Treibhausgase:Wie die Stadt ihre Klimabilanz berechnet

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Energieverbrauch lässt sich nur teilweise exakt berechen. (Foto: Robert Haas)

Wie viel Kohlendioxid stößt München aus? Das Rathaus erstellt regelmäßig Berechnungen - doch die arbeiten mit Näherungen und haben Lücken.

Von Jakob Wetzel

Die Zahlen wirken sehr exakt. Im Münchner Stadtgebiet wurden zuletzt Treibhausgase mit der Wirkung von 9 031 191 Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre geblasen, so rechnet es die jüngste Treibhausgas-Bilanz der Stadt vor. Heruntergebrochen auf jede Münchnerin und jeden Münchner entspricht das jeweils 5,9 Tonnen. Für knapp die Hälfte dieser Emissionen sind Handel, Gewerbe und Industrie verantwortlich, für 29,2 Prozent die Privathaushalte, für 18,4 Prozent der Verkehr; so gliedert es die Bilanz auf. Und sie enthält auch genaue Angaben zum Energieverbrauch. So wurden in der Stadt 26 670 Gigawattstunden an Endenergie verbraucht - also an Energie, wie sie etwa in Form von Strom aus der Steckdose kommt. Pro Einwohner sind das etwa 17 500 Kilowattstunden.

Alle diese Zahlen sind wirkmächtig: Sie bilden die Richtschnur der Stadt auf dem Weg zur Klimaneutralität. Bis 2035 will München den Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen auf 0,3 Tonnen CO₂ reduzieren. Diese Menge will die Stadt dann kompensieren. Doch ein näherer Blick auf die Zahlen zeigt: Nicht alles lässt sich exakt erfassen. Wenn die Stadt berechnet, wie viel Energie die Münchner verbrauchen und wie viel CO₂ deshalb ausgestoßen wird, ist sie auch auf Näherungen angewiesen. Und die Bilanz hat Lücken.

Die Zahlen aus der städtischen Treibhausgas-Bilanz sind zunächst nicht ganz neu. Es dauere immer einige Zeit, bis alle Daten vorliegen, heißt es vom Klimaschutzreferat der Stadt. So bezieht sich die jüngste Treibhausgas-Bilanz auf das Jahr 2017. Neuere Daten sollen Anfang 2022 veröffentlicht werden.

Strom, Gas und Fernwärme lassen sich laut Stadt exakt beziffern

Grundlage der Bilanz ist der sogenannte BISKO-Standard, die "Bilanzierungssystematik Kommunal", die bundesweit von vielen Städten und Gemeinden angewendet wird. Diesem gemäß soll alles einfließen, was im Stadtgebiet an Energie verbraucht wird. Das fällt leicht, wenn es um Energie geht, die in München aus der Leitung kommt: Strom, Gas und Fernwärme ließen sich exakt beziffern, heißt es vom Klimaschutzreferat. Der Verbrauch zum Beispiel von Heizöl lasse sich dagegen nur abschätzen. Konkret hierfür behilft sich die Stadt mit einer Näherung aus einer München-spezifischen Studie.

Ebenfalls nicht exakt messbar ist die Energie, die im Straßenverkehr verfahren wird. Für öffentliche Verkehrsmittel lägen zwar sehr genaue Daten vor, erklärt die Stadt. Für den übrigen Verkehr aber behelfe man sich mit Zahlen aus der Verkehrszählung. Die Stadt weiß aus dieser, wie viele Autos und Lastwagen unterwegs sind. Sie weiß aber nicht genau, mit welchen Antrieben und welchem Verbrauch.

Der Flugverkehr im Erdinger Moos fließt in die Bilanz nicht ein

Unschärfen gibt es auch, wenn die verbrauchte Energie in Treibhausgas-Emissionen umgerechnet wird. Zum Beispiel beim Strom: Für diese Rechnung wird etwa nicht berücksichtigt, in welchem Umfang die Stadtwerke bereits erneuerbaren Strom erzeugen. Verwendet wird der deutschlandweite Strom-Mix.

Und schließlich fällt ein erheblicher Teil der Münchner Treibhausgase ganz aus der Bilanz heraus - nämlich ein Großteil dessen, was jenseits der Stadtgrenzen ausgestoßen wird. Der Flugverkehr im Erdinger Moos etwa fließt nicht ein. Und auch die Graue Energie, also diejenige Energie, die zur Herstellung von Dingen aufgewendet worden ist und etwa in Nahrungsmitteln oder auch in Gebäuden steckt, taucht nicht auf. Wie groß diese Lücke in der Bilanz ist, lässt sich mangels Daten nicht genau beziffern. Eine Ahnung davon könnte aber der CO₂-Rechner des Umweltbundesamtes geben: Der berücksichtigt neben Energie und Verkehr auch Faktoren wie Konsum und Ernährung. Der Treibhausgas-Fußabdruck aller Deutschen beläuft sich demnach im Durchschnitt auf mehr als elf Tonnen CO₂ pro Kopf - also fast doppelt so viel wie die 5,9 Tonnen in der städtischen Bilanz pro Münchnerin und Münchner.

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