Das ist schön:Der Blues zum Glück

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Vor 50 Jahren starb der US-Jazzer Louis Armstrong, hier am Rande eines Auftritts im Jahr 1965 in der Jahrhunderthalle Höchst. (Foto: Roland Witschel/dpa)

Vor 50 Jahren ist Louis Armstrong gestorben. Wie inspirierend er war und noch immer ist, ist unbestritten. Da lässt so manch ein junger Musiker Mozart, Bach und Chopin hinter sich und wird abtrünnig.

Von Karl Forster, München

Der Sinneswandel ist eigentlich ein recht unspektakuläres Wort. Es fehlt ihm die Bedeutungsschwere der Nachhaltigkeit, die Eleganz des (Felg-)Aufschwungs und die Jugendlichkeit der Liebe. Der Sinneswandel bleibt ein nüchterner Begriff dafür, dass aus dem Sex-, Drugs- und Rock'n'Roll-Gott Mick Jagger ein abstinenter Veganer geworden ist, so wie einst aus dem Christenverfolger Saulus nach dem Damaskus-Erlebnis mit der Wiedererscheinung Jesu dessen treuester Verfechter Paulus. Dass man sich gerade jetzt des weltberühmten Jazztrompeters Louis "Satchmo" Armstrong als Auslöser für einen ganz eigenen Sinneswandel erinnert, liegt an zwei Jahrestagen, die eben diesen Musiker betreffen. Satchmo wurde am 4. August 1901 in New Orleans geboren, was sich also demnächst zum 120. Mal jährt. Und er verstarb am 6. Juli 1971 in New York, weswegen ihm Die Zeit jüngst ein ganzseitiges Gedenkstück widmete zum 50. Todestag. Und dieses wiederum veranlasste einen älteren Herrn, den man hier gerne Franz nennen darf, weil das einer seiner Vornamen ist, bei der Lektüre sich an das Jahr 1965 zu erinnern. Denn damals, es war am Samstag, den 29. Mai, spielte Louis Armstrong im Münchner Circus Krone. Und Franz war dabei.

Das besondere an diesem Samstagskonzert von Louis Armstrong war, dass es Franzens Leben in gewaltiger Weise veränderte, ihm quasi einen Sinneswandel aufdrückte. Denn dieser Louis Armstrong schaffte, was Franz damals für unmöglich erachtet hatte: Er machte ihn zum Mozart-Renegaten, zum Bach-Deviationisten, zum Chopin-Dissidenten. Seit diesem Samstag des Jahres 1965 mit Louis Armstrong ist Franz ein Jazzer und Rock 'n' Roller.

Bis dahin war Franz, was die Welt der klassischen Musik anbetrifft, ein ausgesprochener Fan, der mit fünf seine ersten Klavierstunden absolvierte; der während der Volksschulzeit sagen konnte, ob da nun Friedrich Gulda oder Sviatoslav Richter Mozarts C-Dur-Klavierkonzert KV 467 spielte; der auch in den Internatsjahren bei den Schäftlarner Benediktinern nicht zum Üben geprügelt werden musste. Und wenn die anderen sich ihre tiefen Erkenntnisse über die aktuellen Schallplatten der Kinks, der Beatles, der Stones um die Ohren hauten, fluchte Franz ob des verzwickten Fingersatzes bei Bachs Italienischem Konzert. Bis eben, ja, Louis Armstrong kam mit seinem "St. Louis Blues", dem "Sunset Cafe Stomp", mit "St. James Infirmary" und, natürlich, mit "Hello Dolly".

Zwei Wochen, nachdem der damalige Musiklehrer Pater Anselm Mayer den Chor des Gymnasiums Schäftlarn zu Louis Armstrong geladen hatte, hält Franz einen Vortrag über das Schema des Blues. Zwei Jahre später gründet er die zu Recht weithin unbekannte Rockband Cicero cum sociis. Und am 15. August 2021, 120 Jahre nach Louis Armstrongs Geburt, steht er mit Deadline, der Redaktionsband der Süddeutschen Zeitung, auf der Bühne des Tollwood-Festivals. Ist das nicht schön?

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