Corona in Stadelheim:Ein Gefängnis-Ausbruch, der unbedingt verhindert werden soll

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Ein großes Haus, aber mit vielen abgeschlossenen Abteilungen: Das hilft Stadelheim beim Kampf gegen Corona-Ausbrüche. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die Justizvollzugsanstalt Stadelheim ist bislang erstaunlich glimpflich durch die Pandemie gekommen. Dabei helfen ein paar Besonderheiten.

Von Joachim Mölter

In Gefängnissen ist ja grundsätzlich immer mit einem Ausbruch zu rechnen, in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stadelheim bereiten sie sich gerade aber besonders darauf vor, einen zu verhindern: den der Omikron-Variante des Coronavirus. "Wir haben natürlich Notfallpläne", sagt Stadelheims Anstaltsleiter Michael Stumpf, "und wir haben Rückfallebenen gebildet für bestimmte Bereiche." Falls zum Beispiel die Küchen-Mannschaft komplett in Quarantäne müsste, hat er bereits Vertreter für die Vertreter organisiert, sollten die danach auch noch ausfallen: "Wir haben vorsichtshalber schon mal nach Hobbyköchen gesucht."

Der Leitende Regierungsdirektor Stumpf ist verantwortlich für das Wohlergehen von mehr als 1600 Menschen - etwa 900 männliche und 120 weibliche Häftlinge sowie rund 650 Mitarbeiter. Von denen sind im Gegensatz zu den Dauerinsassen nie alle zur gleichen Zeit da. Aktuell arbeiten täglich etwa 350 in drei Schichten im Haus. Er habe ein relativ junges Team, erzählt Stumpf, "da fallen immer mal wieder welche auch als Kontaktpersonen aus, wegen ihrer Kinder".

Was die Häftlinge angeht, seien sie in Stadelheim aber bislang glimpflich durch die Pandemie gekommen, berichtet Stumpf: In den eindreiviertel Jahren, in denen die Corona-Wellen nun durchs Land schwappen, hätten nur zwei Insassen in der Klinik behandelt werden müssen - einer für drei, der andere für dreizehn Tage.

Viele Häftlinge sind in einem schlechten körperlichen Zustand, aber auch überwiegend jung

Es freut Stumpf, dass er bislang so wenige Fälle hatte, "weil verhältnismäßig viele Gefangene in einem schlechten körperlichen Zustand sind", wie er sagt. Andererseits, gibt er zu bedenken, bestehe sein Klientel auch aus überwiegend jüngeren Menschen ohne große Vorerkrankungen. Viele Fälle seien auch bloß bei Routinetestungen entdeckt worden, verliefen also offensichtlich weitgehend symptomfrei.

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Grundsätzlich müssen in allen bayerischen JVAs die Neuankömmlinge erst einmal 14 Tage in eine sogenannte Zugangsquarantäne; in dieser Zeit sind sie isoliert und dürfen ihre Zelle nur für eine Stunde pro Tag verlassen. Danach wird ein PCR-Test gemacht, und erst wenn der negativ ausfällt, dürfen sie in den Normalvollzug. "Das hat sich bisher gut bewährt", findet Stumpf. Es schließt jedoch nicht aus, dass das Coronavirus in die Haftanstalt eindringt und dort wieder ausbricht.

Die größte Herausforderung in Stadelheim sei die Fluktuation, auch wegen der vielen Untersuchungshäftlinge, erklärt Stumpf. Zwischen 1. November und 15. Dezember haben seine Mitarbeiter 473 Neuzugänge registriert, darunter 54 Frauen, "vor allem aus Milieus, die keine hohe Impfquote aufweisen", wie der Anstaltschef sagt. Nur 119 neue Insassen seien vollständig geimpft gewesen. "Wir sind sehr bemüht, alle Neuen von der Impfung zu überzeugen", sagt Stumpf: "Jeder impfwillige Gefangene bekommt innerhalb von ein bis zwei Tagen einen Termin." Seit auch die Anstaltsärzte die Spritze geben dürfen, tun sie das nahezu an jedem Werktag; bis unmittelbar vor Weihnachten konnten so etwa 600 Gefangene geimpft werden.

München ist ein Knotenpunkt des bayerischen Gefangenentransports

Seit Anfang Dezember haben sich die Corona-Fälle außerhalb der Quarantänestation gehäuft, hat Stumpf festgestellt. Zwischendurch waren deshalb vier der insgesamt 26 Stationen isoliert, zwei wurden mittlerweile wieder frei getestet. Worauf die Fälle zurückzuführen sind, ist noch nicht gesichert. Aber München ist ein Knotenpunkt des bayerischen Gefangenentransports; zudem müssen täglich bis zu 40 Inhaftierte zu Terminen, Verhandlungen oder Behördengängen gebracht werden. Ein gewisses Ansteckungsrisiko bringt natürlich auch das Personal in die Anstalt mit.

In der JVA Straubing hatte sich vor Weihnachten innerhalb einer Woche die Zahl der Corona-Fälle fast verdoppelt, von 55 auf 98. Im Vergleich zu Straubing habe Stadelheim freilich bauliche Vorteile, welche der Eindämmung einer Seuche dienen, erklärt Anstaltsleiter Stumpf. Während in Straubing alle Zellengänge sternförmig aufeinander zulaufen und in einen Mittelpunkt münden, sind die Abteilungen in Stadelheim strikt abgeschottet. Jede Station ist mit maximal 50 Leuten belegt, manchmal auch nur mit 20. Andere Stationen befinden sich einen Stock höher oder tiefer oder gleich in einem ganz anderen Gebäudeteil. Da fällt es vergleichsweise leicht, eine Station zu isolieren.

Für die Gefangenen ist das eine schwierige Situation, wenn sie wieder 14 Tage nur in ihrem Haftraum verbringen müssen, weiß Stumpf; normalerweise stehen die Zellen ja zumindest tagsüber offen, so dass die Gefangenen Kontakte pflegen können. Aber die Häftlinge seien diesbezüglich "wirklich sehr diszipliniert", lobt der Anstaltsleiter: "Sie verstehen, dass wir sie nicht ärgern wollen. Sie sehen die Notwendigkeit der Maßnahmen ein."

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