Fotograf Francesco Giordano will die Menschen zeigen, wie sie sind - stolz
Synergien. Wäre es nach Francesco Giordano, 29, gegangen, hätte so der Titel seiner Ausstellung gelautet. Denn genau das möchte der Fotograf erreichen: Kunstschaffende untereinander vernetzen. Doch hat sich Francesco am Ende der demokratischen Mehrheit gebeugt. Jetzt heißt die Ausstellung "Queer:Raum" - was nicht weniger treffend ist. Schließlich geht es darum, queeren Menschen einen Raum zu geben, ihnen Sichtbarkeit zu verschaffen. 20 queere Kunstschaffende wird Francesco am 2. und 3. Juli in der Münchner Aidshilfe vereinen. Ein Tänzer wird dort genauso vertreten sein wie eine Drag-Queen, ein Game-Designer genauso wie ein Modedesigner. Ebenso vielfältig sind die Geschlechts- und sexuellen Identitäten der Beteiligten. Doch geht es um viel mehr als das: "Geschichten, in denen von queeren Menschen erzählt wird, sind häufig sexualisiert", sagt er. Das habe Francesco in dem Fotoprojekt, auf dem die Ausstellung beruht, unbedingt vermeiden wollen. "Queerness ist auch eine politische Haltung", sagt er. Es bedeutet, "über den Tellerrand hinauszuschauen und sich nicht in irgendwelche Kategorien einordnen zu lassen", sagt er.
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Die 20 Kunstschaffenden hat er teilweise in seinem Atelier, teilweise an ihren Wirkstätten porträtiert. Welche Pose sie dafür einnehmen, wie sie sich kleiden, durften sie selbst entscheiden. "Ich wollte keine Klischees bedienen, sondern die Menschen zeigen, wie sie sind, in ihrem Stolz. Es gibt kein typisch queeres Bild", sagt Francesco. Auch wenn er der Ansicht ist, dass es queere Menschen in München verglichen mit anderen Orten leichter haben, ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, hofft er dennoch, mit der Ausstellung Vorurteile abbauen zu können. Und dann geht es noch um etwas anderes: "Die Gäste sollen mit einem positiven Gefühl aus der Ausstellung herausgehen und vielleicht etwas mitnehmen, was sie vorher noch nicht kannten. Eine Drag-Performance zu sehen, macht auch einfach sehr viel Spaß. Queer zu sein macht Spaß", sagt Francesco.
Game-Designer Lucas Fellner setzt sich mit Queerness in Videospielen auseinander
Lucas Fellner ist leidenschaftlicher Gamer. Doch nicht nur das, er designt auch Videospiele. Der 23-Jährige hat Kunst und Multimedia studiert. In seiner Bachelorarbeit setzte er sich mit der Darstellung von Queerness in Videospielen auseinander. "So wie in anderen Medien werden marginalisierte Gruppen oft in Stereotypen dargestellt. Der homosexuelle Mann ist beispielsweise häufig laut, weiblich und aufgedreht", sagt Lucas. Dabei eigneten sich Videospiele aufgrund der aktiven Rolle, die man beim Spielen einnehme, besonders, um Lebensrealitäten erfahrbar zu machen. In Zukunft will er deshalb Videospiele als Repräsentationsorte für queere Personen gestalten: "Mein Hauptanspruch ist, dass Videospiele nicht nur der Ablenkung dienen, sondern auch einen gewissen Mehrwert bieten", sagt Lucas. Für den "Queer:Raum" plant er allerdings eine 3-D-Umgebung inklusive Ton. Auch eine Kooperation ist entstanden: Zum DJ-Set von Daniela La Luz wird er Animationen liefern. Vor der Ausstellung habe er niemanden der anderen Kunstschaffenden gekannt, auch aufgrund mangelnder Sichtbarkeit: "Früher hatte München den Ruf, überhaupt nicht queer und offen zu sein. Im vergangenen Jahr habe ich glücklicherweise einen Aufschwung bemerkt. Es gibt immer mehr queere Veranstaltungen, auch über den CSD hinaus."
Sheila Achieng nennt sich als Drag King "Smooth Operator" und hofft auf Toleranz
Schon als Sheila Achieng, 28, ein kleines Mädchen war, merkte sie, dass sie anders ist. Nie habe die Kenianerin das Gefühl gehabt, in die Gesellschaft zu passen. "Ich konnte mich nicht mit den Frauenbildern, die mich umgaben, identifizieren", sagt sie. Ebenso wenig mit denen der Männer, die sich stets als das überlegene Geschlecht präsentierten. Also ging Sheila ihren eigenen Weg als Drag King und schuf das Alter Ego "Smooth Operator", mit dem sie Geschlechtsstereotypen aufbricht: "Als Drag King kann ich die maskuline Energie, die in mir steckt, ausleben. Und zugleich hat Smooth Operator auch weibliche Seiten in sich", sagt sie. Neben ihrer Kunst engagiert sich Sheila bei Beyond Color und hält Anti-Rassismus-Workshops. "Der Rassismus heute ist subtiler, aber die Mikroaggressionen, die man erfährt, brechen einen trotzdem", sagt sie. Von ihrer Performance bei der Ausstellung erhofft sich Sheila zweierlei: mehr Sichtbarkeit für Drag Kings und Toleranz. "Ich hoffe, dass die Menschen mit offenen Herzen kommen und das Talent sehen, das wir queere Menschen in uns tragen."
Maler Kyrylo Zhornovyi wollte in die Ukraine zurück, doch dann kam der Krieg
Wegen eines Studiums und weil er sich aufgrund seiner Queerness in der Ukraine nicht akzeptiert fühlte, kam Kyrylo Zhornovyi 2015 nach Deutschland. Heute blickt der 25-Jährige jedoch positiver auf sein Heimatland: "Es ist dahingehend viel passiert, es gab auch die ersten CSDs", erzählt er. Ein Umstand, der in den vergangenen Jahren in ihm den Wunsch entstehen ließ, zurückzukehren. Doch der Krieg brach aus. Seither lebt seine Mutter bei ihm und seinem Freund in Deutschland. "Ich konnte deshalb die ersten Monate nicht arbeiten, weil ich nicht das Gefühl hatte, etwas zu machen, das relevant ist", erzählt der surrealistische Maler. Einzig in Russland-kritischer Kunst habe er einen erneuten Zugang gefunden. Inspiriert von René Magrittes "Der Sohn des Mannes" hat er ein Bild geschaffen, das anstelle eines Mannes mit Apfel, Putin mit einer Granate vor dem Gesicht zeigt. "Das Bild war Selbsttherapie für mich", sagt er.
Mai Strathmann hat Maskenbild studiert und will queere Sichtbarkeit schaffen
Mai Strathmann, 26, hat Maskenbild an der Theaterakademie studiert: "Die Ausbildung verläuft sehr binär. Uns wurde beigebracht, das ist für ein weiblich gelesenes Gesicht, das für ein männlich gelesenes." Mai, selbst nicht-binär, möchte dieses System aufbrechen. Das bedeutet, immer auch die Person und Identität einzubeziehen, die hinter einer lebendigen Leinwand stehen. Keine leichte Aufgabe, besonders im Kontext von Theaterproduktionen: "Es passiert immer sehr viel Gesellschaftskritik auf der Bühne, aber hinter der Bühne kommt das selten an", sagt Mai. Mit geschlechtsbezogenen Schönheitsidealen setzt Mai sich auch für die Ausstellung auseinander, gemeinsam mit Stella Deborah Traub, einer befreundeten Fotografin. Letztlich sind es aber nicht nur die Kunstwerke selbst, die für Mai bei "Queer:Raum" im Vordergrund stehen: "Das Wichtigste ist, dass wir den Raum nutzen, um uns zu vernetzen und queere Sichtbarkeit zu schaffen."
Tänzer und Choreograf Alfonso Fernández Sanchez will zum Nachdenken anregen
"Vor allem im klassischen Ballett werden die Unterschiede zwischen der männlichen und der weiblichen Rolle immer betont", sagt der Tänzer und Choreograf Alfonso Fernández Sanchez. Steht der 28-Jährige auf der Bühne, verschmelzen diese beiden Rollen. "Wenn ich tanze, bringe ich immer meine Persönlichkeit ein. Auch in mir gibt es eine weibliche und eine männliche Seite", sagt Alfonso. Er hofft, mit dem Publikum in einen Dialog zu treten und es zum Nachdenken über Geschlecht und Gleichberechtigung anzuregen: "Ich kommuniziere durch Bewegung. Ich übersetze meine Gedanken in meinen Körper." Während der Ausstellung wird Alfonso eine improvisierte Performance präsentieren, die ihm die Möglichkeit gibt, die Arbeit der anderen Kunstschaffenden zu integrieren. Sei es Musik, Kostüm oder Grafikdesign. "Dass alle eine queere Denkweise haben, finde ich großartig. Dadurch sind wir auf der gleichen Wellenlänge und können gut zusammenarbeiten", sagt Alfonso.
Künstler Federico Brens: Queerness und Religion sollten sich nicht ausschließen
Bereits sein ganzes Leben macht Federico Brens, 27, negative Erfahrungen in Zusammenhang mit seiner Queerness. Der aus der Dominikanischen Republik stammende Künstler zog im Alter von neun Jahren ins Allgäu, nach Bad Hindelang. "Ich war der einzige schwarze Schwule in der Schule. Da habe ich schon gelernt, mit Negativität umzugehen und sie schnell zu verarbeiten", sagt er. Queerness, das bedeute für Federico, sich frei zu fühlen. In seinem Lebensstil, seiner Optik und auch in seiner Malerei und Dichtung, die immer wieder religiöse Motive aufgreift. "Mir gefällt es, in Zusammenhang mit Religion zu provozieren", sagt der Künstler. Durch seine Herkunft geprägt, glaubt er selbst fest an das Jenseits. Federico ist der Ansicht, Queerness und Religion sollten sich nicht ausschließen. "Deshalb will ich den Menschen mit meiner Kunst auch die Angst vor der Religion nehmen", erklärt er. Für die Ausstellung plant Federico, seine Malerei und Poesie miteinander zu verbinden. Er wird ein großes Gemälde präsentieren, das sich dem Thema Schmerz widmet.
Junge Leute
München lebt. Viele junge Menschen in der Stadt verfolgen aufregende Projekte, haben interessante Ideen und können spannende Geschichten erzählen. Hier werden diese Menschen vorgestellt - von jungen Autoren.
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