Freizeit:Sportvereine verzeichnen wieder mehr Zulauf

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Schwimmkurse für Vorschulkinder und Erstklässler, die mit dem Seepferdchen-Abzeichen enden, werden mit je 50 Euro unterstützt. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Mit Gutschein-Programmen will die Staatsregierung den Klubs aus der Corona-Krise helfen. Tatsächlich steigt die Zahl der Mitglieder wieder - doch was die Rabatte wirklich bringen, ist umstritten.

Von Joachim Mölter

Es ist gut gemeint gewesen von der bayerischen Staatsregierung, als sie zu Schuljahresbeginn zwei Hilfsprogramme auflegte für zwei Gruppen, die besonders von den Nebenwirkungen der Corona-Pandemie gebeutelt sind. Wegen des Lockdowns mussten ja die Sportvereine ihren Betrieb lange lahmlegen - und deswegen konnten sich auch viele Kinder gar nicht mehr austoben.

Um nun dem Mitgliederschwund auf der einen Seite und dem Bewegungsmangel auf der anderen entgegenzuwirken, hat sich das Innenministerium zwei Gutscheinvarianten ausgedacht, die über den Bayerischen Landes-Sportverband (BLSV) abgerechnet werden: Grundschulkinder, die neu in einen BLSV-Verein eintreten, erhalten einen Zuschuss von je 30 Euro für den jährlichen Mitgliedsbeitrag. Und Schwimmkurse für Vorschulkinder und Erstklässler, die mit dem Seepferdchen-Abzeichen enden, werden sogar mit je 50 Euro unterstützt.

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Insgesamt stellt das Ministerium mehr als sechs Millionen Euro für die auf ein Jahr befristete Aktion zur Verfügung: "Für das Programm Vereinsjahresmitgliedschaften sind 3,4 Millionen Euro, für das Schwimmförderprogramm 2,8 Millionen Euro vorgesehen." Wie rege das Angebot bis zum Beginn der Herbstferien angenommen wurde, weiß das Ministerium noch nicht: "Wir rechnen damit, dass uns die konkreten Zahlen Ende des Jahres vorliegen."

In München fällt die Zwischenbilanz durchwachsen aus. "Die Gutscheine werden sehr gut genutzt", sagt Björn-Alexander Schmidt, der Vorsitzende des Hockey-Clubs Wacker. "Rund 70 bis 80 Prozent der Neumitglieder reichen ihn ein." Sein Amtskollege Kurt Damaschke vom SVN München empfindet die Gutscheine hingegen als "eher so eine Art Wahlkampfgeschenk" kurz vor den Bundestagswahlen. Unter den rund 200 Neuanmeldungen in jüngerer Zeit seien bloß ein Viertel damit angekommen. Beppo Brem, der als ehemaliger Präsident des SV 1880, aktueller Vorsitzender des BLSV-Kreises München und amtierender Stadtrat für die Grünen aus diversen Perspektiven Einblick in das Thema hat, resümiert: "Es funktioniert nach dem Gießkannenprinzip. Es hilft schon, aber es bewegt nicht so wahnsinnig viel."

Mit einem Zuschuss von 30 Euro komme man in einer Großstadt nicht weit

Zwar sei das Schwimmen "ein ganz großes Thema", räumt Brem ein, "weil diese Fähigkeit dramatisch zurückgegangen ist". Aber nicht nur er zweifelt, ob die Maßnahmen der Regierung die Richtigen treffen. "Man hätte weniger aufs Seepferdchen abzielen sollen, sondern vielmehr auf die Infrastruktur", findet Brem. "Wir haben zu wenige Bäder und Schwimmhallen. Das Geld für diese Kapazitäten anzulegen, wäre besser gewesen."

So sieht das auch Kurt Damaschke. Abgesehen davon, dass nicht jede Schulschwimmhalle geeignet sei, sei auch nicht jede so verfügbar, wie es für einen geregelten Vereinssport nötig sei. "Wir wollten ja was machen, aber wir haben keine Zeiten bekommen", sagt er. "Wenn wir keine Halle haben, können wir die Kinder auch nicht in Kurse schicken."

Damaschkes Verein in Neuperlach hat es in der Corona-Pandemie besonders hart getroffen. Während der zweiten Welle meldete sich mehr als ein Viertel der Mitglieder ab, von mehr als 6000 sank die Zahl auf 4500; vor allem bei Kindern und bei den Fitness-Angeboten gab es Rückgänge. Seit der SVN seinen Sportbetrieb wieder aufnehmen durfte im Sommer, stieg die Zahl wieder - auf mehr als 5000. Das liege aber nicht am Gutscheinprogramm, sagt der Vorsitzende; mit einem Zuschuss von 30 Euro komme man in einer Großstadt nicht weit, das reiche allenfalls in ländlichen Regionen. "Ich kenne keinen Verein in München, wo die Beiträge so niedrig sind, dass man damit einen Jahresbeitrag abdecken kann", sagt Damaschke. Allein die Aufnahmegebühr koste zwischen zehn und fünfzehn Euro, die monatlichen Beiträge belaufen sich auf wenigstens fünf Euro - da reicht der Zuschuss also gerade mal für ein Vierteljahr.

"Kleine Klubs sind vielleicht sogar mit einem Plus rausgekommen."

Unabhängig von allen Fördermaßnahmen hat Beppo Brem allgemein wieder einen Zulauf in die Sportvereine beobachtet, gerade von Kindern, "die anderthalb Jahre von Bewegung ferngehalten worden sind". Auch die Vereine "stecken wieder voller Tatendrang". Das waren manche freilich auch während des Lockdowns schon. Während die meisten Vereinsfunktionäre über das Verordnungswirrwarr klagten und damit haderten, was alles nicht mehr erlaubt sei, "haben wir geschaut, was noch möglich ist - und das dann angeboten", erzählt der HC-Wacker-Chef Schmidt. Wenn fünf Leute im Freien zusammen trainieren duften, haben eben mehrere Fünfer-Gruppen in gebührendem Abstand auf dem Platz geübt. So hielten sie die Mitglieder bei Laune.

Seinem Verein kam dabei noch zugute, dass er über eine eigene Anlage verfügt, die er bereits wieder bespielen konnte, als die nebenan gelegene Bezirkssportanlage noch geschlossen war. Lohn der Mühe: Mitte Oktober meldete der HC Wacker das 1000. Mitglied - so viele hatte er noch nie.

Aber im Grunde gibt es keine einheitlichen Lehren aus der Corona-Krise bei den 650 Sportvereinen in München. "Kleine Klubs sind vielleicht sogar mit einem Plus rausgekommen, weil sie die Nutzungsgebühren für die Bezirkssportanlagen oder Schulen gespart haben", mutmaßt der BLSV-Kreisvorsitzende Brem. "Die größeren hatten eher Probleme, weil sie laufende Kosten für ihre Anlagen hatten."

Es sind entsprechend unterschiedliche Forderungen, welche die Vereine nun ableiten. Björn-Alexander Schmidt plädiert für eine "viel individuellere Betrachtung" der Klubs, Kurt Damaschke für eine generelle Aufwertung des Sports: "Ich sehne mich nach dem Tag, wo man beim Sport nicht mehr von freiwilligen Leistungen spricht, sondern die Politik ihn als Pflichtaufgabe sieht." Mit Gutscheinen allein will er sich jedenfalls nicht mehr abspeisen lassen.

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