Stadtrat:Trennung im Rathaus mit Folgen

Lesezeit: 3 min

Die Pandemie zwingt die Stadträte zu mehr Abstand - wie hier im Löwenbräukeller. Doch bei manchen klafft nicht nur zwischen den Tischen eine Lücke. (Foto: Robert Haas)

Geknirscht hat es schon länger, nun kommt es im Stadtrat zwischen ÖDP und Freien Wählern zum Bruch. Davon profitiert die AfD.

Von Heiner Effern

Es hat dem Vernehmen nach schon länger geknirscht. Dann haben sie es noch ein letztes Mal miteinander versucht, doch vergeblich: Die Fraktionsgemeinschaft aus ÖDP und Freien Wählern ist in die Brüche gegangen. Die ÖDP und Stadtrat Dirk Höpner (München-Liste) werden im Stadtrat künftig alleine eine Fraktion bilden. Die Freien Wähler sind die kleinste Gruppe im Stadtrat und fliegen damit wohl aus allen Fachausschüssen raus. Von der neuen politischen Konstellation wird die AfD profitieren: Erstmals in dieser Amtsperiode kann sie wohl einen Stadtrat in einen Ausschuss entsenden.

Der bisherige Fraktionschef Tobias Ruff von der ÖDP bestätigte die Trennung am Freitagmittag. "Ich habe soeben den Ältestenrat informiert", sagte er. In diesem nicht-öffentlichen Gremium des Stadtrats, das vor allem Formalien und interne Abläufe bespricht, sitzen die Spitzen aller Fraktionen. So richtig überrascht dürften die wenigsten Kollegen gewesen sein, auf den Fluren des Rathauses soll schon länger Thema sein, dass vor allem Ruff und sein bisheriger Stellvertreter Hans-Peter Mehling von den Freien Wählern immer wieder über Kreuz lagen. Das bestätigte Ruff indirekt. "Es gibt keine inhaltlichen Gründe. Da haben wir sehr gut zusammengearbeitet", sagte er. Mehr wolle er dazu nicht sagen, er wolle schließlich keinen Rosenkrieg beginnen.

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Wichtig für die ÖDP ist vor allem, dass sie weiter mit Dirk Höpner von der München-Liste eine Fraktion bilden kann. "Von den Inhalten und von den Leuten her passt es perfekt", bestätigte dieser die Kooperation. Für die Mindestanzahl von vier Mitgliedern reicht es mit den drei ÖDP-Mandaten. Vom Fraktionsstatus hängt in der täglichen Arbeit eines Stadtrats enorm viel ab. Er garantiert die nötigen Ausschusssitze, Mittel, Büros und Mitarbeiter, um das enorme Pensum der ehrenamtlichen Arbeit bewältigen zu können.

Für die beiden Stadträte der Freien Wähler, Mehling und Rudolf Schabl, könnte nun ein steiniger Weg beginnen. Als kleinste Gruppe haben sie nur noch das Recht, an der Vollversammlung teilzunehmen. Mehling gab keine Stellungnahme ab, der Stadtvorsitzende der Freien Wähler, Michael Piazolo, bedauerte die Trennung. "Wir wären an einer Fortsetzung interessiert gewesen." Auch er sprach von "atmosphärischen Störungen" und zeigte sich überrascht, dass es keinen formellen Beschluss zur Aufhebung der Fraktionsgemeinschaft gegeben hätte. Eine Möglichkeit, doch noch in den Ausschüssen mitzuarbeiten, wäre für die Freien Wähler die Suche eines neuen Partners. Die Fraktion aus FDP und Bayernpartei als denkbare Variante winkt jedoch ab. "Das passt nicht. Es gibt zu wenige inhaltliche Überschneidungen, dafür Stoff für Konflikte", sagte Fraktionschef Jörg Hoffmann (FDP).

Hans-Peter Mehling, Freie Wähler. (Foto: Robert Haas)

Man werde jetzt "Schritt für Schritt" sondieren, wie es weitergehe, sagte Freie-Wähler-Stadtchef Piazolo. Wie es seinen Stadträten künftig ergehen könnte, das weiß die AfD aus eigener Erfahrung. Sie wird nun wohl einen Sitz im Kinder- und Jugendhilfeausschuss erhalten. Das hätten erste Berechnungen im Direktorium der Stadt ergeben, bestätigte ein Sprecher. Am kommenden Mittwoch in der nächsten Vollversammlung soll die Trennung der Fraktion und die Neuvergabe der Ausschusssitze bereits Thema sein. Dass die AfD nun begünstigt wird, hängt mit den rechtlichen Vorgaben zusammen.

Für den jetzigen Stadtrat wurden die Sitze in den Ausschüssen nach dem d'Hondt-Verfahren berechnet, das grundsätzlich größere Parteien leicht bevorzugt. Das soll auch mit der Absicht geschehen sein, die drei AfD-Stadträte außen vor zu lassen. Für die Neuberechnung, die nach jeder Veränderung der Stärke einer Fraktion oder Gruppe nötig wird, muss die Stadt nun das Hare-Niemeyer-Verfahren anwenden. Das hat einen komplizierten Grund: Wenn nach dem bisherigen System von d'Hondt die Zahl der Sitze berechnet würde, hätte ein Losverfahren die Entscheidung bringen müssen, wer einen zusätzlichen erhält. Da eine der begünstigten Fraktionen die Grünen hätten sein können, greift eine Art Gerechtigkeitsklausel. Denn bei einem Lossieg wären diese deutlich stärker im Kinder- und Jugendhilfeausschuss vertreten gewesen als es ihr Wahlergebnis erlaubt hätte. Diese sogenannte Überaufrundung verbieten die rechtlichen Vorgaben.

Tobias Ruff, ÖDP. (Foto: Florian Peljak)

Die ÖDP und die München-Liste werden sich künftig als Fraktion auch so nennen. In der alten Gemeinschaft taucht die Initiative von Stadtrat Höpner nicht auf. Die Spaltung der Fraktion soll laut ÖDP aber keine Auswirkung auf die Kooperation mit den Freien Wählern in den Bezirksausschüssen haben. Dort arbeite "man gut und vertrauensvoll zusammen", heißt es in einer Mitteilung.

© SZ vom 24.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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