Wohnen in München:Manche Vermieter sind ein großes Glück

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Im Haus in der Guldeinstrasse gibt es 32 Wohnungen.

Bloß kein Investor: Das gelbe Haus an der Guldeinstraße hat einen neuen Eigentümer, und die Mieter sind glücklich.

(Foto: Catherina Hess)

Und das sogar noch dann, wenn sie ihr Eigentum verkaufen wollen. Die besondere Geschichte einer Immobilie im Westend.

Von Anna Hoben

Wenn man die Mieter in der Guldeinstraße reden hört, klingen sie alle ein bisschen, als hätten sie Liebeskummer. Weil sie ihre Vermieter nicht mehr haben, die für sie die besten waren, die sie sich wünschen konnten. Gleichzeitig wissen sie, dass sie Glück gehabt haben. Ihr Haus wurde nicht meistbietend an einen Investor verkauft. Es gehört nun der Wohnungsgenossenschaft München-West. Einem Unternehmen, das nicht von Profitstreben getrieben ist und bei dem die Mieten bezahlbar sind.

Die Guldeinstraße im Westend: eine gelbliche Fassade, Vorder- und Rückgebäude, 32 Wohnungen, hauptsächlich kleinere mit ein oder zwei Zimmern. Als im vergangenen März die Sache mit dem Verkauf geregelt war, luden die Vermieter die Bewohner zu einem Treffen ein, gemeinsam mit der Genossenschaft. Nennen wir die Vermieter Inge und Hans Müller. Es gibt nachvollziehbare Gründe, warum sie nicht mit ihren echten Namen in der Zeitung auftauchen wollen; unter anderem haben sie genug von Anlageberatern, die ihnen ungefragt Post schicken und ihre Strategien unterbreiten wollen.

Bei dem Treffen im Frühjahr waren sie überrascht, wie emotional die Mieter waren - wie herzlich der Dank ihnen gegenüber, wie groß die Erleichterung über die Genossenschaftslösung. Aber das Thema Wohnen ist eben emotional besetzt, heute womöglich mehr denn je, in München vielleicht mehr als anderswo. Und für Inge Müller war das Haus schließlich auch immer eine emotionale Angelegenheit gewesen.

Ihr Großvater, er besaß eine Molkerei im Westend, hatte das Anwesen in den Dreißigerjahren gekauft und im Ruhestand auch einige Jahre darin gewohnt. Er starb 1942. Drei Jahre später zerstörte eine Bombe das Vorderhaus. Die Nachfahren beschlossen, das Haus aus dem Trümmerhaufen wiederaufzubauen. Dank dem Lastenausgleichsgesetz der jungen Bundesrepublik gab es eine finanzielle Entschädigung, geknüpft an die Bedingung, dass preisgebundener Wohnraum entstehen würde. 1956 stand das Haus dann wieder, fortan lebten dort Sozialmieter.

In den Siebzigern erbte Inge Müller, die einzige Enkelin des Großvaters, das Haus. Von da an kümmerten sie und ihr Mann sich darum. Sie einigten sich auf eine Arbeitsteilung, die sich in den folgenden Jahrzehnten bestens bewähren sollte: Sie regelte die Angelegenheiten mit den Mietern, er war für die Hausverwaltung zuständig, für alles Technische. "Wir haben von Anfang an viel Geld und Energie in die Erhaltung gesteckt", sagt Hans Müller.

Sie sanierten das Rückgebäude, ließen neue Bäder und Fenster einbauen, eine Zentralheizung. Den Innenhof, der ein schnöder Parkplatz gewesen war, ließen sie begrünen. Die Garage hinten, in der früher eine Limonadenfabrik gewesen war, bauten sie zu einer großzügigen Fahrradgarage um. Ein paar Jahrzehnte später gehörten sie dann zu den ersten Hauseigentümern, die eine staatliche Förderung für die Wärmedämmung beantragten.

So ging es viele Jahre. Das Haus war für das Ehepaar ein zweiter Job, neben ihrer normalen Berufstätigkeit. Wenn es einen Mieterwechsel gab, sichtete sie die Bewerbungen, suchte aus bis zu 300 zunächst 100 heraus und lud schließlich zehn ein. "Was gar nicht ging", sagt Inge Müller, "war, wenn ein Bewerber zu viel Geld verdiente. Jemand mit einem Nettoeinkommen von 5000 Euro, da dachte ich, der kann auch woanders wohnen." Sie haben sich oft gewundert, wie viel manche Menschen in dieser Stadt verdienen. Gut in Erinnerung geblieben ist ihnen auch das eine Mal, als ihre Anzeige auf einer Onlineplattform gesperrt wurde, weil zu viele Nutzer gefragt hatten, ob es sich um einen Fake handle. Die Anzeige war kein Fake, der Mietpreis aber offenbar zu günstig.

Wenn sie alle zehn Jahre die Mieten ein wenig anhoben, besprachen sie das immer persönlich mit den Mietern. Nach der Wärmedämmung hätten sie elf Prozent der Kosten auf die Mieter umlegen können. Sie legten zwei, vielleicht drei Prozent um, und gaben den Bewohnern wegen der Unannehmlichkeiten bei den Bauarbeiten einen Mietnachlass von 20 Prozent. Die Mieten liegen heute im Durchschnitt bei elf Euro kalt pro Quadratmeter.

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