Kritik: Sir Simon Rattle und die BR-Symphoniker:Mit höchster Intensität

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Große Besetzung: Die BR-Symphoniker unter der Leitung von Sir Simon Rattle mit Mahlers sechster Symphonie in der Isarphilharmonie München. (Foto: Astrid Ackermann / BR)

Sir Simon Rattle stürzt sich beim zweiten Münchner Konzert als neuer Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters mit Leidenschaft ins Klanggebirge von Gustav Mahlers sechster Symphonie.

Von Harald Eggebrecht

Die riesige Orchesterbesetzung hat das Podium der Isarphilharmonie wirklich bis zum letzten Zentimeter ausgefüllt. Gustav Mahlers sechste Symphonie, wegen ihrer marschhaften Unerbittlichkeit im Kopfsatz, ihres bitterbösen Sarkasmus im Scherzo und ihrer monströsen Zusammenbrüche im gewaltigen Finale als "die Tragische" bezeichnet, braucht das enorme Instrumentarium, um all die Stimmungen und Verstimmungen, massive und leise Bedrohungen, vorschnelle Scheinlösungen und dann doch katastrophische Aufbäumungen und Abstürze in ungeheuerlicher Klangfarbenvielfalt auszugestalten. Das BR-Symphonieorchester durchlebte den Symphoniekoloss mit höchster Intensität, weil der neue Chefdirigent, Sir Simon Rattle sich in die Klüfte und Schlünde Mahlerscher Klanggebirge mit einem Feuer und einer Leidenschaft hineinstürzte, die alle auf dem Podium wie im Saal unmittelbar bis zum letzten Ton packte.

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Wieder einmal war zu erleben, was "diese schäbige Erscheinung, der Dirigent", wie es Sergiu Celibidache einmal spöttisch auch auf sich selbst bezogen formuliert hat, leisten und bedeuten kann, wenn wirklich wie hier der auswendig dirigierende Simon Rattle, mit fesselndem Charisma, imponierender Präsenz und wunderbaren Übertragungsfähigkeiten gesegnet, sich den physisch wie psychisch unerhörten Anforderungen eines solchen Mammutwerks stellt.

Rattle leitete nicht einfach ein großartiges Orchester, sondern er gestaltete vom ersten Schlag an diese wüste, wild herausfahrende (so eine Mahler-Anweisung) Musik, bei der sich unterschiedlichste Stimmungs- und Instrumentalschichten übereinander schieben und dabei immer neue Gesichter, Landschaften und Gestalten entstehen. Eben noch harter Marsch, öffnen sich plötzlich lichte Klangräume, die sogleich zerschmettert werden, um den Blick auf eine ferne Landschaft aus Herdenglocken und zartesten Klanggespinsten freizugeben. Wunderbar reine Hornsoli (!) wecken Sehnsucht nach Schönheit, doch da rührt sich schon wieder die Marschtrommel. Rattle inszenierte ein im besten Sinne überwältigendes Instrumentaltheater, in dem die berühmten zwei Hammerschläge im Finale in der Tat vernichtend wirkten.

Vor Mahler gab es noch ein lichtes, luftiges, witzig-charmantes Auftragswerk der Komponistin Betsy Jolas. Auch sie nutzt das Riesenorchester, aber nicht um zu erschrecken und zu zermalmen, sondern zu Klangspielen höchst raffinierter Art, souverän dargeboten von Rattle und den Seinen. Am Ende heftige Ovationen für eine grandiose Leistung des großen Sir Simon und seiner tollen Musiker.

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