Sendling:Anwohner kämpfen um einen Parkplatz

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Heute schätzen Anwohner die freie Fläche unterhalb der Werbewand. Treffen sie sich dort, sind die Autos der Großmarkt-Mitarbeiter bereits weg. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Sie schätzen den Platz am Kontorhaus Brunthaler bei der Großmarkthalle - nicht nur wenn Spielplätze und Skateranlagen in der Pandemie gesperrt sind. Eine Initiative fordert statt einer Bebauung nun eine "multifunktionale Freifläche".

Von Birgit Lotze, Sendling

Ein Parkplatz als Ort der Begegnung, als Treffpunkt für Kinder nach der Schule, wo sie Fußball und Erwachsene Federball spielen - es muss nicht immer eine Grünfläche sein, um die Anwohner kämpfen. In Sendling hat sich eine Initiative von Anwohnern rund um den Gotzinger Platz gebildet, die sich für den Parkplatz vor dem Kontorhaus Brunthaler am angrenzenden Großmarktgelände einsetzt. 220 Unterschriften haben sie an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und einige Stadtratsmitglieder geschickt, an die Stadtbaurätin, das Planungsreferat und den Bezirksausschuss. Constanze von Hassel, eine Anwohnerin der Königsdorfer Straße, hebt die Bedeutung der Fläche für Familien hervor: "Sie ist zwar wenig attraktiv, aber wurde im letzten Jahr intensiv genutzt und hat vielen Menschen Luft zum Atmen gelassen."

Gerade während des Lockdowns, wo Spielplätze und Skateanlagen gesperrt waren, und ein Aufenthalt an der Isar für Kinder kaum möglich war, sei der Parkplatz viel genutzt worden - zum Einradfahren, Skaten, Jonglieren, sogar picknicken. "Hier hat fast jeder aus dem Viertel Fahrradfahren gelernt." Und die Großen übten auf dem E-Roller, bevor sie sich in den Verkehr wagten.

Der Parkplatz am Kontorhaus ist einer der bekannteren Parkplätze in München. Vor allem in den Jahren, in denen der Großmarkt auf der Kontorhaus-Wand mit drei riesigen Pinguinen für eine Eisfabrik warb, war er ein häufiges Fotomotiv. Eigentlich sollte dort eine Moschee gebaut werden. Nachdem diese Pläne vor etwas mehr als zehn Jahren scheiterten, legten die Münchner Markthallen GmbH einen Parkplatz an - für Anwohner, aber vor allem für die am Großmarkt Beschäftigten, die meist um 11 Uhr morgens bereits den Platz räumen. Freie Fläche gab es also dort immer nach der Schule, doch spielende Kinder waren nicht gern gesehen. Das habe versicherungstechnische Gründe, hieß es seitens der Markthallen, die dann an allen möglichen Pfosten Spielverbote- und "Eltern haften für ihre Kinder"-Schilder aufgehängt hat.

Kürzlich haben einige Hauseigentümer Post von der Stadt bekommen, "erste Pläne, noch sehr vage", sagt Hassel. Doch für die Anwohner seien sie alarmierend. "Wir sind bestürzt." Der Parkplatz solle einem Verwaltungsbau weichen, so interpretieren sie das Schreiben, das Kreisverwaltungsreferat solle dort einziehen. Mit der Luft zum Atmen wird es dann wohl vorbei sein, fürchtet Constanze von Hassel, die selbst mit Kind oben unterm heißen Dach wohnt und keinen Balkon hat. Sie habe die städtischen Pläne "mit Schrecken" aufgenommen, sagt sie. Warum ein Verwaltungsbau, fragt sie? Dreiviertel der Agentur für Arbeit an der Kapuzinerstraße ständen leer. Und dann werde doch bald so viel Fläche auf dem Großmarktgelände frei. "Warum hier?"

Das hat sich auch der Bezirksausschuss im vergangenen Jahr gefragt. Man könne zu dem Bauvorhaben keine Stellungnahme abgeben, hieß es dort. Jedenfalls nicht, bevor eine Reihe von Fragen geklärt seien. Wenn man die Fläche schon bebaue, wieso müsse dort Büroraum geschaffen werden, wo doch gerade in diesem Sektor der Bedarf abnehme? Wieso werde dort nicht bezahlbarer Wohnraum mit Kleingewerbe und Gastronomie errichtet? Außerdem würden mit den vielen neuen Wohnungen, die auf dem Großmarktgelände geschaffen werden sollen, die umliegenden Schulen stark belastet.

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"Warum wird diese Fläche nicht für eine Erweiterung der gegenüberliegenden Schulen oder für Kindertagesstätten am Gotzinger Platz vorgesehen?" Insgesamt gelte: Die Fläche solle keinesfalls vorab verplant, sondern als Nachbargrundstück in das Gesamtkonzept der Entwicklung des Großmarktareals einbezogen werden. "Ihr wird eine wichtige Schlüsselrolle für die Erschließung und Gestaltung des Gotzinger Platzes zufallen." Der Bezirksausschuss erinnerte daran, dass ein Großteil des umliegenden Areals unter Ensembleschutz steht.

Bei der Stadt hat man darauf noch keine Antworten. Im Jahr 2017 habe der Stadtrat die Fläche für ein Verwaltungsgebäude reserviert, sagt die Sprecherin des Kommunalreferats. Daraufhin sei eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden, deren Ergebnisse in Kürze erwartet würden. Welches Referat infrage komme, sei offen. Noch gebe es auch keine Zeitschiene zu dem möglichen Bauvorhaben. Derzeit werde der Parkplatz weiterhin von den Markthallen München benötigt. "Das dauert noch Jahre."

Die neue Anwohnerinitiative hat eigene Nutzungsvorschläge eingebracht. Sie schlägt vor, den Parkplatz zu entsiegeln und daraus eine "multifunktionale, klimawirksame Freifläche" zu machen. Schließlich werde in München an nachhaltigen, ökologischen und sozialen Stadtentwicklungskonzepten gearbeitet, man sehe sich auch in einer Vorbildfunktion. Die Sommer würden heißer und trockener, der Klimawandel ist deutlich spürbar. "Die Grüne Stadt der Zukunft ist eine moderne Antwort auf diese Entwicklungen", sagt Constanze von Hassel. "Der Parkplatz wäre ein idealer Platz, um derartige Konzepte zu verwirklichen." Und das auffällige Wandbild, mit dem auf dem Kontorhaus geworben werde, könne man dann auch noch sehen.

© SZ vom 07.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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