Klinikum rechts der Isar:Mit dem Roboter ins Gehirn

Lesezeit: 3 Min.

Der Mann an den Joysticks: Tobias Boeckh-Behrens, leitender Oberarzt in der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Klinikums rechts der Isar, an der Steuerungskonsole des robotergestützten Systems. (Foto: Kathrin Czoppelt/Klinikum rechts der Isar)

Erstmals wird in Deutschland ein Gehirn-Aneurysma mit Roboter-Unterstützung versorgt. Die beiden behandelnden Oberärzte sind von der Methode begeistert.

Von Stephan Handel

Nach einer knappen Dreiviertelstunde ist es geschafft, und da geht dann sogar Neuroradiologen mal der Gaul durch. "Super!" sagt der eine, "saugeil!" jubelt der andere. Zum ersten Mal in Deutschland ist am Mittwoch eine Patientin mit einem Gehirn-Aneurysma durch einen robotergestützten Eingriff versorgt worden, am Klinikum rechts der Isar, wo der Roboter "CorPath GRX Neurovascular" seine Premiere feierte.

In wenigen Tagen wird die Patientin aller Voraussicht nach ihren 63. Geburtstag feiern können. Sie erlitt Anfang Juli eine Hirnblutung durch ein Aneurysma, die konventionell versorgt wurde. Dabei entdeckten die Ärzte ein zweites Aneurysma - das ist eine Ausstülpung einer Ader, in der sich das Blut sammelt. Wenn es platzt oder reißt, ist das immer lebensbedrohlich, eine Notoperation ist erforderlich.

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Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, soll also an diesem Mittwochvormittag die Hirn-Arterie der Patientin repariert werden. Das geschieht mit sogenannten Coils-Spiralen aus Platin-Draht, die in das Aneurysma eingebracht werden. Dadurch geschieht zweierlei: Zum einen kann kein neues Blut mehr in die Blase fließen. Zum anderen wird im Lauf der Zeit die Gefäßwand neu über das Aneurysma wachsen und es so dauerhaft verschließen.

Tobias Boeckh-Behrens und Christian Maegerlein, beide Ärzte in der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Rechts der Isar, haben sich auf den Eingriff speziell vorbereitet - es wurde sogar ein Silikon-Modell der betroffenen Blutgefäße im 3D-Drucker gefertigt, an dem die Mediziner üben konnten.

Aufwändiger Aufbau: Christian Maegerlein, Oberarzt in der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie des Universitätsklinikums rechts der Isar, beobachtet während des Eingriffs die Monitore. (Foto: Kathrin Czoppelt/Klinikum rechts der Isar)

Christian Maegerlein steht im Saal am OP-Tisch, auf dem die Patientin schon bereit liegt, narkotisiert, intubiert und ringsrum steril abgedeckt. Maegerlein ist sozusagen für die Annäherung zuständig: Er soll einen Katheter möglichst nahe an das Aneurysma heranbringen. Das geschieht auf konventionelle Weise - Zugang über einen kleinen Schnitt an der Leiste, von da an ist der Weg so bekannt, dass Maegerlein ihn ohne Röntgen-Unterstützung zurücklegen kann.

Bis auf etwa drei Zentimeter hat der Arzt den Katheter an das Aneurysma herangebracht. Das sieht auf den Monitoren jetzt so aus, als würde es sich nicht ganz an das halten, was im Silikon-Modell zu sehen war: Der Hals, also die Verbindung zwischen Aneurysma und Gefäß, scheint breiter zu sein als zunächst angenommen. Das wäre schlecht, denn dann bestünde die Gefahr, dass die Coils herausfallen. Als Tobias Boeckh-Behrens allerdings die 3D-Ansicht auf seinem Monitor hin- und herschiebt, kann er Entwarnung geben: Es war nur eine Frage der Perspektive, der Hals ist so schmal, wie er sein soll.

Nun wird am OP-Tisch der Roboterarm von CorPath GRX Neurovascular in Position gebracht. Das interessiert besonders zwei Mitarbeiter von Siemens Healthineers, die das Gerät vertreiben - sie sind gekommen, um den ersten Einsatz zu beobachten. Innerhalb des ersten Katheters schiebt Boeckh-Behrens einen zweiten, schmaleren nach vorn, mithilfe von zwei Joysticks auf einem Steuerungsboard. Als das Ende des ersten Katheters erreicht ist, wird es spannend - die letzten drei Zentimeter steuert der Arzt einen Führungsdraht, um direkt zum Eingang des Aneurysmas zu gelangen.

Blick ins Gehirn: Auf den Computermonitoren lässt sich der Fortgang des Eingriffs ständig beobachten. (Foto: Kathrin Czoppelt/Klinikum rechts der Isar)

Das ist der diffizilste Teil des Eingriffs - der Mikro-Katheter muss genau platziert werden, er darf aber natürlich nicht die Gefäßwand perforieren oder zu weit in das Aneurysma eindringen: Das wäre gefährlich für die Patientin.

Mucksmäuschenstill ist es jetzt im OP und dem Steuerungscockpit, nur ab und zu tauschen sich Boeckh-Behrens und Maegerlein knapp über den Fortschritt aus. Der Vorteil des Roboters gegenüber der manuellen Steuerung wird jetzt klar: Das Gerät erlaubt einen Vorschub von unter einem Millimeter, was händisch nur schwer zu machen wäre, und erhöht so die Genauigkeit.

Geschafft! Der Führungsdraht wird herausgezogen, jetzt soll der Coil platziert werden. Der ist zunächst noch gerade, sechs Zentimeter lang. Erst im Aneurysma wird er sich zu einer Spirale mit drei Millimetern Durchmessern aufrollen. Das kleine Stück Draht kostet 800 Euro, aber nicht deswegen geht Tobias Boeckh-Behrens äußerst behutsam vor: Auch hier besteht die Gefahr, das Aneurysma anzustechen. Auf den Monitoren vor dem Arzt ist sehr schön zu sehen, wie die Ausbeulung gefüllt wird.

Aber noch nicht ausreichend - ein weiterer Coil wird eingebracht, drei Zentimeter lang, danach ist zu sehen, dass kein Blut mehr in das Aneurysma fließt - die Premieren-Operation war erfolgreich. Und da darf auch einem Neuroradiologen mal ein "Saugeil" entfahren.

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