Ruhestand:Rentner klagt erfolgreich gegen Rentenversicherung

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Die so genannte "Rente mit 63" wurde von der großen Berliner Koalition 2012 eingeführt.

(Foto: imago/Eibner)

Ehe der Mann in den Ruhestand gehen konnte, wurde sein Arbeitgeber insolvent. Die Rente mit 63 steht ihm trotzdem zu, befindet das Landessozialgericht.

Von Stephan Handel

Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat in einem wegweisenden Urteil die Rechte besonders langjährig Versicherter beim Übertritt ins Rentnerdasein gestärkt: In einem Urteil vom Mittwoch entschied das Gericht, dass für die vorzeitige Renten-Gewährung auch anzurechnen ist, wenn der Betroffene seine letzten Berufsjahre in einer Transfergesellschaft angestellt war, weil der ursprüngliche Arbeitgeber in Insolvenz gegangen ist.

Die sogenannte Rente mit 63 wurde von der großen Berliner Koalition 2014 eingeführt. Danach kann ohne Abschläge in Rente gehen, wer in seinem Leben 45 Jahre - 540 Monate - Beiträge zur Rentenversicherung bezahlt hat, auch wenn er das eigentliche Rentenalter noch nicht erreicht hat. Zu den Zeiten, die bei der Berechnung berücksichtigt werden, gehören unter anderem auch solche der Arbeitslosigkeit - mit einer Ausnahme: Wenn der Ruheständler in spe in seinen letzten beiden Berufsjahren Arbeitslosengeld bezogen hat, dann wird diese Zeit nicht berücksichtigt. Damit wollte der Gesetzgeber Mauscheleien zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern verhindern.

Es gibt aber eine Ausnahme von der Ausnahme: Wenn die Arbeitslosigkeit am Ende des Berufslebens entsteht, weil der Arbeitgeber insolvent gegangen ist oder weil er seinen Betrieb vollständig aufgegeben hat, dann wiederum zählen die letzten beiden Jahre.

So ähnlich ging es dem Mann, der nun seinen Prozess gewonnen hat: Er war bis 2012 bei einem Hersteller von Druckmaschinen in der Nähe von Augsburg beschäftigt. Dieses Unternehmen meldete im November 2011 Insolvenz an. Von Februar bis Oktober 2012 war der Mann in einer Transfergesellschaft angestellt, die den Beschäftigten bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz behilflich sein sollte und ihnen außerdem den Bezug von Kurzarbeitergeld ermöglicht. Nach dieser Zeit war er arbeitslos, bis er 2015 die Rente beantragte.

Nun stellte sich heraus, dass jene Beschäftigung in der Transfergesellschaft von Belang war, damit der Mann seine 45 Jahre vollmachen und ohne Abschläge in Rente hätte gehen können. Die Deutsche Rentenversicherung lehnte seinen Antrag ab und stellte sich auf den Standpunkt, sein letzter Arbeitgeber sei eben jene Transfergesellschaft gewesen, und die sei ja nicht insolvent geworden. Also würden auch die letzten zwei Jahre Arbeitslosigkeit nicht angerechnet.

Versicherung wird "zur Gewährung der beantragten Rente" verurteilt

Der Mann legte Widerspruch ein, der wurde abgelehnt. Er klagte vor dem Sozialgericht Augsburg - und verlor. Erst in der Berufung vor dem Landessozialgericht bekam er nun Recht, die Versicherung wurde "zur Gewährung der beantragten Rente" verurteilt, wie es in einer Mitteilung des Gerichts heißt. Von Bedeutung war für die Richter dabei vor allem, wie die Vereinbarung zur Überführung in die Transfergesellschaft zustande kam: Sie, ein dreiseitiger Vertrag, wurde unterschrieben vom Arbeitnehmer, vom Geschäftsführer der Gesellschaft - und vom Insolvenzverwalter des ursprünglichen Unternehmens.

Das reichte dem Gericht als Beweis dafür, dass es sich nicht um eine Gefälligkeits-Vereinbarung handle, um zuerst Arbeitslosengeld und dann die vorzeitige Altersrente zu bekommen: Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass mit der Zwei-Jahres-Regelung vor allem Fehlanreize vermieden werden sollten. Auch habe das Bundessozialgericht in einem anderen Fall entschieden, dass der Bezug von Arbeitslosengeld insolvenzbedingt sei, wenn das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Insolvenzverwalter beendet werde: "Dann könne ein Missbrauch durch Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen werden."

Und schließlich fanden die Richter für ihre Entscheidung auch arbeitsmarktpolitische Argumente: Das Mittel der Transfergesellschaft diene ja gerade dem Zweck, mit Hilfe von Förderungen doch noch einen neuen Arbeitsplatz zu finden und die Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Wenn ältere Arbeitnehmer in einem solchen Fall um die Möglichkeit fürchten müssten, frühzeitig in Rente zu gehen, dann müssten sie letztendlich warten, bis ihnen von der alten Firma insolvenzbedingt gekündigt würde. Damit würde man sie aber der "politisch ausdrücklich erwünschten" Alternative berauben, erneut in Lohn und Brot zu kommen.

Das Thema schreit geradezu nach einer bundeseinheitlichen Regelung, die in diesem Fall nur über die Rechtsprechung geschehen kann. Deshalb wurde die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. (AZ: L 1 R 457/18)

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