Intendantenwechsel an der Komödie im Bayerischen Hof:"Das war der einzig gangbare Weg"

Lesezeit: 2 min

Wer erinnert sich an was? Janina Hartwig und Günther Maria Halmer prallen als Autor und Interviewerin in der Komödie "Vier Stern Stunden" aufeinander. (Foto: imago)

Vier Monate nach dem Missbrauchsprozess vor dem Landgericht gibt Thomas Pekny die Leitung des Theaters im Bayerischen Hof ab - die Erleichterung dort ist groß.

Von Barbara Hordych

Das eigentlich Interessante wird an diesem Premierenabend in der Komödie im Bayerischen Hof in der Pause verhandelt: Während auf der Bühne gerade noch Günther Maria Halmer in dem Stück "Vier Stern Stunden" von Daniel Glattauer als gealterter Erfolgsschriftsteller Frederic Trömerbusch und Janina Hartwig als ehrgeizige Kulturjournalistin Mariella Brem darum stritten, an was sich der eine noch erinnern kann oder nicht mehr erinnern will, kreist das Gespräch in der Pause fast ausschließlich um ein anderes Thema (und ganz andere Erinnerungslücken): Am Abend zuvor hat Thomas Pekny, Chef der privaten Boulevardbühne, 51 Prozent seiner Anteile an René Heinersdorff überschrieben.

Pekny ist zwar noch zu 49 Prozent Inhaber, doch die Leitung des Hauses hat er an den Rheinländer Heinersdorff, Direktor des Theaters an der Kö, des Theaters am Rathaus in Essen und des Theaters am Dom in Köln, abgegeben. Pekny war im Juni wegen sexuellen Missbrauchs vom Landgericht München zwar aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden, doch weiterhin umstritten. Sein Ansehen - und damit das der Komödie - war nachhaltig beschädigt.

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"Das war der einzig gangbare Weg", kommentiert Schauspieler Heio von Stetten den Wechsel an der Spitze des Theaters. Schließlich gehe es ums Haus, da müsse man pragmatisch handeln und "nicht lange rumdatteln". "Das musste stattfinden", sagt auch die Schweizer Schauspielerin und Regisseurin Pia Hänggi. Jetzt könne man das Theater endlich wieder guten Gewissens betreten.

In ihrem Fall ist es sogar das erste Mal nach dem coronabedingten Lockdown, dass sie sich von Pullach aus auf den Weg gemacht hat für einen Theaterbesuch. Zum einen kenne und schätze sie "die Janina" schon viele Jahre, unter anderem aus der ARD-Serie "Um Himmels Willen". Zum anderen habe sie "den Florian" ausgebildet. Und da wolle sie natürlich nachschauen, wie er sich heute Abend mache.

Das Stichwort "Me Too" fällt

Es ist so etwas wie ein internes Branchentreffen, das hier stattfindet. Man kennt sich, ebenso wie den Autor Daniel Glattauer, dessen Komödien "Gut gegen Nordwind" und die "Wunderübung" ebenfalls schon in der Komödie liefen. Man kennt aber vor allem auch die Zwangslage, in die man als Schauspieler und Schauspielerin gerät, wenn man zwischen Vertragsverpflichtungen und finanziellen Existenzanforderungen einerseits und seiner privaten Ablehnung und persönlichen Integrität andererseits hin- und hergerissen ist.

Nicht jeder ist so gut im Bühnen- und Fernseh-Geschäft wie Jutta Speidel, Michaela May und Pascal Breuer, die noch vor dem Bekanntwerden von Peknys Rücktritt öffentlich kund taten, unter diesem Intendanten nicht mehr auftreten zu wollen. Er könne nur begrüßen, "dass die Schatten dieser Ereignisse, dieser Me-Too-Vorfälle, jetzt ausgeräumt sind und die Schauspieler damit eine neue Chance haben, weiterzuspielen", artikuliert Regisseur Andreas Herzog ("Usedom-Krimi") stellvertretend für viele seine Erleichterung.

51 Prozent zu 49: Keine leichte Konstellation

Wie es weitergeht? "Keine leichte Konstellation, wenn in einer GmbH der eine 51 Prozent besitzt und der andere 49 Prozent dagegenhält", mutmaßt eine Fachfrau - Christiane Brammer ist die Intendantin des Hofspielhauses, ebenfalls einer privaten Spielstätte und dort alleinige Inhaberin einer GmbH.

Sie wünsche Heinersdorff mit seiner Unternehmung einen "riesigen Erfolg". Und hoffe, dass es ihm gelinge, das Haus neu aufzustellen. "Dazu finde ich den letzten Satz des Stücks sehr treffend", sagt Brammer. Zu diesem Zeitpunkt ist das Interviewgefecht zwischen Halmer und Hartwig auf der Bühne schon längst aus dem Ruder gelaufen, haben die Interviewpartner der Veranstaltungsreihe "Sternstunden" sich gegenseitig zerbröselt. Von Wein beseelt verlässt Halmer alias Trömerbusch in einem wahren Schauspieler-Kabinettstückchen die Bühne, nicht ohne dem Publikum noch zuzurufen: Machen wir bloß nicht das Erwartbare.

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