Hacken, Programmieren, Coden - sofort schießen Bilder in den Kopf. Grüne Schrift auf schwarzem Grund. Menschen, deren Gesichter in düsteren Räumen nur von Bildschirmen und dem Blinken der Server bestrahlt werden. Setzt man dann Hollywoods schmale schwarze Sonnenbrille aus der Matrix-Trilogie ab, bleiben die Großraumbüros der Tech-Unternehmen mit ihrem Müsli und ihren Obstkörben oder die gut beleuchteten Computerräume der Informatikfakultäten. Und doch haben diese beiden Bilder eins gemeinsam: Meist denkt man an Männer.
Anders ist das an diesem Abend im Chaos Computer Club München. Die Menschen, die kurz von ihren Laptops hochblicken, wenn man den Raum betritt, sind allesamt FNTI. Das Akronym steht für Frauen, nicht-binäre, trans und intergeschlechtliche Personen. Einmal im Monat sind die Räume für diejenigen reserviert, die sich sonst im Bereich von Informationstechnologien nicht in der Mehrheit wiederfinden, keine cis Männer sind. In elf Prozent der deutschen IT-Unternehmen arbeitet keine einzige Frau, in 76 Prozent der Unternehmen liegt der Frauenanteil unter 25 Prozent.
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"F.U.C.K. - FNTI* und Computer Kram" heißt die Veranstaltung im Hackerspace des Chaos Computer Club (CCC). Hackerspaces sind Orte, an denen Hacker, Künstlerinnen und Menschen mit Affinität für IT-Themen zusammenkommen und gemeinsam programmieren und tüfteln. Und bei "F.U.C.K." sind diese Menschen nur FNTI-Personen.
Doch warum braucht es solche Räume noch? "Es gibt im CCC-Umfeld durchaus viele problematische cis Männer", sagt Laura Hausmann. Die 20-Jährige hat sich gerade eine Mate am Getränkeautomat geholt. Das Getränk ist hier sehr beliebt, fast alle haben eine Flasche vor sich stehen. Seit einem halben Jahr besucht Laura das offene FNTI-Treffen. Sie kommt dafür extra nach München. "Es ist schön, wenn man Räume hat, in denen diese Männer auch mal nicht da sind", findet sie, "damit man diese Probleme besprechen kann."
Die Strickmaschine kommt an diesem Abend sehr gut an
Die Männer, um die es geht, würden durch ungewollte Berührungen, Kommentare oder ihr Auftreten auffallen, "bei dem man sich eigentlich eher wünscht, woanders zu sein", so empfindet es Laura. "Auch wenn man selbst nicht betroffen ist, aber sieht, wie diese Männer über andere Frauen oder trans Personen reden, da wird einem dann ganz anders", sagt sie. Sie wurde in Salzburg geboren, bei ihrer Geburt wurde ihr noch das männliche Geschlecht zugewiesen, sie identifiziert sich als transfeminin. Sie mag die entspannte Atmosphäre hier.
Auch an diesem Mittwochabend ist es ungezwungen. Sieben Menschen sitzen vor ihren Laptops an einem großen Tisch, zwei Schülerinnen der Meisterschule für Design schauen auf den Couchen in ihre iPads und machen sich Notizen. Im Hintergrund läuft Pop-Rock, und immer wieder mal kommt ein Gespräch auf. Nicht die Probleme stehen im Mittelpunkt, sondern das, was Hackerspaces eigentlich normalerweise auszeichnen sollte: "Orte, an denen Menschen zusammenkommen, die ein gemeinsames Interesse an IT-Themen haben, egal ob sie dort Musik hören und programmieren oder nur zusammen quatschen", sagt Laura.
Ziel des Abends sei es immerhin auch, dass sich dort Menschen hin trauen, die sonst vielleicht nicht kommen würden, sagt Leah Neukirchen. Sie ist schon länger im CCC München aktiv und hat es oft erlebt, dass es bei vielen nicht cis männlichen Personen Berührungsängste mit Hackerspaces gibt. Allein schon, weil das Thema gesellschaftlich und in den Medien männlich konnotiert sei. "Wir hatten echt schon mehrere Leute, die zu uns gekommen sind, und gemeint haben: Zum CCC hätte ich mich nie getraut, wenn es nicht dieses Angebot gäbe", erzählt sie. "Auch weil explizit trans und queere Personen inkludiert werden", fügt Laura an.
Leah führt bei den Treffen alle, für die es der erste Abend im Chaos Computer Club ist, durch die verschiedenen Räume. Fast ein wenig stolz zeigt sie die technischen Spielereien, den Beamer, der sich per Knopfdruck um 360 Grad drehen lässt. Von der Seite des Raumes, an der ein Ständer mit diversen Kabeln steht, bis zur gegenüberliegenden Seite, wo neben den Couchen eine Schaufensterpuppe die Trans-Flagge in der Hand hält. Weiter geht es ins Labor mit 3D-Druckern und Lötgeräten, an den Wänden hängen jede Menge Zangen und anderes Werkzeug. Im Eck steht eine Strickmaschine, mit der sich je nach Programmierung verschiedene Schriftzüge stricken lassen. Besonders die Designschülerinnen sind von ihr begeistert. Im Party-Keller riecht es vom Vorabend noch ein wenig nach Zigaretten, und im Gaming-Raum nebenan muss aufgrund der Wärme, die die dortigen Server produzieren, nicht geheizt werden. Angesichts der Nebenkostenabrechnungen in diesem Winter vielleicht gar nicht so schlecht.
"Wow, das sind Leute, die sind so wie ich", dachte sie sich
Überall finden sich Sticker und Plakate - eine Ästhetik, die man auch aus anderen linken Räumen kennt. Den altbekannten runden Aufkleber mit der schwarzen und roten Flagge im Zentrum sieht man neben LGBTQ-Pride Stickern auch auf den Rückseiten der Laptops. Die Schaufenster des CCC sind durch Plakate blickdicht. Fast mystisch, magisch wirkt es, wenn man vor dem Gebäude steht und das Licht durch die Schlitze nach außen dringt.
Ein bisschen magisch, so empfand auch Laura ihre ersten Erfahrungen mit der Chaos-Community. Auf ihrem ersten "Chaos Communication Congress", dem jährlich stattfindenden Treffen der Hackerszene, war sie "total geflasht" davon, dass es dort im internen Telefonnetzwerk eine Nummer gibt, für Menschen wie Laura, die auf dem Autismus-Spektrum sind. Wenn man Probleme in diese Richtung hat, kann man dort anrufen und wird dann in einen Ruheraum gebracht, um runterkommen zu können, erzählt sie. "Als ich das gesehen habe, das erste Mal, habe ich mir gedacht: Wow, das sind Leute, die sind so wie ich. Die verstehen, wie das ist. Und es wird einfach eine Umgebung geschaffen, wo man sich nicht wie in der restlichen Gesellschaft wie ein Außenseiter fühlt, sondern wo man denkt, jetzt bin ich endlich dort, wo alle normal sind."
Und so sei es letztendlich auch im queeren Teil des CCC - "eine Subkultur einer Subkultur", wie Laura es nennt. "Dort sind Leute so wie ich und die verstehen die Probleme, die ich jeden Tag habe, da fühle ich mich wohl", sagt sie mit ihrem leichten salzburgerischen Akzent.
Und trotz alledem: Misogynie und Sexismus finden sich auch in der Hacker-Community wieder. "Tech Bro" nennt Laura diesen Typus Mann. "Das sind Leute, die meist immer noch an Menschen wie Richard Stallman und der Free Software Foundation hängen, und das sind meistens sehr unangenehme Persönlichkeiten, die fast immer cis männlich sind," sagt sie. Richard Stallman, der Gründer der Free Software Foundation, kam in die Kritik, als er den damaligen Wissenschaftler am MIT, Marvin Minsky, verteidigte, dem im Fall Epstein vorgeworfen wurde, eine Minderjährige vergewaltigt zu haben. In veröffentlichten internen E-Mails sprach er davon, dass sich das Opfer Minsky gegenüber wahrscheinlich als willig präsentiert habe und dass es absurd sei, die Definition von Vergewaltigung davon abhängig zu machen, in welchem Land der Vorfall passiert sei und welche Altersgrenze zur Minderjährigkeit dort gelte.
An einem anderen Abend trauten die Design-Schülerinnen sich nicht rein
Laura denkt nicht, dass diese Probleme in der Chaos-Community schlimmer sind als im Rest der Gesellschaft oder anderen Gruppen. Aber natürlich seien "Tech-Bros" ein spezifisches "Hackerspace-Problem, sagt sie. Und deshalb seien Angebote wie "F.U.C.K." so wichtig. In Salzburg war sie bei den meisten öffentlichen Tagen des dortigen Hackerspace "die Frauenquote", wie sie sagt. Und auch bei den offenen Dienstagen in München, "an denen der Club für alle Menschen, die Interesse haben, offensteht, kamen sehr wenige Frauen, und viele, die auch regelmäßig kamen, haben keinen Anschluss gefunden", erzählt Leah.
Die beiden Schülerinnen der Designschule, waren auch am vorherigen Abend bereits im CCC, an dem der Club für alle Menschen geöffnet war. "Wir standen auch 15 Minuten davor, und haben uns gedacht, da sitzen so viele Männer, wir trauen uns nicht rein", erzählt eine von ihnen.
Und doch sieht Leah eine positive Entwicklung. "Inzwischen trauen sich immer mehr FNTI-Personen in die Hackerspaces, es gab schon offene Dienstage, wo zufällig mal mehr FNTI-Personen da waren als cis Männer", sagt sie. Und vielleicht kommt in Zukunft ja auch mal in München das vor, was Laura in Berliner Hackerspaces schon an einzelnen Tagen erlebt hat. Dass die Quote der cis Männer hin und wieder mal gegen null geht. Ohne, dass vor dem Abend "F.U.C.K." stehen muss.