Übungswochenende der Wasserwacht:Rette, wer kann!

Lesezeit: 3 min

Am Pfingstsonntag üben die Ehrenamtlichen der Wasserwacht die Rettung aus der Isar. (Foto: Stephan Rumpf)

Einmal im Jahr trainieren die Helfer der Wasserwacht in der Isar mit Schlauchboot, Leitern und Seilen für den Ernstfall. Denn immer wieder kommt es an dem Fluss zu gefährlichen oder gar tödlichen Unfällen.

Von Anna Hoben

An den Farben erkennt man sie. Rot-blauer Neoprenanzug: ausgebildete Wasserretter. Schwarzer Neoprenanzug: Neulinge und Mitglieder der Jugendgruppe. Es ist Sonntagvormittag, kurz nach elf Uhr, und von der Brücke über dem Isarwerkkanal an der Marienklause springen zwei rot-blaue Neoprenanzüge ins Wasser. Gemächlich treiben sie abwärts, die Strömung ist schwach an diesem Tag. Vom Ufer nähert sich ihnen eine weitere Person in rot-blau und wirft den beiden eine Rettungsboje zu. An Land gezogen, geschafft. Auf der Brücke sind unterdessen Passanten stehen geblieben, sie klatschen Beifall.

Es ist Übungswochenende bei der Wasserwacht München-Mitte, auch Isarrettung genannt. Drei Tage lang trainieren die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer. Samstag: Erste Hilfe bei alltäglichen Unfällen an der Isar, Verbrennungen, Schnittverletzungen, dergleichen. Sonntag: die Rettung aus dem Wasser. Am Montag wollen sie die Wasserrettung dann noch verknüpfen mit der Behandlung danach.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Vom Isarwerkkanal sind es nur wenige Schritte hinüber zur Marienklausenbrücke. Hier gibt es immer wieder Unfälle mit Schlauchbooten. Hier ist die Stelle, an der die Isar wasserfallartig über einen Absatz nach unten stürzt und an der sich bei einem höheren Pegel eine lebensgefährliche Wasserwalze bildet. Gerät man da hinein, verliert man innerhalb von Sekunden die Orientierung. Hier ist im vergangenen Jahr ein 14-Jähriger verunglückt, als er einen Fußball aus dem Wasser holen wollte. Eine bunt geschmückte Gedenkstelle an einem Baumstamm am Ufer erinnert daran.

Immer zu Beginn der Saison veranstalten die Wasserwachtler eine Übung. Diese hätte eigentlich schon im April stattfinden sollen, wurde aber auf das Pfingstwochenende verschoben. Zwei Stationen hat die Wasserwacht Mitte, eine am Flaucher und eine an der Marienklause. Von Mai bis September übernehmen die Ehrenamtlichen den Wachdienst an der Isar, immer an den Wochenenden und an Feiertagen, jeweils von 10 bis 19 Uhr.

Um neun haben sie sich an diesem Sonntagmorgen getroffen, etwa 25 bis 30 Frauen, Männer und Jugendliche. Eigentlich hatten sie einen festen Plan für diesen zweiten Tag ihres Übungswochenendes. Wegen der Unwettergefahr werfen sie ihn über den Haufen - und gehen schon am Vormittag ins Wasser. Sie wollen das gute Wetter ausnutzen, so lange es geht. Ins Wasser gegangen sind hier an diesem Tag auch schon zwei junge Männer, auf Luftmatratzen haben sie sich durch das Wehr treiben lassen und sind gerade so an einer Holzplanke vorbeigekommen, die bei dem niedrigen Pegel aus dem Wasser ragt. Erzählt man den Rettern davon, erntet man stummes Kopfschütteln.

Unter den Augen von Ausbildungsleiter Michael Brambach (mit gelbem Helm) klettern die Teilnehmer der Übung eine Leiter nach unten. (Foto: Stephan Rumpf)

Michael Brambach, der Ausbilder, erklärt noch kurz die Ausrüstung: Sicherheitsschuhe, Neoprenanzug, Schwimmweste als Auftriebskörper, eine Pfeife, um Signale geben zu können, Sicherheitsmesser, um etwa schnell ein Seil durchtrennen zu können, Helm, Wurfsack. Die Gruppe teilt sich nun auf. Ein Teil geht rüber zur Marienklausenbrücke und auf den von ihr abgehenden Steg. Sie haben eine Leiter dabei. "Ist jeder schwindelfrei?", fragt Brambach. Einige nicken, manche wiegen den Kopf hin und her. Trotzdem klettert nun einer nach dem anderen über die Leiter nach unten zu einem Mäuerchen.

Helfer paddeln mit dem Schlauchboot durch die Isar, um ein Gefühl für den Fluss und die Strömung zu bekommen. (Foto: Stephan Rumpf)
(Foto: Stephan Rumpf)

Vom gegenüberliegenden Ufer nähert sich das Rettungsboot der anderen Gruppe. Mit den Paddeln drehen es die Helfer, probieren aus, wie es reagiert. Es geht darum, ein Gefühl zu bekommen, für das Boot, für den Fluss, für die Strömung. Einer springt ins Wasser, andere folgen nach. Sie können stehen, das Wasser geht ihnen ungefähr bis zur Hüfte. "Wenn es aber heute noch südlich von hier richtig schüttet, kann es morgen ganz anders aussehen", sagt Michael Greiner, der bei der Wasserwacht Mitte für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Er erklärt nun, wie die Abläufe im Ernstfall sind. "Da muss es sitzen." Kommt es zu einem Alarm oder beobachtet der Wachdienst selbst einen Notfall, müssen die Helfer in zwei bis drei Minuten komplett umgezogen sein. Einer würde derweil schon mal loslaufen, der in Not geratenen Person einen Wurfsack zuwerfen, sie an die Mauer heranziehen. Genau so, wie die Übenden jetzt auch gerade vorgehen. 100 Wachdienste hat die Isarrettung im vergangenen Jahr absolviert. 80 Mal haben die Retter erste Hilfe geleistet; neun Patienten mussten ins Krankenhaus gebracht werden.

An diesem Sonntag kommt nun noch ein Spineboard zum Einsatz, ein Hilfsmittel zur Rettung verunglückter Personen, bei denen eine Verletzung der Wirbelsäule nicht auszuschließen ist. Es geht darum, jemanden damit am Ufer die Böschung hochzubringen. Kein leichtes Unterfangen an einer Stelle, an der man eigentlich alle Viere braucht, um hochzukraxeln. Es geht reichlich ruckelig zu, und es dauert - doch schließlich ist die Kollegin, die die verletzte Person mimt, oben angekommen.

Für ein Mädchen aus der Jugendgruppe, 13 Jahre alt, ist es die erste große Übung gewesen. Sie ist zwar schon vor der Corona-Pandemie zur Wasserwacht gekommen, aber in den vergangenen beiden Jahren konnte nicht viel stattfinden. Wenn, dann gab es Übungen in Kleinstgruppen. Und, wie war's? "Hat Spaß gemacht", sagt sie. Ein bisschen aufregend, ja, das schon auch. In ihrer Gruppe war auch Barbara Maier, 56, seit ungefähr sechs Jahren Mitglied der Isarretter. "War cool", sagt auch sie. Die Kenntnisse auffrischen, wieder ein Gefühl für die Isar bekommen, das sei gut gewesen. Normalerweise trainieren sie im Müller'schen Volksbad - hier draußen ist es schon ein bisschen anders.

Barbara Maier muss los, auf der anderen Flussseite wartet das Mittagessen, Chili sin carne. Während die Gruppen fleißig geübt haben, hat eine Kollegin im Wachhäuschen für alle gekocht. Noch hält das Wetter, aber Maier macht sich nochmal nass. Den Weg über die Brücke nehmen? Nein, sie geht lieber durch den Fluss.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Rolling Stones in München
:"Nicht viele Bikinis heute Abend"

Dafür blickt Mick Jagger erst einmal auf Regenponchos. Doch das Unwetter verschont das erste Deutschland-Konzert der aktuellen Stones-Tour - über Sorgen, Suchen und Satisfaction vor und im Olympiastadion.

Von Michael Zirnstein

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: