Schwanthalerhöhe:"Westend-Kiez" soll autofrei werden

Lesezeit: 3 min

Ein ganzes Karree hat die Initiative Nachhaltigkeit dafür ausgewählt. Pflanzen und Sessel sollen zum Verweilen einladen, Parken wäre in der Tiefgarage des Schwanthaler-Forums möglich.

Von Andrea Schlaier, Schwanthalerhöhe

Geht doch: Über die ganze Stadt verstreut haben sich im vergangenen Jahr Parkbuchten zu kleinen Biergärten entwickelt, auf Sommerstraßen tummelten sich statt Autos die Nachbarn. Ganz langsam bewegt sich was in der Autostadt München, in der einer Studie von BMW zufolge auf tausend Einwohner 524 Pkw-Besitzer kommen - in Berlin sind es, zum Vergleich, nur 328.

Seit vergangenem Jahr entwickelt auch die Initiative Nachhaltigkeit (MIN) im Verbund mit Studierenden der LMU und im Austausch mit Anwohnern sowie dem Bezirksausschuss (BA) Schwanthalerhöhe ein Konzept zum sogenannten Westend-Kiez: In einem Superblock sollen nach Vorbild aus Barcelona die Straßen zum Erlebnisraum ohne Durchgangsverkehr werden. Auserkoren ist dafür das Karree Kazmair-, Ganghofer-, Westend- und Schießstättstraße. Für die Sommerferien schlägt die Initiative jetzt außerdem vor, an der Schießstättstraße ein Freiluft-Wohnzimmer für Nachbarn zu arrangieren.

Pflanzen und Sitzmöbel auf den Asphalt, klingt hübsch, aber wohin mit den ganzen Autos? Sylvia Hladky, ehemalige Leiterin des Verkehrsmuseums des Deutschen Museums und für die MIN Mit-Entwicklerin des Westend-Kiez, verweist auf durchaus gedeihliche Gespräche mit dem Center-Manager. Ein paar Meter weiter ruht die Tiefgarage mit ihren 1000 Plätzen unter dem Einkaufszentrum "Forum Schwanthalerhöhe", und die, so Hladky, sei maximal zu 40 Prozent belegt. Auch die Forum-Verantwortlichen hätten Interesse, dass sich das ändert - natürlich.

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Es werde daran gedacht, den Anwohnern das Parken ein paar Meter nebenan unter der Erde durch günstige Gebühren schmackhaft zu machen. In drei Online-Workshops für die Menschen aus der Schwanthalerhöhe zum Thema Westend- Kiez sei auch darüber gesprochen und Interesse bekundet worden. Die Umgestaltung der Schießstättstraße diesen Sommer firmiert unter dem etwas spröden Begriff "Umparken 2" - "Umparken 1" ist schon vergeben. Dazu später.

So kurz und vergleichsweise eng die Schießstättstraße an der westlichen Flanke des Schwanthaler Forums ist, so chaotisch regelt sich der Verkehr hier zuweilen selbst und wird damit gerade auch für passierende Schulkinder zur gefährlichen Zone: Schrägparker, gegenüber liegend Längsparker, die keine Lust haben, ihren Wagen in die Tiefgarage nebenan zu steuern, zweite Reihe-Parker, denen's irgendwohin pressiert, Hin-und-her-Cruiser auf der Suche nach einer freien Lücke. Es geht drunter und drüber.

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Sylvia Hladky präsentiert im Bezirksausschuss erste konkrete Schritte, wie die Schießstättstraße zum urbanen Wohnzimmer werden könnte: Im August und September sollen Pflanzen und Sitzmöbel eine ganz neue Atmosphäre schaffen. "Als Sahnehäubchen", schildert Hladky, könnten die Leute mit Virtual-Reality-Brille auf der Nase einen Blick in eine umgestaltete Zukunft an der Stelle werfen, also auf die Zeit, wenn hier aus Parkraum einmal Lebensraum geworden ist.

Anfang September, wenn ein paar Meter weiter in der Alten Messe auch der Mobilitätskongress stattfinden soll, könnte man dieses Pilotprojekt umsetzen und ins Kongressprogramm mit einbinden. Mit dem Center-Manager des Schwanthaler Forums sei man auch hier bereits im Gespräch, sagt Hladky. Auch die Stadt habe großes Interesse an einem Projekt mit Virtual Reality (VR), weil sich daraus auch ein Projekt für den Mobilitätskongress entwickeln ließe. "Wir sind schon in engem Kontakt mit dem Mobilitätsreferat." Und wenn man mal ins Reden kommt... Hladky lächelt ins BA-Rund: "Es hat sich herausgestellt, dass im Forum auch ein VR-Studio ist, die hätten Interesse mitzumachen."

Severin Beilner (ÖDP), Mobilitätsbeauftragter im Ausschuss, applaudiert verbal: "Ich bin schwer begeistert." Auch Manuela Diebolder (Grüne), Vorsitzende des Unterausschusses Umwelt und Verkehr, bekundet die "sehr wohlwollende" Reaktion auf den Vorstoß. "Wir bekommen an der Schießstättstraße in letzter Zeit so oft Anfragen von Bürgern, weil es unsicher ist und keine Querungen gibt." Der gesamte Bezirksausschuss unterstützt das Projekt, das von den Initiatoren jetzt selbst an die Stadt herangetragen werden müsse, so der Rat an Hladky.

Gemeinsame Sache solle, sagen die Stadtteilpolitikerinnen, die Gruppe doch auch mit einem anderen Projekt machen, der Aktion "Umparken 1". Die hatte im Ausschuss eine Viertelstunde zuvor Bernhard Kalkbrenner vom Innovations- und Gründerzentrum Unternehmer-TUM der Universität vorgestellt. Hier ist das "Digital Hub Mobility" angesiedelt, das vom Bundeswirtschaftsministerium initiiert worden ist.

Kalkbrenner und sein Team haben im Sommer 2020 in Schwabing-West bereits das Parkplatz-Problem im Kleinen untersucht. Menschen aus acht Haushalten ließen vier Wochen lang ihre Autos stehen und nutzten dafür andere Verkehrsmittel. Pro Haushalt gab es dafür ein Budget von 300 Euro. Sie seien überrascht vom Ergebnis gewesen, erzählt Kalkbrenner: "Viele nützen ihr Auto gar nicht gern und auch kaum." Drei von acht Teilnehmern hätten es im Anschluss an das Experiment abgegeben. In diesem Sommer würden die Wissenschaftler sich gern auch die Schwanthalerhöhe als Versuchsfeld vornehmen. Der Bezirksausschuss ist dabei - mit einstimmiger Unterstützung. Das Interesse, der Straße in einem so dicht besiedelten Quartier der Stadt auch Aufenthaltsqualität abzugewinnen, ist offenbar erheblich.

© SZ vom 09.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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