Neues Polizeiaufgabengesetz:"Ich bin es leid, wie die CSU unsere Freiheit scheibchenweise kassiert"

Lesezeit: 2 min

Das Bündnis "Schlimmer geht immer - Nein zum PAG 2.0" hat zur Demo aufgerufen. (Foto: Robert Haas)

Ein breites Bündnis demonstriert gegen die geplante Novelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, die am Dienstag verabschiedet werden soll.

Von Tom Soyer, München

Viel Polizei hat sich zum Schutz dieser Demonstration am Sonntagnachmittag weit über die Münchner Theresienwiese verteilt, und das ist schon deshalb nicht verkehrt, weil es auf dem Podium ja um die Aufgaben der Polizei geht: Was die vielen Beamten schützen, ist eine große Protestkundgebung gegen die geplante Novelle des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG), die eine Mehrheit von CSU und Freien Wählern am Dienstag im Landtag beschließen will. Das Bündnis "Schlimmer geht immer - Nein zum PAG 2.0" hat deshalb nach eigenen Angaben gut 2000 Menschen mobilisiert. Die Polizei zählt auch und kommt auf 1300.

Die Kundgebung verläuft so friedlich, wie von der Polizei erwartet. Der demokratische Zorn entzündet sich dabei vor allem an einer geplanten Verschärfung des PAG, der sogenannten Zuverlässigkeitsprüfung. Die, so argumentieren Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Hermann, sei nur fürs Sicherheitspersonal bei Veranstaltungen gedacht. Aber dann hätte das auch präzise so in den Gesetzentwurf geschrieben werden müssen, entgegnet das NoPAG-Bündnis und wittert ein Instrument, das die Freiheit aller Bürgerinnen und Bürger beschränken könnte, die künftig eine Veranstaltung - wie beispielsweise diese Demo auf der Theresienwiese - besuchen wollen.

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Nach einer Münchner Großdemonstration mit Zigtausenden gegen die PAG-Änderungen im Jahr 2018 hatte die CSU-geführte Staatsregierung zwar angekündigt, den Gesetzentwurf zu entschärfen. Was nun jedoch beschlossen werden soll, missfällt einem breiten Bündnis fundamental: Parteien wie SPD, Grüne, FDP und Linke, mehr als 30 zivilgesellschaftliche Organisationen von den "Löwenfans gegen Rechts" und den Motorradrockern vom Club "Kuhle Wampe" bis hin zum Bayerischen Flüchtlingsrat erheben auf der Theresienwiese ihre Stimme dagegen.

"Ich bin heute nicht hier, um gegen die Polizei zu protestieren", stellt der FDP-Bundestagsabgeordnete Daniel Föst dabei klar, "aber ich bin es leid, wie die CSU unsere Freiheit scheibchenweise kassiert!" Sogar "Präventivhaft" ermögliche das geplante Gesetz, kritisiert Simon Strohmenger als Sprecher des Bündnisses und Vertreter von "Mehr Demokratie", das sei eine "Vergeheimdienstlichung unserer Polizei". "Im Extremfall kann jeder von Euch im Vorfeld einer Veranstaltung überprüft werden, ob er zuverlässig ist und überhaupt ins Konzert oder Stadion darf." Von Entschärfungen des PAG könne also keine Rede sein, "es ist eher schlimmer geworden", so Strohmenger.

Weit mehr als tausend Menschen fanden sich am Sonntag auf der Theresienwiese zum Protest gegen das Polizeiaufgabengesetz ein. (Foto: Robert Haas)

Sollte es am Dienstag tatsächlich so beschlossen werden, sei aber längst noch nicht alles verloren, ergänzt er. Denn noch seien einige Verfassungsklagen anhängig dagegen - Margarete Bause von den Grünen und Carmen Wegge vom SPD-Landesvorstand bekräftigten in ihren Redebeiträgen, dass ihre Parteien die bestehenden Popularklagen noch ergänzen werden, sollte die angestrebte "Zuverlässigkeitsprüfung" Bestandteil des PAG werden.

CSU und Freie Wähler verfolgten nach Bauses Ansicht "nach wie vor ein verfassungswidriges Gesetz", sie seien angesichts des gebrochenen Versprechens von 2018, das PAG zu entschärfen, "nicht resozialisierbar". Söder und Hermann bezeichnete sie als "Rückfalltäter", Freiheitsrechte seien da in schlechten Händen, und es dürfe nicht sein, "dass wir da in chinesische Verhältnisse hineinschlittern". Sie wisse sehr wohl, "dass viele in der Welt uns um unsere Freiheitsrechte beneiden - aber deshalb müssen wir sie auch verteidigen".

Während Demo-Teilnehmer Tafeln mit Texten wie "Söder, kleiner Bösewicht, mit Grundgesetzen spielt man nicht" hochhalten, warnt der bayerische Landessprecher der Linken, Ates Gürpinar, davor, sich von Söder täuschen zu lassen. Der umarme schon mal Bäume und grenze "sich mal eben gegen Rechts ab", wenn dies nütze, zeige beim PAG "aber sein wahres reaktionäres Gesicht". An Freie Wähler und CSU gerichtet ergänzt er: "Man wählt diese Parteien nicht - man organisiert Widerstand dagegen!" Johannes König, der dem NoPAG-Bündnis angehört, differenziert am Mikrofon: "Die CSU macht das, und die feigen Freien Wähler machen die Steigbügelhalter dabei."

Einen einzigen Zwischenfall verzeichnet die Demo am Ende: Ein Grüppchen von acht Querdenkern macht in der Menge Stunk, wird abgedrängt, bekommt von der Bühne distanzierende Worte ("Corona-Leugner, verpisst Euch!") zu hören - und trollt sich.

© SZ vom 19.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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