Einmal im Jahr bekommen mehr als 30 Millionen Versicherte von ihrer gesetzlichen Rentenversicherung einen Brief, den sie nicht gleich wegschmeißen sollten. Darin steht Schwarz auf Weiß, wie viel - oder wie wenig Rente sie später einmal zu erwarten haben. So mancher zukünftige Ruheständler mag dann enttäuscht sein. Die Renten sind in Deutschland nicht allzu hoch. Der sogenannte Eck-Rentner, ein westdeutscher Muster-Rentner, der 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt und dabei stets wie der Durchschnitt aller Versicherten verdient hat (2020: 3379,25 Euro brutto im Monat) kommt laut Deutscher Rentenversicherung derzeit auf eine monatliche Altersrente von rund 1487 Euro vor Abzug von Steuern und Krankenversicherung.
Wie es um die Finanzen im Ruhestand steht, hängt aber nicht nur von der Höhe der Rente ab. Es kommt auch darauf an, was sich Ruheständler davon tatsächlich leisten können. Und hier gibt es in Deutschland regional große Unterschiede. Das hat die Prognos AG in einer Studie für die Initiative "7 Jahre länger" herausgefunden, die der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ins Leben gerufen hat. Dabei hat das Wirtschaftsforschungsinstitut die Lebenshaltungskosten der Rentner in 401 Kreisen und kreisfreien Städten verglichen. Das Ergebnis: Die Rentnerparadiese befinden sich derzeit eher in den neuen Bundesländern. Dort haben die Rentner mehr von ihrem Geld, auch weil die Mieten oft noch deutlich günstiger sind als im Westen.
So haben laut Prognos 1000 Euro für Rentner in München - dem teuersten Altersruhesitz - eine Kaufkraft von 763 Euro. Im brandenburgischen Landkreis Elbe-Elster liegt der reale Wert hingegen bei 1158 Euro. "Der Wohnort hat großen Einfluss auf die Lebenshaltungskosten und damit den Wohlstand im Alter", sagt Studienautor Heiko Burret. Teurere Gegenden müssten jedoch nicht zwangsläufig unattraktiver sein, da die Löhne und somit auch die Renten dort tendenziell höher seien als in günstigeren Regionen. "Einbußen beim Lebensstandard drohen überall dort, wo die Alterseinkünfte im Verhältnis zum regionalen Preisniveau sehr niedrig ausfallen", sagt Burret.
Sicher ist: In Bayern und speziell in Oberbayern ist das Leben für Rentner besonders teuer. So befinden sich gleich sieben der bundesweit zehn teuersten Altersruhesitze im Freistaat. Hinter München liegen die Landkreise München und Starnberg auf den weiteren Plätzen im deutschlandweiten Ranking. Zu den zehn teuersten Standorten zählen außerdem Miesbach, Dachau sowie Ebersberg und Fürstenfeldbruck, alle im Süden des Freistaats. Das Leben ist dort der Studie zufolge zwischen 15 und 21 Prozent teurer als im Bundesdurchschnitt. Generell ist das Rentner-Dasein im wirtschaftsstarken Süden der Republik kostspieliger. Gleich 40 der 50 teuersten Regionen verteilen sich auf Bayern, Baden-Württemberg und Hessen.
Deutlich günstiger können Ruheständler hingegen meist in Nord- und Ostdeutschland leben. Dort sind nur vier (Hamburg, Nordfriesland, Berlin, Potsdam) der 50 teuersten Regionen. Günstigstes Bundesland ist Sachsen-Anhalt: In allen 14 Kreisen und kreisfreien Städten liegen die Lebenshaltungskosten unter dem Bundesdurchschnitt. Es gibt aber auch in Bayern sehr preiswerte Gegenden, etwa in den wirtschaftlich schwächeren Randregionen wie dem Bayerischen Wald oder dem Fichtelgebirge. Dort liegen die Lebenshaltungskosten in den Landkreisen Freyung-Grafenau, Wunsiedel, Hof, Tirschenreuth und Regen um mehr als zehn Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.
Gesundheitsausgaben und Miete haben hohe Priorität
Für die Auswertung hat das Wirtschaftsforschungsinstitut die Gewichtung des für die Berechnung der Lebenshaltungskosten maßgeblichen Warenkorbs des Statistischen Bundesamtes an das Konsumverhalten von Menschen mit mindestens 65 Jahren angepasst. "Gesundheitsausgaben und Mieten haben in dieser Altersgruppe beispielsweise ein höheres Gewicht. Kosten für Bildung spielen dagegen eine geringere Rolle", heißt es dazu.
Wie sich die Kaufkraft der Renten generell und jeweils in den mehr als 400 Kreisen und kreisfreien Städten Deutschlands zukünftig entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab. In ihrer jährlichen Renteninformation weist die DRV stets darauf hin, dass der Anstieg der Lebenshaltungskosten die Kaufkraft des zu erwartenden Alterseinkommens verringern kann. "Bei der ergänzenden Altersvorsorge sollten Sie - wie bei Ihrer zu erwartenden Rente - den Kaufkraftverlust beachten", heißt es in dem Schreiben. Von 2001 bis 2010 war dies recht häufig der Fall: In diesem Jahrzehnt stiegen nach Angaben der Bundesregierung die Preise um durchschnittlich 1,36 Prozent pro Jahr. Im gleichen Zeitraum wurden die gesetzlichen Altersbezüge aber nur um jährlich 0,82 Prozent erhöht. In den vergangenen zehn Jahren sah es viel besser aus: Die Renten stiegen deutlich stärker als die Inflationsrate. Das kann sich nun durch die Folgen der oroncabedingten Wirtschaftskrise wieder ändern.
Die Bundesregierung erwartet zwar in ihrem jüngsten Rentenversicherungsbericht bis 2033 Rentensteigerungen von durchschnittlich 2,2 Prozent pro Jahr. Doch den Bericht verfassten die Fachleute im Bundesarbeitsministerium vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Wenn die Löhne wegen der Corona-Krise in diesem Jahr nicht steigen, sondern besonders wegen des massenhaften Einsatzes von Kurzarbeit sinken, dürfte es 2021 mit einer deutlichen Rentenerhöhung nichts werden. Eher wahrscheinlich wäre dann im kommenden Jahr eine Nullrunde bei der Rente.