Pasing:Wertstoffinseln auf der grünen Wiese

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Protest auf der Wiese für die Wiese: Anwohner des Grüns an der Pasinger Wilhelm-Hey-Straße wehren sich gegen die dort geplante Wertstoffinsel. (Foto: Privat)

Während die Stadtverwaltung versucht, die Zahl der Container-Standorte zu erhöhen, formiert sich gegen viele Sammelstellen Widerstand. Die Lokalpolitiker haben wenig mitzureden, bekommen aber den ganzen Ärger ab

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Auf dem Rasen vor der Turnhalle der Anne-Frank-Schule sind Plakate ausgelegt. "Wahnsinn im BA: Spielwiese soll Müllcontainern weichen!!", heißt es da, oder "Kein Müll auf unserer grünen Wiese!" Dann kommt ein Polizeibeamter und bittet die Protestler, es sind Anwohner der Grünanlage an der Wilhelm-Hey-Straße, die Plakate einzurollen. Es gibt ein paar Diskussionen mit dem Ordnungshüter, aber alle gehorchen, auch weil sie ihr Anliegen direkt bei den Mitgliedern des Bezirksausschusses (BA) Pasing-Obermenzing los werden wollen. Drinnen in der Turnhalle beginnt die Sitzung des Gremiums. Über 20 Leute nehmen nun an Schulpulten Platz, die über den Sportsaal verteilt sind. Zusätzlich zu den 31 Lokalpolitikern. Die wissen, warum ihre Sitzung an diesem Abend so gut besucht ist. Es geht um einen umstrittenen, bereits genehmigten Wertstoffcontainer-Standort. Um einen von vielen.

Aktuell gibt es 52 Wertstoffinseln im Stadtbezirk. Geht man von einer Einwohnerzahl von circa 75 000 in Pasing und Obermenzing aus, dann müssten es nach den Empfehlungen der bayerischen Staatsregierung aber etwa 75 Standorte sein, um ein möglichst dichtes Netz zu schaffen. Doch es regt sich Widerstand. Mehr als 20 Protestschreiben von Bürgerinnen und Bürgern sind in den vergangenen Wochen und Monaten alleine wegen des Standorts auf dem Anger an der Wilhelm-Hey-Straße eingegangen. Die Menschen, das wollen sie nun in der Turnhalle der Anne-Frank-Schule live anbringen, fürchten um ihre Spiel- und Liegewiese. Immer mehr Finger gehen in die Höhe, als BA-Chef Frieder Vogelsgesang (CSU) den Tagesordnungspunkt "Bürgersprechstunde" aufruft.

Das Grün sei ein Refugium für Vögel und Bienen, sagt jemand. Anderen geht es um den zunehmenden Lärm, das erhöhte Verkehrsaufkommen, das mit der Wertstoffinsel in ihre ruhigen Straßen hineinbrechen werde. Sie haben deshalb Angst um ihre Kinder, auch um die Schüler, die in der Nähe ein Internat für Hörbehinderte besuchen. Man verweist auf über 100 Unterschriften, die gegen den Standort gesammelt wurden. Ein Anwohner-Sprecher versichert, dass man nicht nur opponieren wolle, sondern lösungsorientiert sei und deshalb Alternativstandorte vorschlage, beispielsweise den Avenariusplatz bei den Schulen. Dort würden wohl keine Anwohner gestört. "St-Florians-Prinzip" ist da so ein Stichwort, denn auch Anwohner des Containerstandorts Paosostraße sind in der Turnhalle. Es entspinnt sich ein Wortwechsel. Frieder Vogelsgesang muss verbal dazwischen gehen.

Zu wenige Sammelstellen: 52 Wertstoffinseln gibt es im Stadtbezirk Pasing-Obermenzing. Bezogen auf die Einwohnerzahl müssten es aber 75 sein. (Foto: Florian Peljak)

Und der Vorsitzende muss an dieser Stelle, um Erwartungen zu dämpfen und Schuldzuweisungen abzuwehren ("Wahnsinn im BA"), den Bürgern mal grundsätzlich die Rolle des Bezirksausschusses in dieser heiklen Problemlage erklären: Vorschläge für Standorte für Wertstoffinseln können Bürger einbringen, Mandatsträger und die Entsorgerfirmen selbst. Anhand der Checkliste "Kriterien für neue Wertstoffinseln", die der Abfallwirtschaftsbetrieb München herausgegeben hat, werden diese dann von den Entsorgern, dem Baureferat und dem Kreisverwaltungsreferat auf ihre Eignung überprüft. Wenn ein Standort schließlich auserkoren und vom Betreiber beantragt ist, wird der Bezirksausschuss in diesem Genehmigungsverfahren, das ist Vogelsgesang an diesem Abend wichtig zu betonen, "lediglich angehört".

Auch zur Checkliste bekommen die Bürger Informationen. Diesmal von Rüdiger Schaar, dem Vorsitzenden des BA-Unterausschusses Umwelt. Es gebe sogenannte harte Kriterien, die erfüllt sein müssen, ehe ein Standort in Frage kommen kann, wie etwa ein Mindestabstand von zwölf Metern zur nächsten Wohnbebauung bei Glascontainern. Die Behälter dürfen die Verkehrssicherheit nicht gefährden oder in der Nähe von Baudenkmälern stehen. Dann gibt es laut Schaar auch "weiche Kriterien", die leider nur sehr geringen Einfluss auf die Wahl eines Standortes hätten, "obwohl diese aus Sicht der Anwohner verständlich sind". Wie etwa die Angst vor Lärm, vor Ungeziefer, Ratten, oder die Gefährdung von Kindern durch Verkehr. All das, was die Anwohner der Wilhelm-Hey-Platz vorgebracht haben.

Der Bezirksausschuss befindet sich also zwischen allen Stühlen. Und die Anwohner vom Wilhelm-Hey-Platz, die ihrem Anliegen in der Sitzung Gehör verschafft haben, müssen sich an diesem Abend mit einer schlechten Nachricht abfinden: Der Bezirksausschuss wird am bereits genehmigten Wertstoffinsel-Standort am Wilhelm-Hey-Platz festhalten. Allerdings werde dort noch eine alternative Platzierung der Container geprüft. Und man werde den Standort Avenariusplatz nachdrücklich unterstützen, hieß es.

Zudem hatten die Lokalpolitiker in der Sitzung noch einen interfraktionellen Dringlichkeitsantrag zum Thema auf dem Tisch. Darin fordern sie selbst Transparenz bei den Verhandlungen des Kommunalreferats und des Abfallwirtschaftsbetriebs mit dem Dualen System über die Fortführung der Wertstoffentsorgung vom Jahr 2021 an. Weil ja sie, die Lokalpolitiker in den Stadtbezirken, es sind, die sich immer mit dem ganzen Ärger um die Wertstoffinseln herumschlagen müssen.

© SZ vom 13.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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