Contact Tracing:Praktikum in der Messehalle

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Abgeschirmt von anderen Mitarbeitern in der Messehalle telefoniert Stadtrat Stefan Jagel mit Corona-Infizierten und Kontaktpersonen. (Foto: privat)

Linken-Stadtrat Stefan Jagel hilft vor Weihnachten bei der Kontaktnachverfolgung von Corona-Infizierten mit

Von Anna Hoben

Im Rathaus ist Stefan Jagel nach knapp acht Monaten Stadtratsarbeit dafür bekannt, die Vorlagen, über die abgestimmt werden soll, ganz genau zu lesen. Jetzt, wo der Haushalt für 2021 verabschiedet ist, die Ausschussarbeit für dieses Jahr durch und Weihnachten noch nicht ganz da ist, war einmal Zeit für etwas ganz anderes. Schon länger wollte der Fraktionschef von Die Linke/Die Partei sich anschauen, wie das sogenannte Contact Tracing im Kampf gegen die Corona-Pandemie funktioniert. Am Sonntag begann er sein Schnupperpraktikum in der Messehalle C2; Heiligabend wird er zum letzten Mal Kontaktpersonen anrufen, sie über Quarantänebestimmungen informieren, Listen und Daten abgleichen. Die Welle, auf der er eingestiegen ist, ist hoch: An seinem ersten Arbeitstag, dem Sonntag, stieg die Inzidenz in München auf über 300.

Im November hat Jagel an einer Schulung für den Kurzeinsatz teilgenommen. An seinen fünf Tagen in der Kontaktnachverfolgung ist er nun in der Frühschicht tätig. Von acht bis 14 Uhr sitzt er in seiner Box, getrennt von den anderen, Headset auf dem Kopf. Ein schlichter Arbeitsplatz: Schreibtisch mit PC und Telefon, darunter ein magentafarbener Teppich, der an die Farbmarke eines großen Telekommunikationsunternehmens erinnert. Am ersten Tag hat er das Team und den Arbeitsort kennengelernt. Und er hat gelernt, wie die Fragebögen zu bearbeiten sind, die das Gesundheitsamt den sogenannten Indexpersonen, also den mit dem Coronavirus Infizierten, zum Ausfüllen zuschickt.

Am Montag ging es los mit der ersten Fallbearbeitung. Das bedeutet im Wesentlichen: eine Liste mit Namen von Kontaktpersonen abarbeiten. Anrufen, Daten abgleichen, fragen, wie es ihnen geht, ob sie Symptome haben. "Ich habe nur positive Gespräche gehabt", sagt Jagel nach seinem dritten Tag in Halle C2. Und so hätten es ihm auch die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berichtet: dass die meisten Menschen dankbar für den Anruf seien. Gerade jetzt vor Weihnachten telefoniere das Contact Tracing Team noch mehr als sonst - damit die Botschaft auch auf jeden Fall ankommt. Davor sei mehr schriftlich kommuniziert worden. Das Telefonieren ergebe aus seiner Sicht auch mehr Sinn, sagt Jagel: "Man kann Dinge mit einem Anruf schneller abklären."

Das Team hat ihn tief beeindruckt: "Die Menschen sind trotz hoher Arbeitsbelastung hoch motiviert." Jene, die aus anderen städtischen Referaten für mehrere Monate in die Kontaktnachverfolgung abgeordnet sind, belaste es allerdings schon auch, dass in der Zeit ihre eigentlichen Themen und Projekte liegen bleiben. Auch wenn viele es gleichzeitig als interessante Abwechslung sähen. Einig seien sich alle, dass man durch den Umzug in die Messehalle deutlich gewonnen habe: Die Infrastruktur sei besser und man könne sich leichter abstimmen. Nur die IT, so Jagel, sei noch verbesserungswürdig.

Der Stadtrat ist selbst gelernter Pfleger; zehn Jahre hat er in dem Beruf gearbeitet, in einem Akutklinikum und in der ambulanten Altenpflege. Politisch hat ihn sein kleines Praktikum vor allem darin bestätigt, dass "der öffentliche Gesundheitsdienst nach der Pandemie mittel- und langfristig gestärkt werden muss". Der Bereich sei vorher schon belastet gewesen, und nun sei noch Corona dazugekommen. Heiligabend wird der Stadtrat in München verbringen. Er ist noch unsicher, ob er danach zu seiner Familie fährt. In der Messehalle C2 wird indes auch an den Feiertagen weitergearbeitet.

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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