München Klinik in Harlaching:Operation unberechenbar

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Nach jahrelanger Planung wird nun der symbolische Grundstein gelegt für die neue München Klinik Harlaching. (Foto: Catherina Hess)

Die Arbeiten für die neue Klinik in Harlaching gehen zügig voran, Teile des Rohbaus für 550 Betten stehen bereits. Die schlechte Nachricht: Bei der Finanzierung tun sich immer größere Lücken auf.

Von Heiner Effern und Ekaterina Kel, München

An diesem Mittwoch verläuft die Mittagspause für die Bauarbeiter auf dem Harlachinger Krankenhausgelände ganz anders als sonst. Zwar halten, wie sonst auch, die Bagger still, aber dafür bevölkern Menschen in dunklen Anzügen und schicken Schuhen das Gelände, schwarze, glänzende Autos fahren aufs Grundstück, und irgendjemand verteilt Getränke auf Stehtische. Es ist ein besonderer Tag auch für die hier Versammelten. Nach jahrelanger Planung wird nun der symbolische Grundstein gelegt für die neue München Klinik Harlaching.

So wird sich die neue Klinik ins Viertel einfügen. Simulation: Hild und K, HDR (Foto: N/A)

Teile des Rohbaus sind bereits entstanden, die Gesellschaft versammelt sich auf ebenem Grund, an einzelnen Stellen ragen Eckpfeiler aus Beton in den Himmel, dicke Eisenstäbe gucken heraus. Über den Köpfen der geladenen Gäste hängen Baukräne. Alles an dieser Szenerie führt permanent vor, dass hier zügig gearbeitet wird. Er schaue täglich aus dem Besprechungsraum direkt auf die Baustelle, sagt Marcus Krüger, Chefarzt der Neonatologie. Und jeden Tag entstehe hier wieder etwas Neues. Dass das Baufeld ausgerechnet auf dem Platz der ehemaligen Kinderklinik liegt, stört ihn nicht. Seit deren Umzug ins alte, noch stehende Hauptgebäude seien die Wege zwischen der Frauenklinik und seiner Station sogar viel näher und die Abläufe dadurch viel angenehmer, erzählt Krüger.

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:Grün-rot muss transparenter mit den Finanzen umgehen

Die Sanierung der München Klinik kommt voran, aber die Kosten geben weiter Anlass zu großer Sorge. Das muss die Stadt den Menschen offen und schonungslos sagen.

Kommentar von Heiner Effern

Auch in Zukunft sollen die Fachabteilungen möglichst nahe beieinander liegen. Schon in ein paar Jahren soll auf dem Baufeld neben dem dann abzureißenden alten Hauptgebäude ein moderner Krankenhausbau stehen, mit 550 Betten, großer Notaufnahme, Geburtenstation und Hubschrauberlandeplatz. "Im November 2024 soll der Umzug sein", sagt Michael Bergmann-Mitzel, Geschäftsbereichsleiter Bau der städtischen Krankenhäuser.

Er wirkt tiefenentspannt, wenn er von dem Projekt erzählt. Über seinen Anzug hat er sich eine leuchtend rote Funktionsjacke geworfen. Nervös sei er gar nicht, sagt er. Es freue ihn einfach, dass der Grundstein endlich gelegt werde. Einen Ort haben sie dafür auch schon vorgesehen, auf einem Plakat zeigt er den markierten Punkt in der Mitte des Grundrisses. Dann schaut er hoch und zeigt in Richtung eines Bauhäuschens, "da wird er dann ungefähr eingelassen".

Bei der Grundsteinlegung halfen (von links) Dieter Reiter, Klaus Holetschek und Axel Fischer zusammen. (Foto: Catherina Hess)

Der Grundstein werde hier nicht nur für einen modernen Krankenhausneubau gelegt, sondern auch "für optimale Rahmenbedingungen für die Tätigkeit von Krankenhausmitarbeitern", kündigt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in seiner Rede an. Mindestens 255 Millionen Euro investieren Stadt und Freistaat in das Bauprojekt. Zuletzt wurde deutlich, dass der Finanzierungsbedarf sogar noch weiter gestiegen ist. Und: "Tendenz weiter steigend", scherzt der OB. Doch er gibt sogleich auch zu verstehen, dass die Stadt hinter den Bauvorhaben stehe, um die "klasse Leistung" der München Klinik weiterhin aufrechtzuerhalten - "auch in schlechten Zeiten", wie Reiter in Anspielung auf die Corona-Krise und die schlechte Haushaltslage betont.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) legt nach: "Jeder Euro ist ein gut investierter Euro." Und weiter: "Wir müssen die Gesundheitsversorgung in den Fokus nehmen und nachhaltig an den Arbeitsbedingungen vor Ort arbeiten." Ankündigungen, die der Geschäftsführer der München Klinik, Axel Fischer, bereits häufiger gehört haben dürfte. Er pocht wiederholt darauf, dass die Arbeitsbedingungen insbesondere der Pflegekräfte verbessert werden müssen. Seine Mitarbeiter hätten parallel zu Hunderten Corona-Patienten stets die Schlaganfälle, Herzinfarkte und die Geburten betreut. "Die München Klinik hat bewiesen, wie unverzichtbar sie für die Versorgung ist", so Fischer. Wer die kommunale Gesundheitsversorgung auch in der Zukunft gestalten wolle, müsse mehr investieren.

Die Simulation zeigt die künftige Außenfassade der Klinik. Simulation: Hild und K, HDR (Foto: N/A)

Die Sanierung der München Klinik an allen Standorten wird nach derzeitigem Stand etwa eine Milliarde Euro kosten. Dazu wird auch der Freistaat seinen Teil beitragen. Doch trotz der Förderung zeichnet sich ab, dass die Stadt bis zum Ende des Jahrzehnts noch viel mehr Geld in ihre fünf Krankenhäuser investieren muss, als bisher bekannt war. Anfang Mai wurden dem Stadtrat in einer nicht öffentlichen Sitzung die aktuellen Kosten vorgestellt. Laut der Beschlussvorlage, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, muss die gemeinnützige Krankenhausgesellschaft 141 Millionen Euro an Krediten aufnehmen. Dazu rechnet die Stadt damit, dass sie bis 2030 weitere 224 Millionen Euro zuschießen muss. Ein Schuldschein soll zudem 60 Millionen Euro bringen.

Die im Mai erstmals so bezifferte Finanzlücke von etwa 280 Millionen Euro für die Sanierung der München Klinik basiert auf einer aktualisierten Bewertung durch die München Klinik und die bis dahin in der Stadt verantwortliche Kämmerei. Dabei wurden nochmals alle strukturellen Finanzprobleme, aber insbesondere die Preissteigerungen, die Bauverzögerungen und alle vorstellbaren Risiken der drei Großbaustellen an den Standorten Schwabing, Bogenhausen und Harlaching beziffert und mit Eintrittswahrscheinlichkeiten hinterlegt.

Dazu tauchten auch erstmals Kosten von 80 Millionen Euro am bereits sanierten Krankenhaus in Neuperlach auf. Zu allem Überfluss schlichen sich anfangs noch mehrere Rechenfehler in eine Tabelle ein. Der maximal schlimmste Fehlbetrag von anfangs 372 musste auf 672 Millionen Euro nach oben korrigiert werden. Auf die Summe, deren Eintritt als wahrscheinlich gilt, hatte diese Korrektur keinen Einfluss: Sie blieb bei 254 Millionen Euro, plus einer weiteren Lücke von 28 Millionen Euro.

Ein Grund für die deutlich höheren Kosten sind die enormen Bauverzögerungen. Das neue Krankenhaus in Harlaching sollte zum Beispiel nach den ursprünglichen Plänen bereits diesen Herbst bezugsfertig sein. In Schwabing und Bogenhausen ist der Zeitplan noch mehr in Verzug geraten. Je konkreter die Projekte wurden, desto mehr zeigte sich zudem, wie komplex und unberechenbar der Bau eines Krankenhauses sein kann. In der aktuellen Bewertung verbergen sich jedoch nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. So könnte der Gesetzgeber nach der Pandemie etwa öffentliche Kliniken mit ihrem Auftrag zur Grundversorgung finanziell deutlich stärken. Das würde die Budgetlücke der München Klinik wiederum spürbar verkleinern.

© SZ vom 15.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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