Buchmarkt:"So schwer kann es nicht sein, ein Buch zu machen"

Lesezeit: 3 min

Martin Pflanzer ist der interkulturelle Dialog ein Anliegen. In seinem Hagebutte-Verlag ist gerade ein Gedichtband von Leonardo Tonus erschienen. (Foto: Hagebutte Verlag)

Grafikdesigner Martin Pflanzer ist ein Mann des Bildes. Da er aber die "Kraft der Sprache bewundert", wurde er zum Mann des Wortes und gründete den Hagebutte-Verlag - als Heimat poetischer Bücher.

Von Michael Bremmer

Eine Aquarellzeichnung. Und unten auf dem Buchcover eine kleine, rote Hagebutte, ein kleines grafisches Ausrufezeichen. "Aufzeichnungen von hoher See" heißt der Lyrikband von Leonardo Tonus, Professor für brasilianische Literatur an der Sorbonne Universität in Paris, der gerade bei dem Münchner Hagebutte-Verlag erschienen ist. Ein spannender literarischer Farbklecks wie so häufig, wenn Kleinstverlage Herzensprojekte umsetzen, fern von publizistischen Zwängen und Gewinnabsichten.

Ein Besuch in Bogenhausen. Martin Pflanzer, 1985 in Bukarest geboren, sitzt an seinem Schreibtisch. Ein Laptop steht darauf, eine kleine Schreibmaschine, die Tür zum Gang ist ausgehoben, in einem Regal lagern in Kartons die bislang acht erschienenen Bücher. Ein Stuhl, ein Stoffsessel, eine umgedrehte Kiste dient als Tisch, mehr braucht es nicht. In der anderen Zimmerhälfte steht ein weiterer Schreibtisch, eine Bürogemeinschaft - "weil zu Hause der Platz gefehlt hat für die Bücher", sagt Pflanzer.

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Pflanzer hat in München Kunst und Multimedia an der Ludwig-Maximilians-Universität studiert, war dort im Anschluss Lehrbeauftragter für Webdesign, arbeitet heute halbtags als Grafikdesigner beim Bayerischen Rundfunk. Ein Mann des Bildes, der nun auch ein Mann der Worte ist. Er habe schon immer die "Kraft der Sprache bewundert", sagt er. Zudem sei ihm der "interkulturelle Dialog" ein Anliegen.

"Aufzeichnungen von hoher See" heißt der Lyrikband von Leonardo Tonus, Professor für brasilianische Literatur an der Sorbonne Universität in Paris. Das Buch ist gerade im Hagebutte-Verlag erschienen. (Foto: privat)

Zunächst wollte er deswegen eine Literaturzeitschrift herausbringen, zweisprachig, interkulturell, mit Beiträgen von mehreren Autoren, mit regelmäßigen Erscheinungsterminen, Projekte mit jungen Menschen wollte er an den Start bringen, was einem eben alles einfällt, wenn man mit Leidenschaft ein Ziel verfolgt, bis man sich eingestehen muss, dass das alles nicht zu schaffen ist - dann eben ein Verlag, dachte sich Martin Pflanzer: "So schwer kann es nicht sein, ein Buch zu machen." Das erste Buch ein Gedichtband, "Walnussaugen", eine Auswahl persischsprachiger Lyrik, zweisprachig veröffentlicht, geschrieben von neun Autorinnen und Autoren, von 22 Illustratorinnen und Illustratoren in Szene gesetzt - publizistischer Größenwahn, hervorragend. Zu aufwendig, an sich nicht finanzierbar, "so etwas geht nur im freundschaftlichen Rahmen", sagt Pflanzer.

Vor fünf Jahren war das, damals noch finanziert durch Crowdfunding. Was sich seitdem verändert hat? Von seinem Gehalt vom Bayerischen Rundfunk finanziert sich Martin Pflanzer sein Leben, was übrigbleibt, "investiere ich in den Verlag". Für ihn bleibt es "ein Hobbyprojekt", das Ziel sei nicht kommerziell, sondern ideell. "Ich fahre nicht in den Urlaub, sondern mache lieber ein Buch, oder zwei."

Es ist nicht einfach ohne Publicity und Marketing

Das erste Buch hatte eine Auflage von 1000 Exemplaren, das war zu viel, ein anderes druckte er nur hundertmal, das war zu wenig. Es ist nicht einfach ohne Publicity und Marketing - aber Pflanzer setzt auf zeitlose Bücher und darauf, dass es sich mit der Zeit herumspricht, dass es bei ihm lesenswerte Bücher gibt, Bücher mit Anspruch, "nicht nur Pille-Palle-Unterhaltungsliteratur", wie er sagt. "Ein Bild von mir" von Ayeda Alavie etwa, das 2020 zu "Bayerns Besten Independent Bücher" gehörte.

Martin Pflanzer - graues Shirt, blaue Hose, hellblaue Socken, schwarze Wuschelhaare - gehört nicht zu den Menschen, die sich in den Mittelpunkt stellen. Er sitzt ruhig da, die Beine übereinandergeschlagen, spricht leise, aber an den gestikulierenden Händen bemerkt man, wie sehr er dafür kämpft, dass seine Bücher Aufmerksamkeit erhalten. Er will nicht nur Verleger sein, sondern Brückenbauer - eine Brücke zu sein zwischen zwei Kulturen, das ist für ihn die Aufgabe, die Bücher haben können. "Ich erwarte einen aktiven Leser", sagt Pflanzer, er müsse sich Zeit nehmen und sich auf das Thema einlassen - dann könne er dem Autor sehr nahe kommen, dann lassen ihn Bücher in "Gefühlswelten und Gedankenwelten eintauchen".

"In Ruhe arbeiten, Dinge reifen lassen, das entspricht meinem Naturell."

"Aus der Freiheit heraus, ohne Druck entstehen die schönsten Dinge", sagt Pflanzer. Zwei Jahre etwa hat er sich Zeit gelassen, um den Gedichtband von Leonardo Tonus herauszubringen, ein poetisches Werk, in dem sich der Literaturprofessor mit den Fluchtbewegungen unserer Zeit im Allgemeinen, aber auch der Migrationsgeschichte seiner Familie auseinandersetzt - in Schreibmaschinen-Typo veröffentlicht, auf Wunsch des Autors, ins Deutsche übertragen von Lilli-Hannah Hoepner, die nahezu jede Zeile mit Leonardo Tonus besprochen hat. "In Ruhe arbeiten, Dinge reifen lassen, das entspricht meinem Naturell", sagt er.

Gedeihen lassen, das erinnert an die Natur, auch an die kleine, rote Hagebutte auf dem Buchtitel. Ob er einen Verlag für Gartenarbeit und Pflanzenkunde habe, werde er immer wieder gefragt, erzählt Pflanzer. Lange wusste er nicht, was er darauf sagen solle, jetzt antwortet er: "Ja, meine Bücher sind die Früchte aus dem Literaturgarten."

"Aufzeichnungen von hoher See", Fr. 12 Mai, 20 Uhr, Buchpremiere mit Autor Leonardo Tonus, Übersetzerin Lilli-Hannah Hoepner und Gitarrist Fabrício Cavalcante, Bellevue di Monaco , Müllerstraße 2-6.

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