Wer im Alltag ein wenig Nervenkitzel verspüren möchte, der gehe in München ohne Reservierung essen: Die Suche nach einem freien Tisch kann durchaus aufregend und aufwühlend sein. Auch beim levantinischen Restaurant Maria im Glockenbachviertel heißt es meistens: Wer nicht reserviert hat, muss Schlange stehen. Ein wenig überrascht es deshalb, dass das Lokal bereits seit einigen Monaten bei Reservierungen für den Abend eine Kreditkartenhinterlegung verlangt – wenn die Gäste nicht kommen oder zu spät stornieren, wird eine Ausfallgebühr fällig, 35 Euro pro Person.
Man habe sich dazu entschieden, weil sie mit „einem immer weiter steigenden Prozentsatz an No-Show-Gästen zu kämpfen haben“, erklärt Geschäftsführerin Nadja Najib. Obwohl das Restaurant offiziell ausgebucht war, seien häufig nur zwei Drittel der Tische belegt gewesen. Tagsüber sei das meist kein Problem, da Passanten das ausglichen. Abends sei das aber nicht der Fall. Bevor sie die Ausfallgebühr einführten, seien so viele Gäste nicht gekommen, dass sich das spürbar negativ auf das Ergebnis ausgewirkt habe, sagt Nadja Najib.
Mit dieser Entwicklung ist das Maria in München nicht allein. „Wir sehen, dass immer mehr Dienstleister so eine Gebühr einführen“, erzählt Sonja Neumann von der Verbraucherzentrale Bayern. Bislang war dieses Vorgehen vor allem bei hochpreisigen Restaurants mit festen Menüs bekannt, doch Neumann berichtet von einem branchenübergreifenden Trend, von Gaststätten bis hin zu Friseursalons.
Grundsätzlich sei das auch nicht zu beanstanden, sagt Neumann. Diese Gebühr dürfe erhoben werden, da durch die Reservierung eine vorvertragliche Pflicht entstehe. „Der Wirt hält den Platz frei und kann ihn nicht weiter vergeben.“ Die Höhe der Ausfallzahlung liege im Ermessen der Geschäftsführenden, sagt Neumann. Im Zweifel müsse jedoch nachweisbar sein, dass tatsächlich ein Schaden in dieser Höhe entstanden sei. Mit verärgerten Gästen hatte die Verbraucherzentrale indes wenig Kontakt. „Uns sind nur sehr vereinzelt Beschwerden darüber bekannt“, berichtet Neumann.
Bisher gibt es auch im Maria nur wenig Probleme deswegen. Obwohl die Ausfallgebühr bereits vor einigen Monaten eingeführt wurde, musste sie nur in Ausnahmefällen entrichtet werden, sagt Nadja Najib. „Die 35 Euro orientieren sich an unserem Mindestumsatz pro Person an einem Abend. Wenn ein Tisch jedoch spontan nachbesetzt werden kann, fordern wir sie auch nicht ein“, sagt die Geschäftsführerin. „Wir wollen den Leuten ja auch nicht das Geld aus der Tasche ziehen, sondern nur vermeiden, vor einem leeren Lokal zu stehen. Der Umsatz ist unsere einzige Einnahmequelle.“
In vielen Münchner Gaststätten seien Reservierungen, die nicht wahrgenommen werden, ein Thema. „Das Thema No-Show in der Gastronomie ploppt immer wieder auf“, berichtet Thomas Geppert. Als Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands weiß er, dass dieses Thema für die Betriebe dramatische Auswirkungen haben kann. „Es kommt natürlich auf das jeweilige Kerngeschäft an, aber in der Regel müssen alle Kosten mit dem Verkauf von Speisen und Getränken gedeckt werden. Kein Umsatz bereitet sofort Schwierigkeiten“, sagt er.
Hinzu komme, dass alle Gaststätten mit gestiegenen Kosten zu kämpfen haben. Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine sind die Energie- und Lebensmittelpreise gestiegen, darüber hinaus ist seit Anfang des Jahres die zeitweilige Absenkung der Mehrwertsteuer weggefallen. Auch der Fachkräftemangel macht der Branche zu schaffen. „Jeglicher Spielraum im Ertrag ist weggenommen“, resümiert Geppert.
Ähnlich klingt das im Maria. Mit der Ausfallgebühr soll eine gewisse Planungssicherheit erreicht werden. „Gemäß den Reservierungen kaufen wir Lebensmittel und teilen unser Team ein. Bei Gästen, die einfach nicht auftauchen, scheint kein Bewusstsein zu herrschen, dass am entgangenen Umsatz im Endeffekt auch Arbeitsplätze hängen“, sagt Nadja Najib. Sie betont aber auch, dass sie selbst bei kurzfristigen Absagen den Besuchern gerne entgegenkomme — vorausgesetzt, die geben Bescheid. Auch Sonja Neumann von der Verbraucherzentrale appelliert an regelmäßige Auswärtsesser, Buchungen als verbindlich wahrzunehmen. „Absagen sollte eine Selbstverständlichkeit sein“, sagt sie.
Die einzigen, die davon profitieren, wenn Münchner ihre Reservierungen verfallen lassen, sind diejenigen, die abends einen freien Tisch suchen – allerdings auch erst dann, wenn die Lokale die reservierten Tische wieder freigegeben haben.