Bezahlbarer Wohnraum:Die schnelle Lösung dauert ewig lange

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64 Meter hoch mit würfelförmigen, gegeneinander verschobenen Einzelelementen - so stellen sich die Architekten das Bürogebäude vor, das zwischen Candidplatz und Mittlerem Ring entstehen soll. Der Parkplatz unten rechts im Bild gehört zum Grundstück der Stadt, das entwickelt werden soll. (Foto: Visualisierung: MVRDV)

Stelzenhäuser sollten schon vor Jahren die Wohnungsnot in der Stadt rasch und günstig lindern - doch passiert ist wenig. Auch in Untergiesing könnte so ein Bau entstehen, aber dort kommt nicht mal das prestigeträchtige "Candid-Tor" voran.

Von Ulrike Steinbacher

Stelzenhäuser galten vor ein paar Jahren als Münchens Antwort auf Wohnungsnot und explodierende Mieten. Auf Flächen nachverdichten, die schon versiegelt sind, und dabei schnell und günstig bauen - so die Idee. In aufgeständerten Gebäuden über Parkplätzen sollten preisgünstige Wohnungen mit einfachem Standard entstehen.

Im Programm "Wohnen für alle" ließ die Stadt die ersten beiden Anlagen am Dantebad errichten: 2016 in Rekordzeit den Prototyp mit 100 Wohnungen an der Postillonstraße, bis 2022 dann 144 Einheiten über dem Parkplatz am Reinmarplatz. Derzeit bereiten der städtische Altenheim-Träger Münchenstift und die Münchner Wohnen den Bau von 56 Werkswohnungen über dem Mitarbeiterparkplatz an der Rümannstraße vor. Anfang 2027 soll es so weit sein. Ansonsten ist es ruhig geworden um die Stelzenhäuser.

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Jetzt hat Simone Burger (SPD) das Thema im Planungsausschuss aus der Versenkung geholt. Es geht um ein städtisches Grundstück samt Parkflächen am Candidplatz in Untergiesing. Schon 2018 hatten die Stadträte beschlossen, dass eine Machbarkeitsstudie ausloten soll, was sich mit dem Areal anfangen lässt. Kita und Jugendzentrum sollen fortbestehen, Wohnungsbau, Einzelhandel und Büros zusätzlich untergebracht werden. Geschehen ist bisher aber nichts - wegen der Corona-Pandemie, fehlender Mitarbeiter und mangelnder Haushaltsmittel, wie das Planungsreferat aufzählte.

(Foto: SZ-Karte/mapcreator.io/OSM)

Man müsse das Projekt jetzt endlich "ernsthaft angehen", forderte Burger im Ausschuss. Giesing brauche bezahlbares Wohnen, ein Stelzenbau könne da eine schnelle Lösung sein. Brigitte Wolf (Die Linke) bezweifelte allerdings, dass Wohnen gerade dort überhaupt möglich sei. Es handle sich um "eine der lautesten Stellen der Stadt".

Jörg Hoffmann (FDP) regte an, die städtische Fläche gemeinsam mit dem geplanten Investorenprojekt gegenüber zu entwickeln: Auf dem Inselgrundstück zwischen Candidstraße und Mittlerem Ring ist ein neues Entree für das dortige Ärzte- und Bürozentrum geplant, das "Candid-Tor". Der Entwurf sieht ein 64 Meter hohes Bürogebäude vor, die Einzelelemente übereinander gestapelt wie Würfel.

Das Projekt der Immobilienunternehmen Values Real Estate aus Hamburg und Ehret und Klein aus Starnberg war Ende 2021 in der Stadtgestaltungskommission auf gemischtes Echo gestoßen, im Stadtteil selbst fällt die Ablehnung recht einhellig aus. Bisher gibt es lediglich den umstrittenen Entwurf, ein Bebauungsplanverfahren ist bisher nicht gestartet.

Und dabei bleibt es vorerst auch, aus Kapazitätsgründen. Für beide Flächen, die städtische mit dem Parkplatz und das Candid-Tor, soll es Masterpläne geben, sagte Stadtbaurätin Elisabeth Merk im Planungsausschuss, aber in getrennten Verfahren. Das Referat müsse Prioritäten setzen: "Ich kann die Leute nicht herzaubern."

Der Prototyp: Das Stelzenhaus über dem Parkplatz an der Postillonstraße entstand innerhalb eines Jahres. (Foto: Stephan Rumpf)

Nur noch langsam geht es inzwischen auch mit den Stelzenhäusern voran. Der Prototyp von 2016 erweist sich da im Nachhinein als positive Ausnahme, er war nach einem Jahr fertig. Inzwischen dauert's. Für ein weiteres Projekt hat das Planungsreferat den Besucherparkplatz am Waldfriedhof im Visier. Allerdings muss zunächst geprüft werden, ob sich eine Wohnbebauung dort mit der geplanten Tramwesttangente verträgt. Und das geht erst, wenn die Straßenbahn in Betrieb ist: frühestens 2028.

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