Bogenhausen:Der "Stinkkäfer" aus Asien

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Eigentlich lebt die Marmorierte Baumwanze in Ostchina, Japan, Korea und Taiwan. Inzwischen fühlt sie sich aber auch im Münchner Osten wohl - zum Ärger der Anwohner.

Von Ulrike Steinbacher, Bogenhausen

Kaum ist das eine Insekt verschwunden, schwirrt schon das nächste durch den Münchner Osten: Nun ist die Marmorierte Baumwanze sicherlich kein so gefährlicher Schädling wie der Asiatische Laubholzbockkäfer. Um dessen Verbreitung zu verhindern, hatten die Behörden in Waldperlach und Neubiberg sogar für fünf Jahre eine Quarantänezone eingerichtet - mit Baumfällungen, Kronen-Monitoring und gesonderter Laub-Entsorgung. Gerade erst, am 1. Januar, ist die Quarantäne aufgehoben worden. Zu solchen Abwehrmaßnahmen wird es die Marmorierte Baumwanze nicht bringen. Aber zweierlei hat sie mit dem deutlich größeren Käfer-Kollegen gemeinsam: Sie ist ein Schädling und sie wurde aus Asien eingeschleppt.

Darüberhinaus ist sie auch noch lästig, sagt Fred König, der seit fünf Jahren an der Denninger Straße wohnt: "Die beißen nicht, die fliegen in kein Essen, aber die sitzen plötzlich neben einem in der Küche." Vor ziemlich genau einem Jahr habe er die ersten Exemplare in seiner Wohnung gefunden, im Frühjahr und Sommer habe sich das zu einer Wanzen-Invasion mit "40, 50 Stück am Tag" gesteigert, berichtet er. Die Hausverwaltung schickte den Kammerjäger, doch der winkte ab. Man könne allenfalls Außenrollläden mit Insektiziden einsprühen, um zu verhindern, dass Wanzen ins Haus fliegen, aber wo es keine Rollläden gebe, lasse sich nichts tun. Von Insektenspray sei die Wanze "völlig unbeeindruckt", berichtet Fred König. "Das wird 'ne echte Plage." Auch Freunde im benachbarten Arabellapark, am Waldfriedhof und in Stuttgart hätten von solchen Insekten in ihren Wohnungen erzählt. In Mainz und Hannover berichteten Lokalzeitungen vergangenen Sommer von Wanzenplagen.

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2015 hatte der Asiatische Laubholzbockkäfer im Münchner Osten für Aufregung gesorgt. Es folgten teils drastische Maßnahmen - die sich offenbar ausgezahlt haben.

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Die Marmorierte Baumwanze ist eigentlich in Ostchina, Japan, Korea und Taiwan heimisch. Dort entwickeln sich bis zu sechs Generationen in einem Jahr. Das Insekt wurde nach der Jahrtausendwende in die USA eingeschleppt und ist seit 2007 auch in Mitteleuropa nachgewiesen. In Deutschland wurde die Wanze erstmals 2011 gefunden, und zwar in Konstanz. Mit der viel kleineren Bettwanze, einem auf der ganzen Welt verbreiteten Parasiten, teilt sich das zwölf bis 17 Millimeter große Insekt nur den Stammbaum, nicht aber die Vorliebe für menschliches Blut. Die Marmorierte Baumwanze saugt stattdessen Pflanzensaft aus Blättern und Früchten von Bäumen und Sträuchern. Harmlos ist sie trotzdem nicht: Ihre Ernährungsweise richtet massive Ernteschäden bei Pfirsich, Apfel, Birne, Haselnuss, Weinrebe, aber auch Mais, Sojabohne, Tomate, Paprika und Aubergine an. Mit dem Speichel gelangt beim Saugen ein Enzym ins Pflanzengewebe, das Flecken hervorruft. Angestochene Früchte zeigen Verfärbungen und Verformungen und sterben im schlimmsten Fall ab. 2016 soll die Marmorierte Baumwanze in Italien 40 Prozent der Kiwi- und Birnenernte vernichtet haben.

Michael Raupach, Leiter der Sektion Hemiptera bei der Zoologischen Staatssammlung München, sagt trotzdem, sie sei "mehr Lästling als Schädling". Nur wenn die Wanzen in großer Zahl aufträten, "dann haben wir da ein Problem". Raupach hält es durchaus für möglich, dass sich die Wanze "als Einwanderer in Deutschland etabliert". Dass sie sich vorzugsweise in Städten niederlässt, habe vielleicht damit zu tun, dass ihr dort das Nahrungsangebot mit vielen Gartenpflanzen zusage. "Und außerdem ist es wärmer", setzt er hinzu. Die Suche nach Wärme sei auch der Grund, warum die Wanzen um diese Jahreszeit in die Wohnungen flögen. Bei etwa zehn Grad kämen sie aus ihren Winterverstecken.

Am schlimmsten sei der Geruch, sagt Fred König. "Die stinken, wenn man sie berührt." Ein unangenehmer, chemischer Geruch sei das, beißend und lange anhaftend. Er hat den Marmorierten Baumwanzen auch ihren Beinamen "Stinkkäfer" eingetragen. Die Wanze produziere das Sekret in Drüsen an der Körperunterseite, erklärt Insekten-Experte Raupach. Sie setze es zu ihrem Schutz ein. "Das ist ein Charakteristikum." Der Geruch sei von Art zu Art unterschiedlich, "oft muffig, mal schärfer". Fred Königs schlimmste Vorstellung ist jedenfalls, dass eine Wanze nachts aufs Kopfkissen fliegt: "Sie drehen sich im Schlaf um und, platsch, haben Sie das Ding am Hirn."

© SZ vom 03.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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