Die Münchner Staatsanwaltschaft hat derzeit einen spektakulären Fall von internationaler Geldwäsche in Arbeit, wie die Behörde am Dienstag bestätigte. Im Zuge eines Rechtshilfeersuchens der libanesischen Generalstaatsanwaltschaft ermitteln auch die Münchner Strafverfolger gegen den langjährigen Chef der libanesischen Zentralbank, Riad S., dessen Bruder Raja S. sowie eine Frau namens Marianne H. mit französisch-libanesischer Staatsangehörigkeit. In seiner Heimat Libanon wird Riad S. vorgeworfen, über einen Zeitraum von mindestens 13 Jahren, zwischen 2002 und 2015, wenigstens 330 Millionen US-Dollar veruntreut zu haben. Ein Teil des Geldes soll in europäische Immobilien geflossen sein, unter anderem in München. Daraus ergibt sich die örtliche Zuständigkeit der Münchner Strafverfolger.
Wie die Staatsanwältin Ambika Zeeb am Dienstag bestätigte, seien bereits vor zwei Jahren in einer konzertierten Aktion mit Ermittlungsbehörden aus Frankreich und Luxemburg Vermögenswerte in Höhe von rund 150 Millionen Euro sichergestellt worden. In Deutschland wurden dabei drei hochwertige Gewerbeimmobilien im Gesamtwert von 28 Millionen Euro beschlagnahmt, eine in Hamburg und zwei in München. Die Münchner Gebäude befänden sich in Top-Lagen, wie es hieß. Dazu kommen Anteile einer Objektgesellschaft in Düsseldorf im Wert von sieben Millionen Euro.
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Im vergangenen Jahr war eine europäische Delegation, der auch Zeeb angehörte, rund ein halbes Dutzend Mal im Libanon, um dort Akteneinsicht zu nehmen und den ehemaligen Chef der "Banque Du Liban" sowie ebenfalls beschuldigte Angehörige und Zeugen zu vernehmen. Sogar der amtierende Finanzminister des Staates habe ausgesagt, berichtete Zeeb. In dem fast bankrotten Mittelmeerstaat ist die Unterschlagung dieser hohen Summe ein großes innenpolitisches Thema. Riad und Raja S. bestreiten die gegen sie gerichteten Vorwürfe.
Dennoch hat das Amtsgericht München bereits im Mai 2023 einen Haftbefehl gegen Riad S. erlassen, wie am Dienstag die Staatsanwaltschaft München I bestätigte. Seitdem ist der Mann international zur Fahndung ausgeschrieben; in seiner Heimat befindet er sich freilich noch auf freiem Fuß. Er hatte das Amt des Zentralbankchefs trotz der bereits 2021 angelaufenen Ermittlungen wegen des Verdachts der schweren Unterschlagung öffentlicher Gelder und der ein Jahr später im Ausland sichergestellten Vermögenswerte noch bis Ende Juli 2023 inne - und damit auf den Tag genau 30 Jahre.
Weil der Libanon seine Staatsbürger nicht ausliefert, kann Riad S. in Deutschland oder einem anderen europäischen Land nur dann der Prozess gemacht werden, wenn er sich freiwillig stellt. Damit ist jedoch nicht zu rechnen. Allerdings sei es möglich, das beschlagnahmte Vermögen dauerhaft einzuziehen. Andererseits hat der klamme Libanon ein großes Interesse, das unterschlagene Geld zurückzuerhalten, aber dort liegt das Verfahren gegen S. und seine Angehörigen derzeit aus formalen Gründen auf Eis, berichtete Ambika Zeeb. Zwischen dem Libanon und Deutschland gibt es kein Übereinkommen, was in solchen Fällen mit beschlagnahmten Werten geschieht; das muss also explizit verhandelt werden.
Die Münchner Staatsanwältin bezeichnete die Ermittlungen trotzdem als "wirklich vollen Erfolg" im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit. Auch die Justizbehörden in Frankreich und Luxemburg hatten Verfahren gegen Riad S. eingeleitet, nachdem sie von den libanesischen Behörden um Rechtshilfe gebeten worden waren. Das internationale Vorgehen wurde dann von der europäischen Justizbehörde Eurojust mit Sitz in Den Haag koordiniert. Dort wurde eine Gemeinsame Ermittlungsgruppe eingerichtet, kurz GEG.
Ein Teil der mutmaßlich unterschlagenen Summe sei demnach über eine Briefkastengesellschaft auf den Britischen Jungferninseln zunächst in die Schweiz geleitet und von dort aus in Immobilien in ganz Europa investiert worden, unter anderem in Deutschland. Bei der Schweizer Bank, die zuerst Verdacht schöpfte und diesen an die libanesischen Behörden meldete, seien über 13 Jahre hinweg mehr als 300 Geldeingänge verzeichnet worden.
Wie die zuständige Staatsanwältin Sina Tarantik erklärte, bearbeitet die Staatsanwaltschaft München I jährlich bis zu 2000 Rechtshilfevorgänge. "Das geht immer in beide Richtungen", sagte sie. Die Ersuchen gehen also sowohl von München aus ins Ausland, kommen aber zum überwiegenden Teil - zu etwa drei Vierteln - eher von dort in die bayerische Landeshauptstadt. Dort gibt es eine eigene Rechtshilfeabteilung, die die insgesamt 180 Staatsanwälte unterstützt. "Einzigartig" sei das, sagt Tarantik. Da Straftäter die gewachsene Freizügigkeit in Europa für ihre Zwecke nutzten, komme den Rechtshilfeersuchen eine immer größere Bedeutung zu.