Übertragung der Fußball-WM in Katar:Boykottieren - oder über die Menschenrechtsverletzungen aufklären?

Lesezeit: 2 min

Im Sommer zeigte das Backstage die Spiele der Frauen-Nationalmannschaft. Auch die WM-Partien der Männer werden hier wohl gezeigt. (Foto: Robert Haas)

Münchner Kneipen stehen vor der schwierigen Frage: Sollen sie die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar überhaupt zeigen, und wenn ja, wie? Und noch ein anderes Problem stellt sich ihnen.

Von Nils Frenzel und Daniel Thoma

Im Stadion an der Schleißheimer Straße haben sie sich jetzt entschieden. Obwohl sich die Geschäftsführer der bekannten Münchner Fußballkneipe, Holger Britzius und Michael Jachan, bereits vor zwei Jahren mit der am 20. November startenden Fußball-Weltmeisterschaft in Katar und den Boykott-Protesten auseinandergesetzt haben, werden sie in ihrer Kneipe alle Spiele der anstehenden Weltmeisterschaft zeigen.

Der Grund ist relativ einfach: Nach eigenen Aussagen können es sich die Gastwirte nicht leisten, einen Monat lang keinen Fußball zu zeigen. Trotzdem befinden sich die Betreiber mit ihrer Entscheidung im Zwiespalt und laden daher drei Tage vor Beginn der Wüsten-WM zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel: "Das rebellische Spiel - die Macht des Fußballs im Nahen Osten und die Katar-WM" ein. Denn das katarische Regime steht vor allem wegen des Umgangs mit Gastarbeitern scharf in der Kritik, beim Bau der Stadien und anderer Infrastruktur wurden nachweislich massive Menschenrechtsverletzungen begangen.

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Viele Kneipen und Veranstaltungsstätten befinden sich derzeit in dem moralischen Dilemma: Die umstrittene Fußball-WM zeigen oder nicht? Und wenn ja, in welcher Form?

Hans Georg Stocker, Geschäftsführer des Kulturzentrums Backstage, ist noch unentschlossen, tendiert dazu, wenigstens die Spiele der deutschen Nationalmannschaft zu zeigen. Allerdings nicht unkommentiert. Vielmehr kann er sich Informationsveranstaltungen vor und nach den Fernsehübertragungen vorstellen, in denen über das Thema Katar und darüber hinaus über Sportveranstaltungen in antidemokratischen Staaten gesprochen werden soll. Momentan stehe die Fußball-WM sehr im Fokus, aber es gebe neben Katar noch viele Länder, in denen sportliche Großveranstaltungen stattfinden und gleichzeitig die Demokratie und Menschenrechte mit Füßen getreten würden, so Stocker.

Er plädiert für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema und findet einen reinen Boykott als alleinigen Protest schwierig: "Wir wünschen uns eine Aufmerksamkeit über Katar hinaus." Für seine eigene Veranstaltungsstätte kann er sich vorstellen, sich über den Getränkeverkauf an einem Hilfsfonds zu beteiligen, der von Zwangsarbeit betroffene Menschen in Katar unterstützt: "Ich finde es wichtig, etwas zu tun, was den Menschen vor Ort hilft." Hierfür stehe er mit Amnesty International in Kontakt, um sich beraten zu lassen. Abseits der inhaltlichen Diskussion über die WM in Katar sei das Thema Public Viewing im Winter aber auch aus anderer Sicht eine Herausforderung: In der kalten Jahreszeit muss trotz Energiekrise eine komplette Halle beheizt werden.

In München ist erst eine Public-Viewing-Veranstaltung angemeldet worden

Andere Veranstaltungsstätten haben sich dagegen bereits vor Monaten gegen eine Übertragung der WM entschieden. So hat die Muffathalle nie in Erwägung gezogen, das Turnier zu zeigen. Gleiches gilt für den Olympiapark. Neben den Menschenrechtsverletzungen ist hier der Hauptgrund, dass das Turnier im Winter stattfindet. Zudem sei auch schon in den vergangenen Jahren das Interesse an Public Viewing zurückgegangen. Im MAC Forum am Münchner Flughafen ist ebenfalls kein Public Viewing geplant. Die DFB-Lizenzen seien zu teuer, außerdem werde der Veranstaltungssaal auf dem Gelände im November und Dezember vorrangig für Weihnachtsfeiern genutzt. Diese hätten nach zwei Jahren Corona-Pause Priorität.

Beim Kreisverwaltungsreferat ist bisher erst eine Public-Viewing-Veranstaltung angemeldet worden. Sie soll im Paulaner am Nockherberg stattfinden. Von der Stadt selbst hat es nie entsprechende Planungen gegeben, wie das Referat für Bildung und Sport mitteilt. Anfragen für die Nutzung von öffentlichen Flächen der Stadt München gebe es derzeit ebenfalls nicht. Deutschlandweit finden in diesem Jahr wohl nur wenige Public-Viewing-Veranstaltungen statt. Die bekannte Fanmeile in Berlin wird es nicht geben; zwar hatte ein privater Veranstalter zunächst einen Antrag gestellt, diesen aber wieder zurückgezogen. Auch Frankfurt hat sich gegen ein Public Viewing entschieden, wie Sportdezernent Mike Josef mitteilte.

Grundsätzlich sind Public Viewings im Freien während der WM auch nach 22 Uhr möglich. Ob sich in diesem Winter aber zum gemeinsamen Fußballschauen vor einer großen Leinwand verabredet wird, bleibt nicht nur in München fraglich.

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