Obersendling:Die erfolgreichsten Schützen der Stadt

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Die HSG zählt heute rund 700 Mitglieder. Schießbetrieb gibt es an sieben Tagen pro Woche. (Foto: Catherina Hess)

Die Königlich Privilegierte Hauptschützengesellschaft ist die älteste Sportschießgemeinschaft Münchens mit mehr als 700 Mitgliedern. Doch nicht jeder wird aufgenommen. Ein Besuch des traditionsreichen Anwesens.

Von Jürgen Wolfram

Wohin nur soll man bei dieser Fülle den Blick zuerst richten? Auf die Vitrinen im Saal mit all den Trophäen und Memorabilien, auf die Gemälde verblichener Mitglieder aus dem Hoch- und Geldadel, die lange Reihe der Schießstände, die Sammlung edler Schützenscheiben aus mehreren Jahrhunderten? Ein Stockwerk höher, im Fürstenzimmer, wo der Vorstand tagt und Porträts aller ehemaligen Münchner Oberbürgermeister die Wände zieren, geht's geschichtsträchtig weiter. Und gleich nebenan, im Festsaal mit seinem Tonnengewölbe, lockt im Riesenformat von 5,20 mal 2,80 Meter die Original-Schützenliesl, gemalt von Friedrich August von Kaulbach. Sein Modell, die Oktoberfest-Bedienung Coletta Möritz, hat's im Leben krachen lassen, und das nicht nur drei Mal, wie es in einem ewigen Wiesn-Hit irreführend heißt.

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Willkommen bei der Königlich Privilegierten Hauptschützengesellschaft (HSG) in Obersendling, "der ältesten und erfolgreichsten Schützengesellschaft der Stadt". Zu Besuch ist heute die Geschichtswerkstatt München-Süd. Diese Arbeitsgemeinschaft erkundet seit einiger Zeit zielsicher historische "Highlights". Im Schloss Fürstenried, in der alten Sollner Kirche und im Geflecht eines verwitterten Bahngleissystems hat sie sich bereits umgetan.

Nun also die traditionsreiche HSG, die in den städtischen Annalen erstmals 1406 erwähnt wird. Zu einer Zeit, da der Deutschritterorden in Polen aufmarschiert, um sich in der Schlacht bei Tannenberg eine blutige Nase zu holen. Gegründet in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs, an der Schützenstraße, ist die Gesellschaft in ihren Anfängen für den Schutz der Stadt zuständig. Als sie, nach einer Zwischenstation an der Theresienwiese, 1893 für 600 000 Gulden ein freies, neun Hektar großes Feld an der Zielstattstraße in Obersendling erwirbt, ahnt niemand, welch eine Schatzkammer des Schützensportwesens hier einmal entstehen soll. Und nebenbei einer der schönsten Münchner Großbiergärten.

Führung bei der Schützengesellschaft HSG. Die Geschichtswerkstatt München besichtigt die Räumlichkeiten. (Foto: Catherina Hess)

Wer, wie die Geschichtswerkstatt, Glück hat, gewinnt den Ehrenschützenmeister Kurt Bürgermeister für eine Führung durch das hochherrschaftlich anmutende, denkmalgeschützte HSG-Anwesen. Der Mann ist eine wandelnde Anekdotensammlung. Einer der weiß, warum Augustiner hier Gastropächter ist ("andere Brauereien haben mit der Unterschrift etwas zu lang gezögert") und welche Olympiasieger und Weltmeister seiner Schützengesellschaft entstammen (Gottfried Kustermann, Gary Anderson). Dass Schützenmeister in vergangenen Zeiten das Privileg der Steuerfreiheit sowie das Recht genossen, "eine Sau zu halten", erzählt er seinem staunenden Publikum ebenso.

Wenn Bürgermeister sich mit seinem Namen bei den Spitzen der Stadt vorstellt, soll es vorkommen, dass er eine gelinde Verstörung auslöst und eine leicht empörte Antwort erhält: "Na, Bürgermeister bin ja schon ich." An Verluste, die man kaum zu glauben vermag in Anbetracht der Unzahl an Pokalen und Medaillen im sogenannten Ladsaal, erinnert er sich obendrein mit einem maliziösen Lächeln: "Mei, nach dem Krieg haben die Amis halt einiges mitgenommen."

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Kurt Bürgermeister, also das Mädchen für alles bei der Hauptschützengesellschaft, weiß auch um den Wandel der Zeiten. Lange war die HSG für weibliche Mitglieder tabu. Und heute? "Haben wir selbstverständlich auch Schützenmeisterinnen." Was sich auch geändert hat: Auf Scheiben mit menschlichen Darstellungen ziele man inzwischen nicht mehr so selbstverständlich wie einst.

Stolz stellt Bürgermeister die modernen elektronischen Schießstände vor, einen davon hat er selbst eingerichtet. Die damit verbundenen Auflagen des Kreisverwaltungsreferats erschüttern ihn noch immer wie die Detonation einer Patronenkiste: Hunderttausende Euro habe man in stahlverstärkte Decken und Balken, Belüftungssysteme und Waffenschränke mit Tresoren stecken müssen. So etwas hätte sich Bayern-Herzog Albrecht, der hier einst seine Jagdgewehre einschoss, sicher nicht im Entferntesten träumen lassen. Ebenso wenig wie frühere Bemühungen der Regierung von Oberbayern, die Schützengesellschaft aufzulösen, weil sie in keinem Vereinsregister auftaucht, somit über keinen haftenden Vorstand verfügt.

Auch Frauen dürfen mittlerweile mitschießen

Die HSG heute, das sind in erster Linie mehr als 700 Mitglieder, "Tendenz steigend". Einige ihrer Pistolenschützen nehmen an Bundesliga-Wettkämpfen teil. Schießbetrieb findet an sieben Tagen die Woche statt, professionelles Training gibt es sogar für die Jugend. Auf dem großzügigen Gelände am Ende der Zielstattstraße ist viel Platz: für einen Biathlonparcours, ein altes Kutscherhaus, das gegenwärtig renoviert wird, einen eigenen Fußballplatz, eine hauseigene Werkstatt, das renommierte Gasthaus "Augustiner Schützengarten". Eine weitere Spezialität sind Schießbahnen von 100 Metern Länge, wie sie nur in Bayern vorkommen. Geschossen wird mit nahezu allem, was einen Abzug hat, von der Armbrust bis zum Feuerstutzen. Diese Dinger schießen bis zu 450 Meter weit. Üblicher sind gleichwohl Kleinkaliber- und Luftgewehre sowie Distanzen von bis zu 50 Meter.

Ehrenschützenmeister Kurt Bürgermeister führt die Gäste durch das Anwesen der HSG. (Foto: Catherina Hess)

Mitglied werden kann bei den Königlichen nicht unbedingt jeder. "Wir wollen Sportler, keine Ballermänner", sagt Kurt Bürgermeister. Einmal aufgenommen und im Fürstenzimmer feierlich begrüßt, lohnt es sich aber, längerfristig dabei zu bleiben. Denn nach 50 Jahren Mitgliedschaft spendiert der Verein ein gemaltes Porträt sowie eine Ehrennadel mit Brillant. Das Amt des Münchner Oberbürgermeisters anzustreben, zahlt sich ebenfalls aus. Denn wer's schafft, den laden die königlich privilegierten Schützen ein, bei ihnen "Hauptschützenkommissar" zu werden. Solche Ehren wurden früher gekrönten Häuptern zuteil, wie Bayerns letztem König Ludwig III.

Ins Schwarze trifft bei der Schützengesellschaft ansonsten jeder, der mithilft, das kostbare bauliche Erbe zu erhalten. Denn allein mit Jahresbeiträgen von 130 Euro ist das nicht zu schaffen. Die letzte Renovierungsrunde verschlang fünf Millionen Euro. Kurt Bürgermeister erinnert sich mit Schaudern: "Ständig traten andere Probleme auf, angefangen bei den Fußleisten in den Sälen."

Daran gemessen seien Lärmbeschwerden aus der Nachbarschaft eher leicht zu kontern. Schließlich habe sich die Schützengesellschaft zuerst an Ort und Stelle ausgebreitet, lange vor den Wohnhäusern in der Umgebung. Stimmt zweifellos; 1893 war dieser Winkel Sendlings noch eine weite Wiese.

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