Tierpark Hellabrunn:Darum wurde das Münchner Gorilla-Baby eingeschläfert

Lesezeit: 2 min

Gorilla Neema zeigte nach der Geburt keinerlei Interesse an ihrem Nachwuchs. (Foto: Marc Müller/Tierpark Hellabrunn)

Erstmals entschieden sich die Zoo-Verantwortlichen in Hellabrunn bei einem Menschenaffen-Jungen zu diesem Schritt. Warum es nicht per Hand aufgezogen werden konnte.

Von Isabel Bernstein

Für den Tierpark Hellabrunn endete das Jahr 2022 mit einer traurigen Nachricht: Ein krankes Gorilla-Junges, das in der Nacht auf den 31. Dezember zur Welt kam, wurde von seiner Mutter nicht angenommen und in der Folge eingeschläfert. In Hellabrunn geschah dies zum ersten Mal im Fall eines Menschenaffen-Babys. Was geschehen ist - ein Überblick.

Was ist passiert?

Tierpfleger fanden das neugeborene Weibchen in den frühen Morgenstunden des Silvestertags alleingelassen in der Gorilla-Anlage des Urwaldhauses vor. Weder die Mutter, die 35-jährige Neema, noch die vier anderen Gruppenmitglieder interessierten sich für das Stunden zuvor geborene Kleine, das zu dem Zeitpunkt schon stark unterkühlt gewesen sei, so der Tierpark.

Nach einer ersten Untersuchung starteten die Verantwortlichen einen Zusammenführungsversuch: Dafür wurde die Mutter gemeinsam mit dem Jungtier in einen vertrauten, separierten Bereich gelassen, um dort ungestört Kontakt zu ihrem Nachwuchs aufnehmen zu können. Doch Neema zeigte weiterhin kein Interesse und konnte trotz intensiver Bemühungen ihrer Tierpfleger nicht motiviert werden, sich mit dem Jungtier zu beschäftigen.

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Wieso hat die Mutter ihr Neugeborenes nicht angenommen?

Dass ein Junges nach der Geburt ignoriert wird, ist ungewöhnlich, kommt aber in der Natur wie in der Tierhaltung immer wieder vor. Gründe hierfür können eine Erkrankung oder die Unerfahrenheit der Mutter sein, Probleme bei der Geburt oder Vorerkrankungen und Schwäche des Nachwuchses. Wildtiere erkennen offenbar frühzeitig, ob die Aufzucht Aussicht auf Erfolg hat. Und tatsächlich wies das Gorilla-Baby laut ersten pathologischen Untersuchungen "schwerwiegende Vorerkrankungen" auf: Es hatte eine Blutung im Kopf und eine fortgeschrittene Nabelentzündung.

Vermutlich haben die erwachsenen Gorillas gespürt, dass das Junge nicht gesund war, das könnte jedenfalls das "völlige Desinteresse" der gesamten Gruppe an dem Neugeborenen erklären, von dem Carsten Zehrer, zoologischer Leiter des Tierparks, berichtet: "Dieses aus menschlicher Sicht harte Verhalten sichert in der Wildbahn unter anderem wichtige Energieressourcen des Muttertieres, die bei einer nicht erfolgreichen Aufzucht verbraucht würden."

Konnte das Gorilla-Baby nicht von Hand aufgezogen werden?

Eine Handaufzucht sei wegen des schwachen Gesundheitszustands nicht infrage gekommen, so Carsten Zehrer. Eine Kommission aus Hellabrunner Primatenpflegern, Direktion, Tierärzten und Kuratoren sowie der Veterinärbehörde und Experten des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms für Gorillas traf einstimmig "die schwere Entscheidung, das Jungtier zu erlösen".

Die Tierrechtsorganisation Peta forderte ein Ende der Haltung von Menschenaffen: Es komme in der "Zoo-Gefangenschaft" immer wieder zu Todesfällen, Verhaltensstörungen und anderen Krankheiten, auch Babys würden in Tierparks oft von ihren Müttern verstoßen.

Wie konnte die Schwangerschaft unbemerkt bleiben?

"Vorherige Anzeichen einer Trächtigkeit waren bei Neema nicht beobachtet worden", sagt Christine Gohl, leitende Tierärztin in Hellabrunn. Das sei aber bei Gorillas wegen ihres ohnehin ausgeprägten Bauchs nicht ungewöhnlich. Dass Wildtiere ihr Verhalten während der achteinhalb Monate andauernden Trächtigkeit ändern, sei nicht zu beobachten.

Gibt es für das Einschläfern eines Menschenaffen wie des Westlichen Flachlandgorillas, der vom Aussterben bedroht ist, spezielle Vorgaben?

Die Entscheidung sei immer eine individuell fachliche, teilt der Tierpark mit. In diesem Fall wurde sie von einer mehrköpfigen Expertenkommission getroffen. Die Art und der Bedrohungsstatus spielen bei der Entscheidung keine Rolle.

War es Neemas erste Schwangerschaft?

Nein, ihre letzte Geburt liegt allerdings schon 24 Jahre zurück. Gorilla-Weibchen sind ab einem Alter von sechs bis acht Jahren geschlechtsreif und bekommen alle vier bis fünf Jahre Nachwuchs. Die Tiere haben eine Lebenserwartung von 35 bis 40 Jahren, in Zoos können sie auch 50 Jahre und älter werden.

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