Bayerische Staatsgemäldesammlungen:Pinakotheken sollen Gemälde zurückgeben

Das Zitronenscheibchen; Jacob Ochtervelt

Der Niederländer Jacob Ochtervelt malte "Das Zitronenscheibchen" um 1667.

(Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen)

"Das Zitronenscheibchen" von Jacob Ochtervelt soll den Erben eines Berliner Bankiers überbracht werden, empfiehlt die ehemalige Limbach-Kommission - "aus moralisch-ethischen Erwägungen".

Von Susanne Hermanski

München/Berlin - Seit 2012 rang man um eine Entscheidung. Jetzt ist sie da und womöglich von salomonischer Weisheit. Die Limbach-Kommission, jetzt "Beratende Kommission", hat entschieden, dass die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen das Gemälde "Das Zitronenscheibchen" von Jacob Ochtervelt an die Erben des Berliner Bankiers Carl Hagen (1856-1938) zurückgeben sollen, weil es sich dabei um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut handelt. Sollten die Erben das Gemälde jedoch innerhalb der kommenden zehn Jahre verkaufen, soll der Freistaat Bayern zur Hälfte am Erlös beteiligt werden. Grund für diese ungewöhnliche Auflage in einem Restitutionsfall: Die empfohlene Rückgabe stützt sich nach Angaben der Kommission nicht auf eine juristische Bewertung, "sondern ausschließlich auf moralisch-ethische Erwägungen". Deshalb werde die Beteiligung des Freistaats am Erlös empfohlen.

Anders als in den meisten Fällen von Raubkunst, über die in den vergangenen Jahren entschieden wurde, befand sich "Das Zitronenscheibchen" nicht im Privatbesitz der Bankiersfamilie Hagen und hing etwa in deren Wohnung. Es war als Bankeinlage eines Schuldners hinterlegt. Die Staatsgemäldesammlungen, die das Gemälde zusammen mit einem größeren Konvolut in den späten Achtzigern von einem Mitglied der Familie Thyssen erwarben, sahen "Das Zitronenscheibchen" bislang als wirtschaftliches Eigentum jenes Schuldners - des Regierungsrats Carl Thürling. Er hatte seit den Zwanzigerjahren 20 Bilder für einen sechsstelligen Kredit bei der Bank Hagen & Co. beliehen.

Zweifelsfrei fest steht dennoch, dass die Familie Hagen während des Nationalsozialismus schwerstes Unrecht erlitten hat. Ihr Bankhaus wurde als "nicht arisch" aufgelöst. "Die erzwungene Liquidierung hat keine Mittel freigesetzt, über die die Familie frei hätte verfügen können. Ihre eigene Kunstsammlung ist durch Verfolgung und Krieg verloren gegangen. Das Gemälde bündelt die familiären Erinnerungen an diese furchtbare Leidensgeschichte", heißt es im Bericht der Kommission.

Das Gemälde von Jacob Ochtervelt war zur Zeit der erzwungenen Banken-Liquidation rund 200 000 Reichsmark wert. Für zusätzliche Aspekte im Restitutionsverfahren sorgte, dass die Erben des Bankiers im Jahr 1950 ihre Restitutionsansprüche im Hinblick auf "Das Zitronenscheibchen" zurückgenommen hatten. Zur Begründung gaben auch sie damals die speziellen Eigentumsverhältnisse im Hinblick auf die Schuldner an. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen erklärten nun, man habe die Empfehlung zur Kenntnis genommen und werte zunächst intern die Begründung aus.

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