Trotz steigender Zulassungszahlen hat der Autoverkehr in München leicht abgenommen. Dafür sind mehr Radlerinnen und Radler unterwegs. Das Mobilitätsreferat hat nun zum zweiten Münchner Mobilitätskongress neue Zahlen zur Verkehrsentwicklung in der Stadt vorgelegt. Demnach ist der Autoverkehr um fünf Prozent zurückgegangen, der Radverkehr hat dagegen um 30 Prozent zugelegt. Die Angaben beziehen sich auf die erste Jahreshälfte 2023 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019. Damit wollte das Mobilitätsreferat verzerrende Effekte aus der Zeit während der Corona-Pandemie vermeiden, in der wegen der Lockdowns der Verkehr allgemein drastisch zurückgegangen war.
Das Radverkehrsaufkommen wird in München an sechs Stellen mit Sensoren unter der Asphaltdecke gemessen: In der Arnulfstraße beim Hauptbahnhof, am Birketweg nahe des Hirschgartens, in der Bad-Kreuther-Straße in Berg am Laim, der Erhardtstraße beim Deutschen Museum, der Margaretenstraße am Harras und am Rudolf-Harbig-Weg im Olympiapark. Den Autoverkehr erfassen im Stadtgebiet rund 800 Sensoren, 200 davon liegen auf freier Strecke wie dem Mittleren Ring, der Rest ist an Ampelkreuzungen verbaut.
Datenanalyse:Die Münchner fahren so viel Fahrrad wie noch nie
An welchen Tagen schwingen sich die Menschen auf den Sattel? Zu welcher Uhrzeit? Welche Rolle spielen Wetter und Jahreszeit? An verschiedenen Stellen in der Stadt zählen Sensoren den Radverkehr - und geben erstaunliche Einblicke.
Präsentiert wurden die Zahlen am Sonntag von Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne). Für Jubel gebe es aber keinen Anlass, sagte sie. "Denn von unseren Zielen beim Mobilitätsmix sind wir noch weit entfernt." Dennoch sei die Entwicklung ermutigend. Sie zeige, dass klimaschonende und platzsparende Verkehrsmittel in München Konjunktur hätten und die Menschen bereit seien umzusteigen. "Unsere Aufgabe ist es nun, aus einem ersten Trend eine langfristige Entwicklung zu machen. Dies schaffen wir insbesondere durch ein besseres Angebot beim ÖPNV, sichere Rad- und Fußwege, eine massive Ausweitung von Carsharing - und gut gemachte Bürgerbeteiligung." Die Verkehrswende in München habe das Potenzial, zu einem Erfolg zu werden, "wenn wir den eingeschlagenen Weg weiter konsequent verfolgen", so Habenschaden.
Im Nahverkehr sind wieder fast so viele Menschen unterwegs wie vor Corona
Im öffentlichen Verkehr haben die Fahrgastzahlen laut Mobilitätsreferat wieder annähernd das Niveau der Zeit vor Corona erreicht. Doch die große Nachfrage im ÖPNV ist für die Stadt Segen und Fluch zugleich, das gilt nicht nur in München. Denn für die Verkehrswende reicht es nicht, die Preise zu senken. Ingo Wortmann, Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und gleichzeitig Präsident des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen, erläuterte am Montag, dass man den Ausbau des Angebots nicht vergessen dürfe. Und hier fehlen durch das günstige Deutschland-Ticket, das derzeit noch für 49 Euro zu haben ist, den Verkehrsunternehmen die Einnahmen.
Von den Verkaufszahlen her ist das Ticket ein Erfolg. Deutschlandweit wurden laut Wortmann elf Millionen Abos verkauft. Rund 46 Prozent der Nutzer sind von einem bestehenden Abo umgestiegen, etwa 44 Prozent waren vorher bereits ÖPNV-Kunden, aber ohne Abo, acht Prozent nutzten vorher den ÖPNV so gut wie nie (Differenz zu 100 Prozent rundungsbedingt). Bund und Länder stellen dafür jeweils 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Eventuelle Mehrkosten trägt dieses Jahr noch der Bund. Doch laut Wortmann gibt es diese sogenannte Nachschusspflicht in den kommenden beiden Jahren nicht mehr.
Newsletter abonnieren:München heute
Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.
Wer soll also aufkommen für neue Fahrzeuge, den Ausbau der Infrastruktur und neues Personal in den Führerständen und Werkstätten? Das ist eine Frage, die nicht geklärt ist. Für ganz Deutschland gibt es aus dem sogenannten Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) pro Jahr zwei Milliarden Euro für den Nahverkehr in ganz Deutschland. Doch laut Wortmann bräuchte es alleine im Münchner Verkehrsverbund bis zum Jahr 2040 zwei Milliarden jährlich, um den ÖPNV im Sinne des Klimaschutzes adäquat auszubauen.
Die Kommunen alleine können das finanziell nicht leisten. Schon die Projekte in München gehen in die Milliarden. So kostet zum Beispiel die Verlängerung der U5 nach Pasing eine knappe Milliarde Euro, die Kostenschätzungen für die mögliche U-Bahn-Linie U9 reichen von vier bis über zehn Milliarden Euro. Den Rohbau eines künftigen U-Bahn-Halts unter dem Hauptbahnhof hat die Stadt bereits beschlossen und gibt für Bau und Planung rund 663 Millionen Euro aus. Dessen Förderung ist bislang ungewiss.
Geld für die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs gäbe es indes genug. Das Umweltbundesamt listet auf seiner Homepage umweltschädliche Subventionen wie Kohleförderung oder das oft genannte Dienstwagenprivileg auf. Insgesamt belaufen sich diese Subventionen auf mehr als 65 Milliarden Euro jährlich. Verkehrsunternehmen fordern deshalb schon seit Langem immer wieder eine Umschichtung der Mittel.