Tegernseer Landstraße:Investor soll auch günstige Wohnungen bauen

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Die Stadt geht bei einem Grundstück an der Tegernseer Landstraße neue Wege beim Kampf um bezahlbaren Wohnraum. Es ist ein Erfolg für die Linke im Stadtrat.

Von Sebastian Krass

Auf das Vorkaufsrecht hat die Stadt verzichtet, aber nun versucht sie, trotz rechtlicher Risiken den Bau von neuem bezahlbaren Wohnraum an der Tegernseer Landstraße in Giesing zu erzwingen: Die grün-rote Rathauskoalition wird nach SZ-Informationen in der nicht-öffentlichen Sitzung des Planungsausschusses am Mittwoch Stadtbaurätin Elisabeth Merk beauftragen, für das Grundstück mit der Adresse Tegernseer Landstraße 101 einen so genannten "sektoralen Bebauungsplan" in die Wege zu leiten.

Es handelt sich um ein neues Instrument im Baugesetzbuch, das in München erstmals zum Einsatz käme. Die Stadt würde damit dem Eigentümer vorschreiben, dass er nicht - wie bisher geplant - etwa 70 frei finanzierte, also hochpreisige Wohnungen bauen darf, sondern dass auch geförderter und preisgedämpfter Mietwohnungsbau entstehen muss.

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Man werde in der Ausschusssitzung einen entsprechenden Änderungsantrag zu Merks Vorlage beschließen, heißt es aus der Fraktion von SPD/Volt. Die Fraktion von Grünen/Rosa Liste bestätigt das und ergänzt, man werde 40 Prozent preisregulierten Wohnraum fordern, das entspräche etwa 30 Wohnungen. In der Vorlage, die der SZ vorliegt, lehnt Merk einen sektoralen Bebauungsplan an dieser Stelle ab. Sie verweist auf "rechtliche Risiken und Unwägbarkeiten", etwa "die derzeit nicht kalkulierbare Höhe der Entschädigungsleistung" an den Grundstückseigentümer.

Der Vorgang ist auch politisch interessant, verschafft Grün-Rot doch damit der oppositionellen Fraktion Die Linke/Die Partei einen Erfolg. Denn die forderte in einem von Stadtrat Stefan Jagel und Stadträtin Brigitte Wolf initiierten Antrag den sektoralen Bebauungsplan ein, nachdem die grün-rote Koalition im Juli wegen der angespannten Haushaltslage auf das Vorkaufsrecht verzichtet hatte. Dieses stand ihr zu, weil für diesen Teil Giesings eine Erhaltungssatzung gilt, die das Ziel hat, Stadtviertel vor übermäßiger Aufwertung zu bewahren. Letztlich ging das Grundstück für 22 Millionen Euro von einem privaten Verkäufer an eine Tochtergesellschaft des Wiener Bauträgers Süba, die nach eigener Auskunft "besonders ressourcenschonende und energieeffiziente Mietwohnungen" plant, Projektname "Raintal-Höfe".

Das fragliche Grundstück befindet sich auf dem Abschnitt der Tegernseer Landstraße (Tela) zwischen U-Bahn-Station Silberhornstraße und Grünwalder Stadion. Es ist von der Tela aus nur durch einen Hofdurchgang zu erreichen. Das Areal erstreckt sich aber nach hinten bis zur Raintaler Straße und hat einen seitlichen Zugang an der Perlacher Straße. Derzeit ist es kaum bebaut, die Lokalbaukommission (LBK) hat ermittelt, dass dort ein Baurecht von gut 6200 Quadratmetern besteht. Da es für das Karree bisher keinen Bebauungsplan gibt, greift Paragraf 34 des Baugesetzbuches, demzufolge ein neues Bauprojekt sich im "unbeplanten Innenbereich" von der Größe in die Umgebung einfügen muss.

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Vorgaben zur Art des Wohnraums sind nicht möglich, mit der Folge, dass in diesen "34er-Gebieten", zu denen große Teile der Innenstadt gehören, stets hoch- bis höchstpreisige Wohnungen entstehen. Um Kommunen in diesen Gebieten mehr Handlungsspielraum zu geben, hat der Bundestag im Frühjahr den sektoralen Bebauungsplan eingeführt.

In ihrer Vorlage führt Merk aus, dass Grundstücke durch Vorgaben aus so einem Bebauungsplan wesentlich an Wert verlören. In welchem Ausmaß die Kommune das entschädigen müsste, sei offen, auch weil "noch keine Rechtssprechung" vorliege. Theoretisch könnte die Stadt die Wertminderung kompensieren, in dem sie dem Investor zusätzliches Baurecht zuspreche. Das scheide in diesem Fall aber aus, weil eine noch dichtere Bebauung "städtebaulich wohl nicht mehr verträglich" sei.

Linken-Stadtrat Stefan Jagel sagt, er könne sich zum Inhalt der nicht-öffentlichen Vorlage nicht äußern. "Generell aber ist es doch so", erklärt er, "dass sektorale Bebauungspläne bezahlbaren Wohnraum in Gebieten schaffen sollen, wo es sonst nicht möglich wäre. Wenn eine Stadt das nicht nutzen würde wegen angeblicher rechtlicher Risiken, wäre das absurd." Zur Not, sagt Jagel, "muss das eben vor Gericht geklärt werden".

© SZ vom 06.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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