Prozess:Münchner häuft 210 000 Euro Rabatt-Guthaben auf SIM-Karten an

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Die Zentrale von Telefonica Deutschland in Düsseldorf. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
  • Ein Münchner verklagt Telefónica auf Zahlung von 320 000 Euro, der Konzern hatte mehr als 500 SIM-Karten des Mannes gesperrt, mit denen sich überraschend viel Guthaben sammeln ließ.
  • Nach dem ersten Prozesstag weist das Gericht darauf hin, dass es sich noch keine abschließende Meinung gebildet habe.
  • Das Risiko, den Prozess zu verlieren, liege für beide Seiten bei 50 Prozent.

Von Stephan Handel, München

In ein Handy passt normalerweise eine SIM-Karte, bei manchen Geräten auch zwei davon. Ein Mann aus München aber hat eine stolze Sammlung von 508 solcher Karten zuhause - und dass er offenbar einen Dreh gefunden hat, damit Geld zu verdienen, fand der Mobilfunk-Anbieter Telefónica gar nicht lustig: Er sperrte die Karten. Das sah der Mann nicht ein, am Donnerstag trafen sich die beiden Seiten vor dem Oberlandesgericht.

Die SIM-Karten stammen aus der Urzeit der Handy-Telefonie, also vom Anfang des Jahrtausends. Damals legte O 2 - das nun zu Telefónica gehört - einen Tarif für Prepaid-Karten auf, der eine Art Rabatt-System beinhaltete: Im Tarif "Easy money" erhält der Kunde für jeden eingehenden Anruf zwei Cent gutgeschrieben. Das funktionierte, solange es noch keine Flatrates für das Telefonieren mit dem Handy gab - der Anruf kostete pro Minute neun Cent, also auf jeden Fall mehr als die Erstattung von zwei Cent.

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Mit der Einführung von Flatrates änderte sich das: Nun kostete der einzelne Anruf gar nichts mehr, durch die monatliche Pauschale war alles abgegolten. Es gab aber immer noch die Easy-Money-SIMs. Und da fanden nun findige Freaks einen Weg, Einkommen zu generieren: Über automatische Wahlwiederholungen ließen sie massenhaft ihre Easy-Money-Handys anrufen. Ob der Münchner ebenfalls solche technischen Hilfsmittel verwendet hat, ist unklar. Klar ist aber, dass ganz schön was zusammenkam: Auf 210 000 Euro belief sich im Jahr 2015 sein Easy-Money-Guthaben, bis Telefónica den Braten roch, die Karten sperrte und die Verträge kündigte. Dagegen klagt der Mann jetzt - zumindest möchte er das Guthaben ausgezahlt bekommen, dazu noch 14 000 Euro Auflade-Guthaben und einen angeblichen Sammlerwert der Karten in Höhe von rund 100 000 Euro. "Das wirft zahlreiche spannende Rechtsfragen auf", sagt Herbert Lechner, der Vorsitzende des 8. Senats.

Zunächst: Zwar steht in der Beschreibung des Tarifs, Barauszahlung des Guthabens sei nicht möglich - was aber passiert mit der aufgelaufenen Summe, wenn Telefónica den Vertrag kündigt, wie in diesem Fall geschehen? Das ist zwar nirgends geregelt - aber es wäre ja zu leicht für den Anbieter, wenn er sich durch Kündigung einfach der Kunden entledigen könnte, die ein zu hohes Guthaben angesammelt haben. "Easy Money muss man dann irgendwann auch kriegen können", sagt Richter Lechner.

Natürlich verweist der Telefónica-Anwalt in diesem Moment darauf, dass bei normaler Nutzung des Tarifs ja überhaupt kein Guthaben entstehen könne - da kann ihm Lechner aber auch nicht weiterhelfen: Wenn der Anbieter ein Geschäftsmodell ermögliche und ein Kunde das dann nutze, sei das noch nicht unbedingt missbräuchlich oder sittenwidrig.

Das Gericht weist darauf hin, dass es sich noch keine abschließende Meinung gebildet habe, dass aber das Risiko, den Prozess zu verlieren, für beide Seiten bei 50 Prozent liegt. Deshalb schlägt es einen Vergleich vor: Die 14 000 Euro Auflade-Guthaben müssen auf jeden Fall zurückbezahlt werden. Der angebliche Sammlerwert der Karten fällt unter den Tisch, und vom Easy-Money-Money bekommt der Kläger die Hälfte, insgesamt also 119 000 Euro. Telefónica will aber nur 25 000 Euro bezahlen - der Richter rät eindringlich, den Vergleichsvorschlag im Unternehmen zu bedenken: "Sonst bekommen Sie am Ende ein Urteil, in dem Sätze stehen, die Ihnen nicht gefallen." Und auf die sich dann andere Leute berufen könnten, die mehr als eine SIM-Karte brauchen, wozu auch immer.

© SZ vom 06.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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