Gemeinnützige Stiftung "Daheim im Viertel":"Ohne sicheres Wohnen ist alles nichts"

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Teuer, teurer, München: Die Mieten ziehen weiter an, in der Innenstadt liegen sie bei gut 24 bis knapp 28 Euro pro Quadratmeter. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Eine neue Stiftung will es sozial denkenden Eigentümern ermöglichen, ihre Immobilie fair zu verkaufen - und dadurch bezahlbare Mieten sichern.

Von Bernd Kastner

Eine Revolution wird es nicht geben auf dem Immobilienmarkt. Aber ein paar soziale Ausrufezeichen könnten schon dabei herauskommen. Mit einer Stiftung wollen einige Immobilienakteure mehr Raum für bezahlbares und sicheres Wohnen schaffen und zugleich einen Kontrapunkt zum Streben nach Maximalgewinn mit Mietwohnungen. Sozial denkende Hausbesitzer, die sich von ihrem Eigentum trennen wollen, sollen es einfacher haben, ihre Immobilie so zu verkaufen, dass nicht nur sie, sondern auch ihre Mieter etwas davon haben. Möglich machen will das eine neue, gemeinnützige Stiftung namens "Daheim im Viertel".

Christian Stupka, Vordenker für sozial verträgliches Planen, Bauen und Wohnen und Vorstand der Genossenschaftlichen Immobilienagentur Gima, hat die Idee hinter der Stiftung am Freitag öffentlich vorgestellt. Die von der Regierung von Oberbayern vor Kurzem anerkannte Stiftung will das Leben in den Münchner Quartieren fördern: gute Nachbarschaft und Wohnumfeld mittels bestehender und neuer Initiativen unterstützen, sei es in Sachen Integration, Inklusion oder auch ökologischer Mobilität.

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"Was für ein stärkendes Gefühl: Zu wissen, dass man im eigenen Viertel wirklich zu Hause ist": So beginnt die Präambel der Stiftung. "Die Wohnung ist sicher und bezahlbar." Schon der zweite Satz aber ist für viele Münchnerinnen und Münchner keine Tatsche, sondern allenfalls Wunsch und Hoffnung. Viele befürchten, aus ihrem angestammten Quartier vertrieben zu werden, sei es aufgrund von Mieterhöhung, Kündigung, teurer Sanierung - oder weil die Eigentümer verkaufen. An diesem Punkt setzt Stupkas Stiftungskonzept an: "Ohne sicheres Wohnen ist alles nichts", sagt er. "Deshalb müssen Immobilien in den sicheren Hafen gebracht werden."

Grundlage des Konzepts sei die Erfahrung, dass sozial denkende Vermieter gar nicht so selten seien, wie man angesichts des Mietniveaus meinen könnte. Wenn sie sich von ihrem Haus trennen, etwa aus Altersgründen, werde es ihnen bisher schwergemacht, ihre Mieter vor übermäßigen Preissteigerungen zu bewahren. Grund ist die große Kluft zwischen sozial verträglichen Mieten - in München gelten 11,50 Euro kalt pro Quadratmeter noch als okay - und den Marktpreisen, die oft bei 20 Euro liegen. Diese Marktpreise bestimmen den Verkehrswert eines Hauses. Angenommen, dieser liegt bei zehn Millionen Euro: Will ein Eigentümer dauerhaft soziale Mieten garantieren, muss er deutlich unterm Verkehrswert verkaufen, etwa für fünf Millionen.

Überträgt ein Eigentümer ein Haus an die Stiftung, gilt die Summe als Zuwendung, nicht als Schenkung

Was zunächst einfach und gut klingt, hat einen Haken, sagt Stupka: Das Finanzamt betrachte die Summe, die sich ein Käufer spart, als Schenkung. Darauf müsse der Beschenkte, also der Käufer, Steuer zahlen. In diesem Beispiel 30 Prozent auf fünf Millionen, gut 1,6 Millionen Euro. Um diese reinzuholen, müsse der neue Eigentümer die Miete erhöhen, sozial verträglich wäre sie dann nicht mehr wirklich. Würde das Haus zum Marktpreis von zehn Millionen verkauft, bekäme der Staat nichts - aber die Mieter zahlen die Zeche. "Absurd" nennt Stupka dies, eine "große Ungerechtigkeit" im Steuersystem: "Es werden die bestraft, die etwas Gutes tun wollen mit ihrer Immobilie."

Die Viertel-Stiftung will einen alternativen Weg schaffen. Überträgt ein Eigentümer sein Haus an sie, gelte der "Rabatt" von fünf Millionen nicht als Schenkung, sondern als Zuwendung. Dafür gebe es auch noch eine Bescheinigung fürs Finanzamt. Im Kaufvertrag zwischen Alt-Eigentümer und der Stiftung werde die Gegenleistung für den niedrigen Preis festgelegt: Faire Mieten, aktuell und künftig, also auch nur moderate Mieterhöhungen zum Inflationsausgleich; und beispielsweise ein Wohnrecht, sei es für den Verkäufer oder seine Kinder.

Es ist nicht die Stiftung selbst, die solche Häuser verwalten werde, betont Stupka. Das sollen die Unternehmen machen, die hinter der Stiftung stehen, nämlich die 35 Mitglieder der Gima, sie ist die Gründungsstifterin. Das sind vor allem Genossenschaften, aber auch sozial agierende Wohnungsunternehmen, mit zusammen etwa 40000 Wohnungen in München. Sie sollen mit den Stiftungs-Häusern einen moderaten Gewinn erzielen, um sie in Schuss zu halten, die Kredite zu bedienen und die Ziele der Stiftung zu erfüllen. So soll das ganze Quartier etwas vom Hausverkauf haben.

Kommendes Jahr soll der "Münchner Nachbarschaftspreis" ausgelobt werden

Stupka weist auf eine "Falle" im Stiftungsrecht hin, die man aber umgehen könne, ganz legal. Gewöhnlich verlange die Aufsicht, also die Bezirksregierung, dass die Verantwortlichen aus dem Vermögen das Maximum zugunsten des Stiftungszwecks herausholen. Um zu vermeiden, dass die Mieten übermäßig erhöht werden müssten, werde man als Auflage beim Verkauf faire Mieten festschreiben. Damit lasse sich eine Zwangserhöhung abwenden, verspricht Stupka.

Dass die Idee der Stiftung auch in Jahren und Jahrzehnten nicht vergessen wird, sollen die Stiftungsgremien garantieren, sagt Stupka. Vorstand und Rat müssten laut Satzung so besetzt werden, dass der Grundgedanke weiterlebe. Derzeit sitzen, neben Stupka, im Vorstand Kerstin Oertel, die im städtischen Planungsreferat arbeitet, und Thomas Schimmel, Chef von Münchens größter Baugenossenschaft, der "München West". Gründungsstifter seien neben der Gima mehrere Privatpersonen, darunter eine vermögende Familie, die nicht genannt werden wolle. Das Grundstockvermögen der Stiftung betrage laut Stupka gut 200 000 Euro.

Wie man das Miteinander in einzelnen Quartieren konkret fördern wolle, sei noch nicht klar, sicher sei aber: Man werde 2022 den "Münchner Nachbarschaftspreis" ausloben und mit 30 000 Euro dotieren. So wolle man bürgerschaftliches Engagement für intakte Viertel würdigen. Erste Gespräche mit verkaufsbereiten Immobilieneigentümern gebe es auch schon, sagt Stupka.

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