Haus der Kunst:Skulpturen, verdampft im Nebel

Lesezeit: 2 min

Das ist Nebel. Es gibt ihn auch in der Natur! (Foto: Heinz Gebhardt /imago images)

Wer glaubt, die Nebel-Kunst im Haus der Kunst sei simpel, der hat sie nur nicht kapiert.

Glosse von Christiane Lutz

Eine uralte Faustregel der Kunstbranche besagt: Kunst ist erst dann richtig gut, wenn sie zwar banal aussieht, aber hochgradig kompliziert gemeint ist. Schon die Höhlenmenschen von Lascaux haben sich das gedacht und malten neben offensichtlichen Bildern von schwimmenden Hirschen auch allerhand rätselhafte Muster und Symbole. Bis heute fragen sich Forscher, was diese bedeuten, Fakt ist aber, dass die Höhlenbesucher sie schon damals nicht verstanden haben.

Ein gewisser "Häh?"-Effekt ist vor allem in der Bildenden Kunst also auf jeden Fall von großem Vorteil. Man meint, man starrt im Museum auf eine leere Wand? Das ist ein Diskursraum, der da eröffnet wird! Man glaubt, dieses Knäuel Kunststoffschnüre auf dem Boden ist zufallsgewickelt? Das sind die Wirrungen der Gegenwart! Idealerweise sieht etwas sehr simpel aus, ist aber natürlich bis ins Detail durchdacht. Von wegen "das könnt ich auch". Im Film "The Square" zum Beispiel markiert eine Künstlerin vor einem Museum ein kleines Quadrat auf dem Boden. Darin ist nicht nichts, sondern "eine Zufluchtsstätte, in der Vertrauen und Achtsamkeit herrschen", wie der Kurator beschreibt. Der italienische Künstler Salvatore Garau verkaufte gar eine unsichtbare Skulptur für 15 000 Euro. Und das, man kann es nicht anders sagen, ist nicht nur große Kunst, sondern schlicht genial. Nur weil der Pöbel etwas nicht sieht, existiert es noch lange nicht nicht.

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Im Haus der Kunst in München ist derzeit die Installation "Nebel Leben" der japanischen Künstlerin Fujiko Nakaya zu besuchen. Wer dort hingeht, drängt sich mit sehr vielen Menschen in einem Raum, in den ein sehr flacher Pool gebaut ist. Nach spannungsvoller Ruhe sprühen dann alle 15 Minuten ein paar Düsen Wasserdampf.

Nebel? Wie in der Natur, nur künstlich

Wer jetzt denkt, das sei einfach nur Wasserdampf, oder Gedanken hegt wie "morgens im Bad sieht es bei mir aber genauso aus", irrt selbstverständlich. Was da feucht wabert, sind Skulpturen, vollständig aus Wasser bestehend, die die traditionelle Vorstellung von Skulptur herausfordern und den Blick des Betrachters über die Grenzen alles bisher über Wasserdampf und Skulpturen Geglaubten lenkt.

Gekrönt wird die Arbeit von Nakaya von der Idee, Nebel auch draußen zu versprühen. Ganz richtig: Nebel in der Natur! Verrückt. Besonders toll an Tagen, an denen der Himmel grau und trüb über München hängt, dann sind die aufwendigen Skulpturen nämlich überhaupt nicht mehr vom Drumherum zu unterscheiden. Die Tatsache, dass die Künstlerin selbst nicht weiß, wohin ihre Skulpturen diffundieren, ist auf jeden Fall so gewollt und sehr kompliziert gemeint.

So zücken alle, die sich sonst über den Novembernebel beschweren, jetzt begeistert ihre Handys und fotografieren die trübe Chose, Instagram ist seit Wochen voll von nebligen Selfies aus München. Da fällt einem nur Hermann Hesse ein, der ja sagte: "Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein. Kein Baum sieht den andern, jeder ist allein."

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