Zehn Jahre Morisken Verlag:"Kleinverleger leben von der Selbstausbeutung"

Lesezeit: 3 Min.

Es gibt viele Kleinverlage in Deutschland, Konkurrenz untereinander sieht Thomas Peters aber nicht. "Warum sollen wir uns um die Krümel am Boden streiten, wenn oben am Tisch Kuchen gegessen wird." (Foto: Theresia Riesenhuber)

Thomas Peters ist Bücherliebhaber. Noch wichtiger sind ihm aber die Menschen dahinter. Vor zehn Jahren hat er den Morisken Verlag gegründet. Ein Gespräch über Freigeister, Kulturbetriebe und Kuchenkrümel.

Von Michael Bremmer

Thomas Peters mag kleine Buchläden. Buchläden wie "Rauch & König", nur einen Katzensprung entfernt vom Büro seines Morisken Verlags in Schwabing. Buchläden, bei denen der Inhaber nur Bücher verkauft, die er für wertvoll hält. Bücher, von denen er extra die Spiegel-Bestseller-Aufkleber abmacht, damit das Werk für sich stehen muss.

Thomas Peters mag diesen Buchladen. Auch, weil hier seinen Büchern eine Chance gegeben wird - wenn sie gut sind. Peters, 41, trägt eine Kappe mit dem Logo von Fortuna Düsseldorf, seiner Lieblingsfußballmannschaft, Jeans, graues Kapuzen-Sweatshirt, sein Rauschebart ist unten zu einem Zopf gebunden. Er steht an der Verkaufstheke, plaudert mit dem Inhaber, übergibt eine Broschüre mit "Lesetipps aus unabhängigen Verlagen", eine Seite ist den Büchern aus seinem Haus gewidmet. Peters sagt: "Wir brauchen kritische Köpfe. Wir brauchen kritische Stimmen. Wir brauchen mehr Freigeister."

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Freigeister wie Thomas Peters. Nein, das behauptet er natürlich nicht von sich, dafür gibt sich der Verleger zu zurückhaltend. Aber er weiß, wie wichtig kleine Verlage für Autorinnen und Autoren sind. Und er nutzt die Aufmerksamkeit, um Forderungen zu stellen. Nicht lautstark, sondern wohldosiert. "Kleinverlage werden zu wenig gefördert", sagt er etwa. Dass der Freistaat Bayern mittlerweile in diesem Bereich aktiv geworden ist und die besten Independent-Bücher auszeichnet, findet er natürlich "toll". Man könnte aber als Verleger längerfristig und ruhiger planen, "wenn jährlich ein Buch bezuschusst wird". Erst dann, sagt Peters, könne man wirklich "Diversität herstellen". Und: "Natürlich machen große Verlage eine tolle Arbeit, aber wir sind innovativer."

Thomas Peters ist in Düsseldorf aufgewachsen, deswegen auch die Liebe zur Fortuna. 2001 zog er nach München. Für das Jura-Studium, das er aber schnell abgebrochen hatte, um sich den Kulturwissenschaften zu widmen, der Volkskunde. Seine Magisterarbeit schrieb er über das Image und den Mythos des TSV 1860 München - "inklusive Feldforschung", wie man galant umschreiben kann, Fußballfan zu sein. Auf jeden Fall saß er einmal gemeinsam mit Sechzig-Fans in der U-Bahn, als kurz vor dem Bahnhof Alte Heide eine komplette Fensterscheibe auf das Gleisbett fiel. Details, die Geschichten lesenswert machen.

Nach dem Studium arbeitete Peters zunächst als Texter. Pläne, einen Verlag zu gründen, hatte er nicht - bis er vor zehn Jahren bei einer Veranstaltung war, bei der sein Bruder Kurzgeschichten vorlas. Großartige Geschichten, dachte sich Peters, aber "immer noch nicht veröffentlicht". Das habe sich dann alles spontan ergeben, er habe es einfach ausprobiert, sagt er. Buch zwei blieb ebenfalls in der Familie, sein Schwager. Bei Buch drei war es ein Bekannter - und als darüber die Zeitung berichtete, meldete sich zum ersten Mal ein Schriftsteller selbst: Buch vier. So entstand der Morisken Verlag.

Zehn Jahre gibt es den Verlag mittlerweile. "Ich kann zufrieden sein", sagt Peters heute. Zehn Jahre, in denen er auch Durststrecken überstehen musste. Die Corona-Pandemie sei dabei noch das geringste Übel gewesen, sagt er. Natürlich sei diese Zeit schlimm gewesen - keine Lesungen, keine Messen, die Buchläden geschlossen. Aber die Anfangsjahre fand er schwieriger, die Angst vor Misserfolgen, die Angst, dass das Geld nicht reinkommt. Immerhin hatte er Schulden aufgenommen, um den Verlag zu gründen, alles reingesteckt, was er als Texter verdiente.

"Wenn ich alles so mache wie die Großen, dann komme ich nicht weiter."

Kleinverleger - dieses Wort mochte Peters anfänglich nicht. Erst mit der Zeit konnte er besser einschätzen, wie wichtig seine Arbeit ist - für die Authentizität, auch für die Regionalität. "Wenn ich alles so mache wie die Großen, dann komme ich nicht weiter. Ich muss meinen eigenen Weg gehen." Auch wenn es kräftezehrend ist. "Kleinverleger leben von der Selbstausbeutung", sagt er. "Wir sind Kulturbetriebe, keine Konzerne."

Und das bedeutet für ihn auch, ein besonderes Verhältnis zu seinen Autorinnen und Autoren aufzubauen. Zu Marlene Walter etwa, Autorin und Illustratorin des Kinderbuchs "Fussel und der Mutausbruch", mittlerweile in der siebten Auflage und zuletzt ins Koreanische übersetzt. "Wir haben schnell gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind und den gleichen Humor haben", sagt Peters.

"Ich habe ein Gespür für Talente", sagt Thomas Peters. Seine Autorin Lea Hermann hat er auf einer Lesung kennengelernt. (Foto: Lea Hermann)

Neben Kinderbüchern veröffentlicht der Morisken Verlag auch Belletristik-Romane wie das gerade erschienene lesenswerte Debüt "Hirnweh" von Lea Hermann. "Ich habe ein Gespür für Talente", sagt Peters. Die Münchner Autorin hat er bei einer Lesung kennengelernt. Er riet ihr, über Themen zu schreiben, in denen sie sich auskennt. Etwa über die Zeit, die sie in einer Reha-Klinik verbracht hatte - detailreich, dicht und herrlich sarkastisch beschrieben in ihrem Erstling.

Was auch wichtig ist: "Ich habe eine Verpflichtung den Autoren gegenüber", sagt Peters. Was habe man davon, gute Bücher zu veröffentlichen und sie dann nicht zu verkaufen. Das war auch ein Grund, die Münchner Buchmacher zu gründen, ein Zusammenschluss von sieben kleinen Verlagen. In Corona-Zeiten eröffneten sie gemeinsam einen Pop-up-Laden im Münchner Rathaus, noch heute geben sie sich gegenseitig Tipps, entwickeln gemeinsam Marketing-Ideen, stützen sich gegenseitig und spenden auch mal Trost: im vergangenen Jahr etwa, als es von einem Großhändler haufenweise Retouren zu verkraften gab - für einen Kleinverlag eine Frage der Existenz.

"Gemeinsam erreicht man mehr", sagt Peters. Aber gibt es da keine Konkurrenz untereinander? "Konkurrenz? Nein!", stellt Peters klar. "Warum sollen wir uns um die Krümel am Boden streiten, wenn oben am Tisch Kuchen gegessen wird."

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