Neuperlach:So soll der neue Fritz Distrikt aussehen

Lesezeit: 3 min

Der "Fritz Distrikt" wird eng bebaut, mit zum Teil hohen Gebäuden. Im zuständigen Bezirksausschuss befürchtet man deshalb "Schluchtenbildung". (Foto: Frans Parthesius)

Mehr als 300 Wohnungen könnten auf dem Areal an der Fritz-Schäffer-Straße entstehen, außerdem Büros, Geschäfte, Cafés - und sogar ein Kino. Die Gebäude sollen zum Teil recht hoch werden, manche befürchten deshalb "Schluchtenbildung".

Von Patrik Stäbler

Es ist ein in mehrerlei Hinsicht ungewöhnliches Modell, über das sich an diesem Nachmittag im Shaere mehr als ein halbes Dutzend Architekten beugen. Ungewöhnlich groß, im Maßstab 1:100. Ungewöhnlich detailliert, mit allerlei Bäumen und Sträuchern sowie unzähligen bunten Figuren, die kreuz und quer durch den künftigen "Fritz Distrikt" in Neuperlach flanieren. Und vor allem: ungewöhnlich vielfältig. Schließlich stammt das Modell ebenso wie der Entwurf für das Areal an der Fritz-Schäffer-Straße, wo aktuell noch ein gewaltiges Bürogebäude thront, von vier verschiedenen Architekturbüros.

"Es ist kein Entwurf aus einem Guss", sagt Ina Laux. Vielmehr setze man bewusst auf ein heterogenes Gesamtwerk und eine "pluralistische Ästhetik", so die Architektin. Laux ist die Vorsitzende jenes Preisgerichts, das im Januar einen Gewinnerentwurf für das neue Quartier gekürt hat, das in einigen Jahren zwischen dem Einkaufszentrum Pep und der Ständlerstraße entstehen soll. Die siegreichen Pläne stammen vom Architekturbüro Site Practice aus Amsterdam und den Landschaftsarchitekten von ZUS aus Rotterdam; im Weiteren prämierte die Jury die Ansätze von Pool Architekten, Robert Neun und Mad Arkitekter. In der Folge arbeiteten sämtliche Büros gemeinsam an dem Entwurf weiter, wobei jedes für mehrere der neun geplanten Gebäude verantwortlich zeichnete, die im "Fritz Distrikt" - benannt nach der angrenzenden Fritz-Schäffer-Straße - entstehen sollen.

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Das Ergebnis ist ein durchaus ansehnliches Potpourri aus verschiedenartigen Bauten, die freilich dicht beieinanderstehen und bis zu 60 Meter in die Höhe ragen. Die im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach geäußerte Sorge vor einer "Schluchtenbildung" im neuen Quartier scheint beim Anblick des Modells also gerechtfertigt. Insgesamt sollen in den neun Gebäuden stolze 75 000 Quadratmeter Geschossfläche entstehen. Dazu kommen weitere 35 000 Quadratmeter im benachbarten Bürokomplex, der wie der geplante Distrikt dem US-Immobilienkonzern Hines gehört. Dort laufen aktuell die Sanierungsarbeiten; Ende 2023 ist der Einzug der ersten Mieter anvisiert.

Die neuen Gebäude sollen neben Büros und Wohnungen auch Restaurants, Cafés, eine Kita und ein Kino beherbergen. Dächer sollen öffentlich zugänglich sein. (Foto: Frans Parthesius)

Der östliche Teil des früheren Allianz-Gebäudes, das derzeit das Zwischennutzungsprojekt Shaere mit der Community Kitchen beheimatet, sollte ursprünglich abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Doch dann sei während der Planungen ein "Paradigmenwechsel" zum Tragen gekommen, der die gesamte Baubranche erfasst habe, sagt Ina Laux. So habe man im Zuge der Klimadebatte entschieden, statt eines Abrisses den Bestand größtenteils zu bewahren und somit "möglichst viel graue Energie zu erhalten". Der Siegerentwurf sieht nun vor, das derzeitige Gebäude wie mit einer Schere aufzutrennen, sodass - ergänzt durch Um- und Neubauten - insgesamt neun Bauwerke entstehen. Auf diesem Wege könne man circa 65 Prozent des Bestands erhalten, sagt Hennig Kiesewetter von der Firma Hines.

Was die Entwicklung der Umgebung angeht, ist das Modell ziemlich optimistisch

Die einzelnen Bauten haben die Architekten, so wie es in ihrer Branche zur Mode geworden ist, kurzerhand durchnummeriert - von Fritz 1 bis Fritz 9. Letzteres werde der freigestellte Kern des Bestandsgebäudes und das "Herz des Distrikts" sein, sagt Kristian Koreman von ZUS. "Hier soll alles zusammenkommen", betont der Landschaftsarchitekt - unter anderem auch ein Kino. Drumherum gruppieren sich die übrigen Fritze: Bürokomplexe, Wohntürme und Hochhäuser, die mit ihren öffentlich zugänglichen Dächern sowie den Geschäften, Cafés, Restaurants und einer Kita im Erdgeschoss für Leben sorgen sollen.

Aktuell strebe man dort einen Wohnungsanteil von 35 bis 40 Prozent an, was 300 bis 350 Wohnungen gleichkomme, sagt Hines-Vertreter Hennig Kiesewetter. Er äußert die Hoffnung, dass das notwendige Bebauungsplanverfahren bis 2025 abgeschlossen sein wird. Widerspruch gibt es hier jedoch von Ute Michel-Grömling vom städtischen Planungsreferat, die betont: "Der Erfahrung nach dauert solch ein Verfahren auch mal drei, vier oder fünf Jahre."

Ein zentrales Ziel des vorliegenden Entwurfs ist laut den Architekten, das neue Quartier nach Norden zu öffnen - dorthin also, wo aktuell Fahrzeuge auf der autobahnartigen Ständlerstraße vorbeirauschen. Hier plant die Stadt einen größeren Umbau, wobei die Überlegungen von einem Hoch-Radweg auf Stelzen bis zu einer Tramlinie reichen. "Wir wissen noch nicht, wie sich die Umgebung im städtebaulichen Kontext weiterentwickeln wird. Wir wissen nur, dass sie sich weiterentwickeln wird", sagt Ina Laux - auch mit Blick auf die Albert-Schweitzer-Straße, die ihr zufolge zu einem "sehr ambitionierten Boulevard" werden soll. Im Modell der Architekten jedenfalls ist dies bereits realisiert. Ebenso findet sich dort entlang der Ständlerstraße ein hübscher Park mit Sportflächen. Insofern erscheint das Modell nicht nur ungewöhnlich groß, ungewöhnlich detailgetreu und ungewöhnlich vielfältig, sondern auch: ziemlich optimistisch.

Die Wettbewerbsergebnisse zum "Fritz Distrikt" sind im Rahmen einer Ausstellung noch bis Freitag, 23. Juni, täglich von 10 bis 18 Uhr im Shaere zu sehen.

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