Grist & Grain:Wo der Pop leiert und der Rosenkohl triumphiert

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Dirk Gerrard richtet das Restaurant für den Abendbetrieb her. Das "Grist & Grain" liegt nahe der Münchner Freiheit. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Schwabinger "Grist & Grain" ist ein kleines, inhabergeführtes Restaurant mit einem Drang zur Perfektion. Das kommt dem Gast zugute.

Von Juniper Rocket

Dirk Gerrard möchte echte Wertigkeit bieten, wie er auf der Website zu seinem Lokal erläutert, und hat eben jenes nach dem Sprichwort "von echtem Schrot und Korn" englisch "Grist & Grain" genannt. Wechselnde Gerichte aus Zutaten von regionalen Lieferanten, ausgewählte Weine und Drinks. Die Erläuterung online lässt Engagement vermuten, und tatsächlich hält der Inhaber beim Besuch in der Schwabinger Wilhemstraße die Tür auf, als hätte er die Gäste schon erwartet.

Das Grist & Grain ist ein kleines Restaurant mit großen Schaufensterfronten, das Interieur scheint nur als minimalistische Leinwand für das Gebotene zu dienen. Clean chic, wenn man so will. Schmückendes Grün an der Wand fehlt allerdings nicht, und auf einem Regalbrett reihen sich Bücher, von denen das letzte, wie wir etwas garstig mutmaßen, ob der dekorativ geöffneten Haltung angeklebt sein muss. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass dort alles bis ins kleinste Detail ausgeklügelt ist, nichts dem Zufall überlassen wird.

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Die schwarzen Outfits des Gastgebers und seines Teams wirken so frisch gebügelt wie es auch ihr Gebaren ist: Freundlich und über die Maßen zuvorkommend werden wir behandelt. Einmal wird uns angeboten, an einen frei gewordenen Tisch am Fenster zu wechseln, weil neben uns in der Zwischenzeit ein Pärchen Platz genommen hat und man arg nah aufeinander sitzt. So viel Aufmerksamkeit haben wir lange nicht bekommen. Dass das eine oder andere Mal das Brot nicht gleich am Tisch steht, fällt da nicht weiter ins Gewicht.

Das gleiche Maß an Aufmerksamkeit wird dem Gast zuteil, wenn der Chef selbst die Speisen an den Tisch bringt. "Der Chip hat leichte Röstaromen und macht sehr viel Spaß mit dem Ziegenkäse", sagt Dirk Gerrard beim Servieren der Ziegenkäse-Creme-Caramels (9,50 Euro). Eine Begeisterung für die eigenen Kreationen schwingt da mit, die ansteckend wirkt. So oft sieht man es nicht mehr, dass der Chef jeden Abend selbst im Lokal steht, die Speisen kreiert und den Gast damit erfreuen will. Von echtem Schrot und Korn eben.

Die Creme Caramel ist sehr gut, cremig. Die beigefügte Rohkost - aus geraspelten Rüben getoppt mit Sprossen - hat eine ebenfalls süßliche Note, eine gut gewählte Beigabe. Als Nachspeise würde das Gericht ebenso funktionieren, manchen mag es als Vorspeise gar zu süß sein, uns aber gefällt es. Das Pastinaken-Creme-Süppchen (5,50) schmeckt solide. Ein anderes Mal testen wir vorweg die Garnelen-Süßkartoffel-Crab-Cakes (10,50), von denen es dankenswerterweise zwei Stück gibt, so dass sich über die gerechte Aufteilung der Happen keine Beziehungskrise entfachen kann.

Überhaupt ist das Grist & Grain sehr auf Pärchen-Tête-à-Têtes eingestellt; Kerzen und Blümchen auf den Tischen und gedämpftes Licht, dazu ein Sound, den eine breite Mehrheit sicher als sanftes Hintergrundgesäusel wahrnimmt; für uns sind es eher mit dem Jazz-Prügel flachgeklopfte Popsongs mit dem Charme einer leiernden Kassette. Aber zurück zu den tollen Crab Cakes, die ein wenig wie Rösti daherkommen, auf die jeweils eine Garnele gebettet ist ("Crab", also Krabben, können wir nicht ausmachen, aber egal). Sie werden von einem Rosenkohl-Kimchi begleitet, etwas Kraut und Knoblauch und ein Hauch Chili. Der Rosenkohl passt wunderbar in dieses koreanische, hier für europäische Gaumen heruntergefahrene Gericht, und auch die Limetten-Creme-Fraiche ist eine schöne Ergänzung.

In einer ähnlichen Variante findet sich der Rosenkohl auch als Füllung in der Wirsing-Dattel-Rolle mit Couscous und einem famosen Quitten-Chutney (8,50), ebenfalls eine Vorspeise, die wir gern gegessen haben. Die Ravioli überzeugen mit Topinambur-, Walnuss- und Mascarpone-Füllung, Stückchen von roten Beten und Lauch als Topping steuern Frische und ein Spiel mit Konsistenzen bei (klein 11,50, groß 17,50).

Die Karte ist klein, als Hauptgänge gibt es hauptsächlich Varianten vom Galloway Ochsen (140g 21,50/ 200g 29,50). Wir probieren ihn "Bloody & Well" mit Chimmi Churri und Parmesan-Kartoffel-Croutons, ein anderes Mal als mürbes Filet Bulgogi, 200 Gramm mit koreanischer BBQ-Sauce und Rübengemüse, beide sind handwerklich toll. Die koreanische Sauce aber ist eher salzig und knoblauchlastig, nicht jedermanns Sache. Als Fischgericht gibt es Seeteufel-Medaillons (25,50) mit einem Topinambur-Sellerie-Püree und Rosenkohlblättern, für die Gerrard offensichtlich ein Faible hat, sowie einer Salzzitronen-Emulsion zum Hineinlegen, ein Wohlfühlgericht, wie auch der Coq au Vin (12,50) eines ist.

Das "Grist & Grain bietet feine, "wertige" und fair bepreiste Speisen, für die sich ein Besuch durchaus lohnt, auch wenn sich Zutaten wie Rosenkohl oder Topinambur schnell wiederholen. Nur das karge Ambiente versprüht trotz Kerzenschein einen Hauch Kantinenflair. Der gute Espresso, den man unbedingt trinken solle, tröstet etwas darüber hinweg.

Adresse: Wilhelmstraße 43, 80801 München, 089/23020828, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 12 bis 15 Uhr, Montag bis Samstag 18 bis 23 Uhr, reservierung@grist-grain.de

© SZ vom 30.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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