"Silvestermord":DNA-Spuren lösen wohl 45 Jahre alten Mordfall

Lesezeit: 2 min

Die Polizei sucht Zeugen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der pensionierte Buchhalter Josef B. war kurz vor Silvester 1978 hinterrücks in seiner Münchner Wohnung erschlagen worden. Schon damals führte die Spur ins Stricher-Milieu, doch erst jetzt ist ein Verdächtiger festgenommen worden.

Von David Costanzo und Anita Naujokat

Nach fast 45 Jahren hat die Münchner Polizei den sogenannten "Silvestermord" möglicherweise aufgeklärt. Der 69-jährige Josef B. war in der Nacht auf den 31. Dezember 1978 in seiner Wohnung in Obergiesing erschlagen worden. Hinterrücks, als er im Bad gestanden habe, wie Juliane Grotz von der Staatsanwaltschaft München I bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montag mit dem Leiter der Mordkommission Stephan Beer erläuterte. Josef B. wurde mit zertrümmertem Schädel in der Badewanne aufgefunden.

Mehr als vier Jahrzehnte später sei nun im März ein Tatverdächtiger nach einem erneuten Abgleich der damals sichergestellten Finger- und DNA-Spuren in Großbritannien festgenommen worden. Wegen des Brexits sei das Auslieferungsverfahren komplizierter als früher gewesen, inzwischen sei der Mann aber nach Deutschland überstellt worden. Bereits seit April sitze er hier in Untersuchungshaft, teilte die Polizei nun mit. Bei dem Tatverdächtigen handle es sich um einen mittlerweile 70 Jahre alten, geschiedenen Rentner britischer Staatsangehörigkeit. Mehr zu dessen Person wollte oder konnte Beer nicht mitteilen. Der Verdächtige könnte sich etwa ein halbes Jahr in München aufgehalten und auf einer Baustelle gearbeitet haben.

Der Fahndungstreffer sei im Rahmen der "Altfallermittlung" gelungen. Der Mann habe sich widerstandslos festnehmen lassen. Den Vorwurf habe er "sehr regungslos aufgefasst", sich aber bisher nicht dazu geäußert, sagte Beer. Als Tatwaffe geht die Mordkommission von einem zirka ein Kilogramm schweren und fast 25 Zentimeter langen Mörser-Stößel aus, mit dem der Täter mindestens zehn Mal auf den Kopf seines Opfers eingeschlagen haben soll. An dem Tatwerkzeug seien Fingerspuren gesichert worden, zudem habe man DNA-Material an Beweismitteln gefunden. Unter anderem habe man ein Haar im Bett des Opfers sichergestellt, das mit dem des Beschuldigten übereinstimme. Warum die Fingerabdrücke nach früheren vergeblichen Abgleichen nun in der britischen Datenbank waren, könne er nicht sagen, so Beer.

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Schon damals hatte die Polizei nach Zeugenaussagen nach einem unbekannten jungen Engländer gefahndet, mit dem Josef B. gesehen worden sein soll. Die Spur führte ins Stricher-Milieu, wie die SZ seinerzeit berichtete. B. soll junge Männer, die er am Hauptbahnhof oder im Stachus-Untergeschoss traf, mit nach Hause genommen haben. Eine Zeugin hatte angegeben, dass sie den pensionierten Buchhalter kurz vor dessen Tod mit einem etwa 20-Jährigen in seine Wohnung habe gehen sehen. 3000 Mark waren als Belohnung ausgesetzt, doch auch ein Phantombild führte damals nicht zum Erfolg.

Nachdem ihn Angehörige nicht erreichen konnten und B. auch nicht wie vereinbart zu einer Messe kam, wurde er am 2. Januar tot in seiner Wohnung gefunden. Aus der abgeschlossenen Wohnung waren rund 1400 Mark, ein Münzring und die Wohnungsschlüssel verschwunden. Das Spurenbild habe gezeigt, dass die Räume "intensiv nach Wertgegenständen" durchsucht worden waren, sagte Beer. Den Ring fand man Tage später auf einer Baustelle in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs.

Die Staatsanwaltschaft geht von Mord aus, Totschlag wäre nach all dieser Zeit auch bereits verjährt. Die Tat sei vorsätzlich begangen worden, sagte Grotz. Sie hält nicht nur ein Mordmerkmal für erfüllt, sondern drei. Der Täter habe heimtückisch gehandelt, weil er die Arg- und Wehrlosigkeit seines im Bad stehenden Opfers ausgenutzt habe. Darüber hinaus habe er zugeschlagen, um ihn ausrauben zu können und dabei billigend dessen Tod in Kauf genommen. Als drittes treffe auch das Mordmerkmal Habgier zu: Josef B. sei getötet worden, um sich zu bereichern.

Folgt das Schwurgericht München I der Anklage, kann der mutmaßliche Täter hier verurteilt werden. Als britischer Staatsbürger kann er die Strafe aber in England absitzen. Termine für die Hauptverhandlung stünden noch nicht fest.

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