"Bierkönig von München":Der Wohltäter, den die Nazis hassten

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In Berg am Laim baute Brauereibesitzer Josef Schülein eine Siedlung mit Sozialwohnungen. Er unterstützte Vereine und Kirchen in Haidhausen und stand jedes Jahr Pate für bis zu 40 Firmlinge aus ärmeren Familien. (Foto: Privat)

Mit einer Romanbiografie will Elisabeth Schinagl die Erinnerung an den jüdischen Brauereibesitzer Josef Schülein wachhalten, der einst nicht nur die Geschicke der Löwenbräu AG lenkte.

Von Patrik Stäbler

Ganz am Ende ihres Buchs lässt die Autorin Josef Schülein lächeln. Dann sagt er noch: "Alles hat seine Zeit." Mit diesem Satz beschließt Elisabeth Schinagl die neu erschienene Romanbiografie über den "König von Haidhausen", den sie im Buchtitel gar zum "Bierkönig von München" macht. Es ist ein versöhnliches Ende, das aber nur bedingt zum tatsächlichen Lebensende des jüdischen Brauereibesitzers Josef Schülein passt.

Als er im November 1938 stirbt, haben die Nazis ihn und seine Familie längst aus der Führungsspitze der Löwenbräu AG verdrängt, die er 1921 mit seiner Unionsbrauerei übernommen hatte. Fünf seiner Kinder sind in die USA emigriert. Und der Schüleinplatz in Berg am Laim - einst so getauft wegen des sozialen Engagements des Unternehmers - heißt inzwischen Halserspitzplatz. Weil, so schreibt es ein NSDAP-Stadtrat in seinem Antrag zur Umbenennung, dem "Kommerzienrat Josef Schülein keine besonderen Verdienste, weder in sozialer Hinsicht, noch um die Stadtgemeinde München im Besonderen, nachgewiesen werden können".

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Was für ein unverschämtes und verlogenes Urteil über einen Mann, der vor hundert Jahren zu den bekanntesten und beliebtesten Figuren in Haidhausen zählte. Im fränkischen Thalmässing geboren, kommt der 19-jährige Schülein 1873 nach München, wo er als Hopfenhändler und Bankier unternehmerisches Gespür beweist. 1895 ersteigert er zusammen mit seinem Schwager und seinem Bruder eine bankrotte Brauerei in Haidhausen und tauft sie Unionsbrauerei Schülein & Cie.

Der Mann mit der silbergrauen Mähne, auf dem Kopf stets ein schwarzer Hut, macht aus dem defizitären Betrieb eine der größten Brauereien der Stadt, die 1905 die Münchner-Kindl-Brauerei übernimmt und 1921 gar mit der Löwenbräu AG fusioniert. Deren Geschicke lenkt fortan Sohn Hermann Schülein, während der Vater im Aufsichtsrat sitzt - bis die Familie in die Schusslinie der Nazis gerät.

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Von der Jahrhundertwende an ist Josef Schülein als "König von Haidhausen" bekannt und beliebt - vor allem bei den einfachen Leuten. In Berg am Laim baut er eine Siedlung mit Sozialwohnungen; darüber hinaus unterstützt er Vereine und Kirchen in Haidhausen, verteilt bei seinen Besuchen im Arbeiterviertel Geschenke an die Kinder und steht jedes Jahr Pate für bis zu 40 Firmlinge aus ärmeren Familien, die er für den Festtag einkleidet und bewirtet.

Sein immenses soziales Engagement - ebenso wie das seines Sohns, der nach dem Krieg hunderte Care-Pakete nach München schickt und sich am Wiederaufbau des Alten Peter und des Nationaltheaters beteiligt - hat Heimatforscher Hermann Wilhelm in seinem 2015 erschienenen Buch "Die Schüleins" detailliert rekonstruiert. Er nähert sich dem Brauereibesitzer aus dem Blickwinkel des Historikers; sie hingegen wolle in ihrer Romanbiografie "den Menschen hinter der Figur Josef Schülein zeigen", sagt Elisabeth Schinagl.

Tatsächlich menschelt es allenthalben in dem 276 Seiten starken Werk, das sich mitunter arg ausführlich um das Familienleben der Schüleins dreht. Bei alledem dringt aber stets durch, wie tief sich die Autorin in die Biografie ihrer Protagonisten eingearbeitet hat. "Natürlich sind viele Szenen und Dialoge fiktiv, aber sie basieren auf Fakten, die ich dann auskleide", sagt Elisabeth Schinagl, die betont: "Ich fühle mich sehr stark der Wahrheit verpflichtet." Ihr Buch solle dazu beitragen, "die Erinnerung an Josef Schülein im Gedächtnis der Stadt zu behalten", hofft die Autorin. Gerade in Zeiten von wieder aufflammendem Antisemitismus sei dies wichtiger denn je.

Elisabeth Schinagl: Der Bierkönig von München. Allitera Verlag, 276 Seiten

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