München feiert 864. Geburtstag:In der Hitze der Stadt

Lesezeit: 3 min

Kein Schatten, nirgends: Die Besucher schauen sich das Programm auf dem Marienplatz an. (Foto: Robert Haas)

34 Grad - im Schatten: Den gibt es allerdings nirgends mehr rund um den Marienplatz. Trotz der Hitze kommen Tausende zum Stadtgründungsfest, wo viel Vergangenheit und etwas Zukunft gefeiert wird. Ein Spaziergang am bislang heißesten Tag des Jahres.

Von Thomas Anlauf

Zehn Uhr am Marienplatz: Die Sonne brennt. 30 Grad meldet der Wetterdienst für diese Zeit am Sonntag, im Schatten allerdings. Den gibt es dort nicht mehr. Ein paar Hundert Urlauber sitzen unter den wenigen Sonnenschirmen. Maria Gonzalez wedelt sich etwas Wind mit dem Fächer ins Gesicht. Dass dieser Tag für München ein besonderer ist, ahnt sie nicht. "Es ist so schön, dass ich hier mitten auf dem Marktplatz im Schatten sitzen kann und der Musik zuhöre. Das ist doch München, oder?" Nun ja, die Musikanten nennen sich Schöffeldinger und kommen aus Vilgertshofen an der Grenze zum Allgäu. Und der Marktplatz heißt heute Marienplatz. Aber egal. An diesem Sonntag wird Stadtgründungsfest gefeiert, am bislang heißesten Tag des Jahres.

Es ist halb zwölf, als der Stadtvater, Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), die Feier offiziell eröffnet. Das Thermometer zeigt mittlerweile knapp 32 Grad im Schatten, von Schatten ist in der Altstadt allerdings nicht mehr viel zu sehen. Stattdessen sagt Reiter, es sei heute "ein durstiges Wetter", man möge bitte mit Wasser "oder irgendwas anderem" gut durch den Tag kommen. Der SPD-Mann hat auch noch politische Botschaften dabei, wenngleich diese die vielen Touristen auf dem Marienplatz nicht wirklich berühren werden. Reiter hoffe nicht nur, dass "dieser wahnsinnige Krieg bald ein Ende hat", sondern auch, dass er sich wieder mehr Münchner Themen widmen kann. Angesichts des 864. Stadtgründungsfests fällt ihm vor allem ein, dass er als nächstes das Tal zur Fußgängerzone umwidmen will. In der Sendlinger Straße habe das schließlich auch gut funktioniert.

Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass sich im Anschluss an Reiters Ankündigung noch einmal die Münchner Morisken präsentieren: der Zauberer, der Damenhut, das Schneiderlein, der Prophet und der Burgunder, der Bauer, der Jüngling und auch der Zaddelrock und die schöne Maid. Die Tänzer der Technischen Universität unter der Leitung von Karl Eberhart und Gertrude Krombholz beleben auf dem Stadtgründungsfest den Ursprung des Moriskentanzes wieder, der sich im 15. Jahrhundert von Südwesteuropa bis nach Deutschland verbreitete und vom Bildhauer Erasmus Grasser mit seinen Moriskentänzern verewigt wurde. Bis heute gelten die Figuren als ein Sinnbild für München.

Die Tänzer der Technischen Universität beleben den Ursprung des Moriskentanzes wieder. (Foto: Robert Haas)
Eine gute Gelegenheit für ein besonderes Foto... (Foto: Robert Haas)
...und eine schöne Abkühlung im Fischbrunnen. (Foto: Robert Haas)

Es ist ohnehin ein Blick vor allem in die Vergangenheit der Stadt. Da sind die Kunsthandwerker, die am Marienhof und am Rindermarkt ihre Fertigkeiten zeigen. Oftmals wirken die Stände allerdings ein wenig nach Touristenkitsch, auch wenn es mal Mini-Lederhosen für den "Lausbua" oder winzige Dirndl fürs "Lausmadl" gibt. Nebenan verkauft "Claudias Taschenladen" wenigstens Sitzkissen und Taschen, die Jugendliche des Berufsbildungswerks im Rahmen ihrer Ausbildung zum Feintäschner gefertigt haben. Ein paar Schritte weiter bietet einer den Olympia-Waldi von 1972 an, der als Maskottchen der olympischen Spiele nun auch schon ein halbes Jahrhundert auf dem Dackelbuckel hat.

Eine Straße weiter steht ein gewisser Klaus Wolfermann, eine regelrechte Legende, auch wenn ihn wohl nur noch Ältere kennen. Wolfermann warf bei den Olympischen Spielen in München den Speer weit über 90 Meter und gewann damit die Goldmedaille - Wolfermanns größter sportlicher Erfolg als Speerwerfer. Hinten am Odeonsplatz dreht das Kettenkarussell "Vintage Flyer", in dem ein paar Kinder über den Köpfen der Flaneure ihre Kreise ziehen.

Hermann Geltz (li.) war vor 50 Jahren im Stadion, als Klaus Wolfermann den Olympiasieg im Speerwurf errang. Nun freut er sich über ein Autogramm der Legende. (Foto: Robert Haas)
Oberbürgermeister Dieter Reiter spricht von einer "verrückten Hitze" und zupft mit der Paul-Daly-Band. (Foto: Robert Haas)

Unterdessen zupft sich gerade wieder Dieter Reiter an seiner Gitarre warm. Ach, was heißt schon warm an diesem Tag. Es ist kurz vor 14 Uhr. 33 Grad im Schatten, der sich langsam über den Marienplatz schiebt. Der Oberbürgermeister darf am Stadtgründungsfest mit der Paul-Daly-Band vor seinem Amtssitz auftreten. Er redet von einer "verrückten Hitze" und spielt eine dreiviertel Stunde Songs unter anderem von Johnny Cash.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Drüben am Odeonsplatz posieren Christel und Ernst Jung hinter einem blauen Rahmen. Sie kommen aus dem Raum Köln, haben aber 1972 in München im Olympiastadion Klaus Wolfermanns Speerwurf miterlebt. "Das war schon ein Erlebnis", sagt Christel Jung und lächelt in die Handykamera. Viel gesehen habe sie nicht, sagt sie, das war ja alles so weit weg und viele Sportler seien in verschiedenen Disziplinen gleichzeitig aufgetreten. Aber München: "Immer eine Reise wert", sagt die 72-Jährige. Auf dem blauen Rahmen, hinter dem das Ehepaar sich aufgestellt hat, steht "München feiert".

Um 15 Uhr am Sonntagnachmittag hat es 34 Grad im Schatten. Oberbürgermeister Reiter wird vor allem von asiatischen Touristen gefilmt, einige Menschen klatschen mit. Wer der graumelierte Gitarrist auf der Bühne ist, weiß aber kaum einer. Viele Münchner sind am Sonntag aus der heißen Stadt geflohen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Sonnenplätze in München
:Wo Sie die besten Sonnenuntergänge genießen können

Wenn die Hitze langsam nachlässt, das Licht intensiver wird, dann ist der Sommer am schönsten. Sieben Vorschläge von Olympiapark bis Isar, wo es sich dann am besten aushalten lässt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken
OK