Münchner Momente:Eiskalt gegen die Erderwärmung

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Die meisten Stadträte sind 2021 auf dem Boden geblieben - mit positiven Folgen fürs Klima. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Kann eine Krise auch positive Effekte haben, und darf man sie auch als solche bezeichnen? Darüber gibt es unter den Stadtratsfraktionen erstaunlichen Streit.

Glosse von Heiner Effern

Die Zeiten sind hart im Moment. Für die Menschen, die immer höhere Rechnungen zahlen sollen, aber auch für die Politiker, die ihnen das beibringen müssen. Wem graut es nicht vor dem Gedanken, im Winter halb Pleite zu gehen oder stattdessen im kalten Wohnzimmer zu frieren. Nun gilt es, kostenlose Energiequellen zu nutzen, die von innen heraus wirken und dazu gratis sind: warme Worte, große Gefühle, Empathie.

Große Verfechter dieser emotionalen Wärmestuben sind in München gerade die CSU und, man höre und staune, die FDP. Es ist nun nicht so, dass sie selbst hemmungslose Umarmer geworden sind, aber sie haben jemanden gefunden, dem es aus ihrer Sicht an Wärme mangelt. Klimaschutzreferentin Christine Kugler (parteilos) muss sich nachsagen lassen, dass sie "eiskalt" (liberale Sicht) oder "zynisch und höchst verwerflich" (christsoziale Sicht) mit dem Energieleid der Menschen umgehe. In einer Anfrage an OB Dieter Reiter (SPD) will die CSU sogar hochoffiziell von der Stadtspitze erfahren: "Teilen Sie die Freude von Frau Kugler über die steigenden Energiepreise?"

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In einer Beschlussvorlage zur Klimaneutralität schreibt sie, dass die hohen Preise für Fernwärme und Strom und die daraus resultierende erhebliche Belastung bei den Verbrauchern "den Impuls zu einer deutlich höheren Einsparung von Energie" setzen und "sich positiv auf eine schnellere Dekarbonisierung der Energieerzeugung" auswirken könnten. Das klingt erst einmal nicht unlogisch, doch hat sich tatsächlich das Wort "positiv" eingeschlichen.

Dabei droht der Klimaschutzreferentin schon die nächste Schelte. Denn die Corona-Zeit, zweifellos auch eine ätzende Krise, wirkte sich ebenfalls positiv auf den Klimaschutz aus. Jedes Jahr erstellt die Stadt eine Flugbilanz von Stadtrat und Verwaltung, und das aus Kuglers Haus stammende Papier für 2021 zeigt, dass die einst rege Fliegerei fast bis auf Null zurückgegangen ist. Die zurückgelegten Kilometer sanken im Vergleich zu 2019 von vier Millionen auf einen so geringen Wert, dass man ihn in der Grafik gar nicht mehr seriös ablesen kann.

Jetzt muss man ehrlich sagen: So einen großen Beitrag zum Klimawandel bekommt die grün-rote Koalition in der Tagespolitik eher schwer hin. Was nun, Frau Kugler? Die CSU hat jedenfalls ihren kleinen Beitrag geleistet, eventuell aufkommende Freude zu begrenzen. Sie flog im Jahr 2021 vier Mal, alle anderen Fraktion stehen bei Null. Die meisten Flüge in der Verwaltung verzeichnete mit 27 das Wirtschaftsreferat. Der Chef dort heißt Clemens Baumgärtner und kommt: von der CSU.

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