Das ist schön:Glückliche Vermehrung

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Seit dem 27. Januar dürfen wieder 50 Prozent der Sitzplätze bei Kulturveranstaltungen belegt werden. Auch wenn die Sitzreihen immer noch halb leer sind, fühlt es sich wie halb voll an.

Von Yvonne Poppek

Handkes "Publikumsbeschimpfungen" wären in letzter Zeit keine gute Idee gewesen. Wen hätte man da von der Bühne aus anpöbeln sollen? Viele leere Stühle, dazwischen dann irgendwo ein Mensch. Gut, auf die Idee ist zum Glück eh niemand gekommen in den zwei Monaten, in denen nur 25 Prozent Auslastung bei Kulturveranstaltungen in Bayern erlaubt waren. Gleichwohl: Wer vorher in eine der vollen Gaststuben geblickt hatte und dann im Theater war, fühlte sich oft trotzdem gegängelt. Tests, Kontrollen, FFP2-Maske, links zwei Plätze frei, rechts zwei Plätze frei. Vor, zurück, Plätze frei. Gut, immerhin: Sicht auch frei. Das wäre vermutlich die einzige Gelegenheit gewesen, niemanden zu verärgern, wenn man mal eine Marge-Simpson-Frisur hätte tragen wollen. Aber Theater - wie jedes andere Live-Event auch - lebt eben vom geteilten Moment.

Man konnte Volkstheater-Intendant Christian Stückl daher schon ein bisschen verstehen, dass er seine große Premiere - die Uraufführung von Juli Zehs "Unter Menschen" - im Dezember erst einmal verschoben hatte, in der Hoffnung, mehr Publikum in sein Theater lassen zu können. Letztlich hat er dann doch Pech gehabt: Am 21. Januar war die Inszenierung erstmals zu sehen. Erst vier Tage später beschloss die Staatsregierung, dass die 50 Prozent Auslastung kommt. Seit dem 27. Januar können nun mehr Zuschauer in die Häuser als zuletzt. Zumindest gilt das für die Spielstätten, für die sich das lohnt oder lohnen muss. Kleine Bühnen ächzen immer noch unter den viel zu geringen Einnahmen, für Konzertveranstalter ist der Verkauf von lediglich der Hälfte der Karten oft unrentabel. Es hagelt Veranstaltungsabsagen.

Es ist also immer noch nicht so wie früher oder wie in anderen Bundesländern. Aber es ist besser. Mitte Januar konnte man noch erleben, was passiert, wenn eine Screwball-Komödie wie "Bunbury" im Volkstheater herauskommt. Der Witz plumpste irgendwo zwischen die Sitzreihen, ab und zu hörte man jemanden weit entfernt hinter seiner Maske kichern. Konnte das heiter werden? Eher nicht. Am vergangenen Wochenende gab es dann mehrere Premieren bei 50-Prozent Auslastung - und das Gefühl war sofort ein anderes. Beim Nick-Cave-Abend von Katharina Bach und den Bitchboy in den Kammerspielen war beim Zwischen- und Schlussapplaus wieder so etwas wie Euphorie spürbar. Und einen Tag später, bei der Residenztheater-Premiere von "Das Vermächtnis" gab es endlich wieder gemeinsamen Jubel im Stehen und geteilte Momente. Noch Tage später zehrt man von diesem verbindenden Publikumserlebnis. Und das ist schön.

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