem Baban sprach von "putzmunteren Ferkeln".

Auch bei den Dahomey-Rindern, den Auerochsen, bei den Bantengs und bei den Mishmi-Takinen gab es Nachwuchs. Allesamt sind gut zu sehen, wenn man denn mal wieder in den Zoo dürfte. Was bei den Roten Pandas allerdings schwieriger ist. Ulli, wie der männliche Nachwuchs heißt, war oft schwer zu sehen, in seiner Box oder in der Baumkrone des Geheges. Und die Jungtiere bei den Kattas haben ein fast identisches Gesicht wie die Erwachsenen, ein Kindchenschema bis ins hohe Alter, nur dass die eben am Anfang noch kleiner sind und sich huckepack durchs Geäst tragen lassen.

Und so tollpatschten sich die Neugeborenen im vom Zoo so genannten Baby-Boom-Jahr durch ihre Gehege. Die Frage, wer den Titel des größten Zuschauermagneten gewinnt, bleibt offen, wird aber von der Poeten-Pressestelle sicher nach Öffnung des Zoos bald per Stabreim verkündet. Bis dahin bleibt die Erkenntnis: Hellabrunn lebt und wächst. Woran das liegt, ist unklar. Mit Sicherheit kann man nur sagen, dass es nicht an den Störchen liegt - auch wenn es bei den Schwarzstörchen ebenfalls Nachwuchs gab.

© SZ vom 07.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Hellabrunn
:Der Münchner Tierpark braucht Geld

Zoo-Chef Rasem Baban fehlen Einnahmen. Er möchte mehr Eintritt verlangen, darf aber nicht. Auch sonst läuft es derzeit nicht rund - und das liegt nicht nur an der Corona-Krise.

Von Philipp Crone und Heiner Effern

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: