Literatur:Die interessantesten Lesungen des Frühjahrs

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Macht sich im März in Canterbury auf die Reise nach Deutschland: Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah. (Foto: Frank Augstein/AP)

In München werden prominente Schriftsteller wie der Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah, Hanya Yanagihara und Navid Kermani erwartet. Ein Überblick.

Von Antje Weber

Auch wenn sonst alles grau erscheint - es gibt das Schöne, die Ahnung eines Paradieses. Für den jungen Yusuf ist es mit einer Landschaft in den Bergen verbunden, mit grünem Licht und reingewaschener Luft, mit Menschen und Tieren, umgeben von Seen und Wasserfällen: "Es war wunderschön, als sei alles vollkommen. Nie habe ich etwas so Schönes gesehen. Du konntest Gott atmen hören."

Es ist der einzige Moment, in dem Abdulrazak Gurnah eine solche Idylle aufruft; sein Roman "Das verlorene Paradies" trägt diesen Titel nicht umsonst. So soghaft wie düster erzählt der Literaturnobelpreisträger darin vom Schicksal des Sklaven Yusuf, von einer komplexen, mitleidlosen Gesellschaft in Tansania Ende des 19. Jahrhunderts, in der die Deutschen sich anschicken, eine nicht minder gewaltsame Kolonialherrschaft zu übernehmen. Von alldem wird Gurnah - um zum Schönen zurückzukehren - demnächst auch dem Münchner Literaturpublikum erzählen: Seine Lesung am 15. März im Literaturhaus soll der Höhepunkt des literarischen Frühjahrs in München werden.

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Der Vorverkauf dafür beginnt erst Anfang Februar, wie für etliche Veranstaltungen des besonders dichten Märzprogramms im Literaturhaus, darunter Hanya Yanagihara (16. März), Joshua Cohen (23. März) oder Natasha Brown (24. März). Doch im Gegensatz zu räumlich eingeschränkteren Veranstaltern legt man im Literaturhaus bereits im pandemisch bedrängten Januar wieder mit etlichen Abenden los, beginnend mit Reinhard Kleists Comic über David Bowie am 19. und einem Piatti-Tag am 22. Januar. "Wir machen jetzt einfach weiter", sagt Pressemitarbeiterin Marion Bösker-von Paucker. Und da man in den vergangenen Wochen den großen Saal umgebaut und die Streaming-Technik nun an der hinteren schmalen Seite platziert hat, ist auch mehr Luft für immerhin 75 Plätze entstanden, die regelkonform derzeit besetzt werden dürfen: "Der Saal wird jetzt wieder flexibler."

Löwenbeschwörungen: Emine Sevgi Özdamar, Gewinnerin des Bayerischen Buchpreises, liest im Februar im Münchner Literaturhaus. (Foto: Robert Haas)

Da man im Literaturhaus auch flexibel ist, was physische oder virtuelle Präsenz angeht, werden die angekündigten Abende voraussichtlich in jedem Fall stattfinden können - zum Beispiel auch mit der Preisträgerin des Bayerischen Buchpreises, Emine Sevgi Özdamar, am 22. Februar. Ihr Roman "Ein von Schatten begrenzter Raum" schlägt, beginnend auf einer türkischen Insel im Jahr 1971, einen weiten Bogen durch Raum und Zeit. Geografisch meist etwas enger zieht die Kreise ein Schriftsteller wie Ingo Schulze, der diesmal als Gewinner des "Preises der Literaturhäuser" anreist (20. Januar). Er spürt in seinen Romanen immer wieder deutschen Entwicklungen, Biografien und ihren Brüchen nach, ähnlich wie Jenny Erpenbeck, die am 2. Februar ihren Roman "Kairos" vorstellt, oder Julia Schoch, die am 8. März über ihren Roman "Das Vorkomnis" spricht.

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Auch die Münchner Schriftsteller waren nicht untätig und veröffentlichen zahlreiche neue Bücher. Alexander Kluge beschenkt die Welt und sich selbst zum 90. Geburtstag mit einem "Buch der Kommentare" und lässt sich am 13. Februar in den Kammerspielen feiern. Peter Probst legt nach dem tragikomischen ersten autobiografischen Roman "Wie ich den Sex erfand" eine Fortsetzung vor und lässt am 24. Februar im Literaturhaus "Die wilde Wut des Wellensittichs" raus. Doris Dörrie vermeldet ebendort: "Die Heldin reist" (25. März). Und Albert Ostermaier holt die für Januar abgesagte Lesung aus seinem Gedichtband "Teer" am 3. März im Lyrik Kabinett nach; dort sind nach einer Online-Veranstaltung zum katalanischen Klassiker Joan Maragall mit dem Münchner Übersetzer und Lyriker Àxel Sanjosé (26. Januar) von Februar an wieder Präsenzveranstaltungen geplant, unter anderen mit der albanischen Lyrikerin Luljeta Lleshanaku (1. Februar) und Volker Braun und Alain Lance (16. März).

Moderatorin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim. (Foto: Henning Kaiser/dpa)

Auch um neue Sachbücher wird es auf mehreren Podien gehen: Die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim wird am 23. Januar im Literaturhaus anhand ihres Buchs "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit" komplexe Fakten verständlich erklären, der Soziologe Armin Nassehi das verständliche "Unbehagen" angesichts einer überforderten Gesellschaft wohl eher komplex formulieren (31. Januar). Der Orientalist Navid Kermani wiederum hat sich mit Fragen nach Gott beschäftigt und gibt in einem neuen Buch mit einem sehr langen Titel Antworten. Im "musikalischen Dialog" mit der Pianistin Pi-hsien Chen und dem Komponisten Manos Tsangaris wird er es am 3. März in den Kammerspielen wirken lassen.

Einen Dialog mit der Musik sucht auch die Internationale Jugendbibliothek: Für den 13. Februar ist hier in Zusammenarbeit mit dem BR-Symphonieorchester ein szenisches Konzert für Kinder zum Thema "Odyssee" angesetzt. Interessierte an Kinderliteratur können sich auch die "Münchner Bücherschau junior" im Kalender vormerken (12. bis 20. März). In dieser Zeit steht auch wieder das Festival "Wortspiele" für junge Literatur an: Diesmal werden unter anderen Benedikt Feiten, Lola Randl und Natascha Berglehner an drei langen Abenden ihre neuen Romane im Ampere vorstellen (9. bis 11. März). Möge all dies stattfinden können wie geplant: Nicht nur die Veranstalter, auch die Zuschauer müssen ja flexibel bleiben - und freuen sich doch wie der Held im Roman des Nobelpreisträgers Gurnah über jede Gelegenheit zum Ausbruch aus dem Alltag, "gequält von Sehnsucht und getröstet von Traumbildern eines verlorenen Ganzen".

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