EU-Modellprojekt:Quartier im Harthof soll energiepositiv werden

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So könnte es auch im Ascend-Modellquartier aussehen: Ein Haus der Münchner Wohnen außerhalb des Bereichs hat bereits eine Photovoltaik-Anlage. (Foto: Münchner Wohnen)

Mehr Energie erzeugen als verbrauchen - das ist das Ziel für ein paar Straßenzüge im Münchner Norden. Für die Anwohner gibt es kostenlose Beratung und Förderung. Da müsse man "zugreifen", findet eine städtische Mitarbeiterin.

Von Ellen Draxel

Auf den Rundblick mit der Virtual-Reality-Brille verzichten die wenigsten. In 3D lassen sich an diesem Nachmittag im Pfarrsaal der Versöhnungskirche am Harthof drei verschiedene Standorte eines im Viertel geplanten Parklets vergleichen, Anwohner dürfen bis zum 31. März über Platz und Ausgestaltung der kleinen urbanen Pausen-Insel abstimmen, zu der zwei Parkplätze über die Sommermonate umgestaltet werden könnten. Das Bürgerbeteiligungsangebot ist aber - neben seinem Beitrag zur Gestaltung des öffentlichen Raums - vor allem ein imageträchtiger Startschuss für ein viel ambitionierteres Vorhaben: Das Wohnquartier am Harthof soll in wenigen Jahren mehr Energie erzeugen als es verbraucht. Das will das EU-Energieprojekt Ascend ("Accelerating Positive Clean Energy Districts") erreichen.

"Der Harthof wird energiepositiv", jubelt zum Eröffnungstermin im neuen Ascend-Büro an der Hugo-Wolf-Straße 18 das komplette Team eines aus vielen Referaten zusammengesetzten städtischen Konsortiums. Mit einer Reihe von Kooperationspartnern - von der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung bis zu den Stadtwerken, von der Technischen Universität bis zu Firmen wie Stattauto und Isarwatt - will man bis 2027 das Vorhaben umsetzen. Zusammen mit Lyon gilt München dabei europaweit als Leuchtturm-Stadt, hier wird begonnen, was im Rahmen des "Green Deal" der Europäischen Union mit 40 Partnern in acht Städten letztlich erhebliche energetische Verbesserungen bringen soll. München bekommt dabei von der EU fünf Millionen Euro an Fördergeld. Die Stadt, die sich mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2035 selbst hochgesteckte Ziele gesetzt hat, legt weitere zehn Millionen Euro drauf.

Das Luftbild zeigt, rot eingerahmt, das Pilotquartier des Projekts Ascend. (Foto: Geodaten Service München)

Damit lässt sich am Harthof im Geviert zwischen Schleißheimer Straße und Lieberweg, zwischen Neuherberg- und Rathenaustraße einiges anschieben. Hier stehen in einem reinen Wohngebiet vor allem in die Jahre gekommene große Wohnblocks, mehr als zwei Drittel gehören zum städtischen Wohnungsunternehmen Münchner Wohnen. Letzteres geht deshalb auch beherzt mit der Sanierung voran. Eine Karte zeigt beim Eröffnungstermin in der Versöhnungskirche, wo überall im Viertel gedämmt werden und wo Photovoltaik auf die Dächer soll, wo Mieterstrom-Modelle möglich sind und wo Solarenergie-Projekte an Fassaden erprobt werden sollen. Die Realisierung folgt einem straffen Zeitplan, schon im Frühjahr 2024 bekommen die ersten Häuserzeilen am Lieberweg Solarmodule auf die Dächer.

Das Ziel, energiepositiv zu werden, aber lässt sich nur erreichen, wenn außer der Münchner Wohnen auch das Drittel privater Eigentümer - darunter einige Wohnungseigentümergemeinschaften - zum Mitmachen motiviert werden kann. Die Ascend-Mitarbeiter bieten deshalb in ihrer Sprechstunde jeden Dienstag von 14 bis 18 Uhr eine kostenlose Energiesparberatung an, in der sie über technische Möglichkeiten, aber auch über Fördergeld informieren. Allein diese Beratung kann auf dem freien Markt mehrere Tausend Euro kosten, dazu lassen sich unter Umständen Zuschüsse oder/und Darlehen generieren. Das EU-Projekt ist deshalb alles andere als abstrakt, es macht Sanierungen schlicht preiswerter. "Da muss man eigentlich zugreifen", meint Stadtdirektorin Ulrike Klar aus dem städtischen Planungsreferat.

Die Anwohner müssen überzeugt werden

Da das Ascend-Modellprojekt ganzheitlich konzipiert ist, geht es nicht nur um die Nutzung von Sonnenenergie, um Fernwärme und Gebäudedämmung. Sondern auch um Mobilität, Sharing-Angebote und Digitalisierung. Die Anwohner - Eigentümer genauso wie Mieter - will man gezielt einbinden, über die wöchentliche Sprechstunde, über Informationen im Internet, aber auch über den einen oder anderen Aktionstag. Das gilt nicht nur für die Abstimmung zu den Parklets, die unter www.unser.muenchen.de/harthof-wird-energiepositiv innerhalb des städtischen digitalen Beteiligungsportals www.unser.muenchen.de abläuft.

Das Angebot, sich zu informieren und einzubringen, erstreckt sich auf alle Sanierungsvorhaben und macht zunächst keinen Unterschied zwischen Bewohnern und Eigentümern. "Kommunikation ist ganz wichtig", sagt Projektkoordinator Stefan Synek. Es brauche überzeugende Argumente, das habe man bei der Debatte um das Heizungsgesetz gesehen. "Du kannst die Leute nicht zu ihrem Glück zwingen." Im Harthofer Projektgebiet etwa besteht flächendeckend die Möglichkeit, sich ans städtische Fernwärmenetz anzuschließen. Und viele Dächer dürften sich für Photovoltaik eignen. Den Entschluss, sich zu beteiligen, müssen die Eigentümer aber erst einmal fassen. "Wenn ich etwas umbauen oder sanieren wollen würde", unterstreicht Bernhard Klassen aus dem Referat für Arbeit und Wirtschaft, "dann würde ich es jetzt machen".

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